Führungen Spuren der Geschichte
Krefeld · Der frühere Landvermesser Georg Opdenberg bietet kurzweilige Führungen zur Stadthistorie.
Krefeld war im Zweiten Weltkrieg von 149 Luftangriffen betroffen. Allein beim schwersten Angriff am 22. Juni 1943 wurden über 6.000 Wohnhäuser zerstört und mehr als 1.300 weitere schwer beschädigt. Besonders die Krefelder Innenstadt traf es hart. Von den meisten Gebäuden standen nach Kriegsende nur noch die Außenmauern. Der anschließende Wiederaufbau musste schnell gehen. Außerdem wollte man jetzt eine moderne Stadt. Also wurde die historische Bebauung fast gar nicht wiederhergestellt. Wer wie Stadtführer Georg Opdenberg die Geschichte kennt, findet zwischen den Wällen trotzdem vielfältige Spuren der Vergangenheit.
AUF TOUR DURCH DIE INNENSTADT
Wir starten unsere stadthistorische Führung an der Marktstraße, Ecke Wiedenhofstraße, wo uns Georg Opdenberg darauf aufmerksam macht, dass die Breite Straße und die Hochstraße etwa einen Meter höher liegen. „Hier verlief bis 1820 vor der Stadtmauer der Stadtgraben des mittelalterlichen Krefelds, der von Regenwasser gespeist wurde, weil hier der tiefste Punkt der umliegenden Landschaft war“, erklärt unser Stadtführer. Das „Bröckske“ war eine Brücke über den Graben, die damals noch ins unbefestigte Umland führte.
Wobei es Ende des 16. Jahrhunderts überhaupt nicht klar war, ob Krefeld überhaupt weiter bestehen würde. Denn nicht erst die Kriege des 20. Jahrhunderts brachten totale Zerstörung. Im Jahr 1584 wurde die Stadt während des „Truchsessischen Kriegs“ beinahe dem Erdboden gleich gemacht und war zwei Jahrzehnte nahezu unbewohnt. Durch Georg Opdenberg erfahren wir, dass wir es den Urahnen des, niederländischen Königshauses, den Oraniern zu verdanken haben, dass Krefeld heute noch existiert. Unter ihrer Herrschaft – kamen die ersten Mennoniten in die Stadt, darunter 1656 die Familie von der Leyen, und es wurde die erste Stadterweiterung durchgeführt, die für die spätere Entwicklung der Stadt maßgeblich war.
EINE INTERAKTIVE ENTDECKUNGSREISE
All diese Fakten erklärt Opdenberg sehr lebendig anhand einer Vielzahl von alten Karten und Stichen. Dazu fordert er immer wieder auf, sich an bestimmte Punkte zu stellen, und die Perspektive der historischen Abbildungen nachzuvollziehen. So lernen wir zum Beispiel, dass die Quartelnstraße – eine schmale Verbindung von der Hochstraße zum Platz an der Alten Kirche – entstanden ist, weil die wohlhabenden Krefelder Bürger wollten, dass die armen Mennoniten vom Stadttor aus den kürzesten Weg in die abgelegene „Neustadt auf dem Kirchhof“ nahmen. Und dass der Name „Quartel“ nichts mit „Quartier“ zu tun hat, sondern für die Wachtelfigur (auf Krieewelsch-Platt Quartel) auf der Brunnenpumpe im Armenviertel steht.
Georg Opdenbergs historische Führung findet in dem engen Geviert zwischen Marktstraße, Hochstraße, Mennoniten-Kirch-Straße und Rheinstraße statt, dem ältesten, bis 1693 entstandenen, Teil der Innenstadt. Auf direktem Weg kann man dieses Areal in ein paar Minuten durchlaufen.
Aufgrund der vielfältigen Erklärungen dauert die Opdenberg-Führung dagegen eineinhalb Stunden, und ist dabei absolut kurzweilig. Auch wer schon viele Male auf diesen Straßen und Plätzen unterwegs war, entdeckt immer wieder Neues und gewinnt ungewohnte Einblicke. An einigen Stellen der Innenstadt gibt es etwa geschichtliche Hinweise, die flüchtige Passanten leicht übersehen. An der Rückseite des Sinn-Hauses auf der Mennoniten-Kirch-Straße, ist zum Beispiel die dort von 1764 bis 1852 bestehende Synagoge auf die Straße gezeichnet, worauf auch mit einer kleinen Infotafel hingewiesen wird.
Noch plakativer und für viele trotzdem eine Überraschung ist der in den Boden eingelassene Umriss des ehemaligen Stadttores an der Rheinstraße, Ecke Friedrichstraße. Wer hinschaut, sieht sofort die beiden großen Kreise der früheren Wehrtürme. Die meisten werden diese Kreuzung mit dem Kauf von Schuhen oder Bekleidung in Verbindung bringen, oder bestenfalls mit dem Blick auf die nahe katholische Dionysiuskirche. Deren Portal übrigens – für Kirchen unüblich – nach Osten orientiert ist, um so eine optische Verbindung zur Innenstadt zu haben.
Auch auf die an mehreren Stellen in das Pflaster der Innenstadt eingelassenen historischen Grundrisse weist Georg Opdenberg bei seinen Führungen gerne hin. In seiner Zeit als Mitarbeiter der Stadt Krefeld hat er bereits Ende der 1990er Jahren mit Unterstützung vom Verein für Heimatkunde, Kollegen und Kolleginnen dafür gesorgt, dass die Geschichte hier auf dem Boden sichtbar bleibt. „Ich habe das immer gemacht, wenn sowieso gerade Straßenarbeiten stattfanden, und sich so die Chance ergab, auf dem kleinen Dienstweg etwas zu bewirken“, berichtet er. An der Einmündung der Rheinstraße in den Dionysiusplatz, wo früher die Stadtmauer verlief, habe ich zum Beispiel den Baggerfahrer gebeten, eine kleine Pause zu machen, in der Dr. Reichmann vom Linner Museum den Untergrund untersuchen konnte. Die von der Firma Simpelkamp eigens angefertigten Eisenstege konnten dann genau entlang des alten Stadtmauerverlaufs in den Boden eingelassen werden. So haben wir vollendete Tatsachen geschaffen“, erzählt er verschmitzt.
VOM KREFELD-VERMESSER ZUM KREFELD-ERKLÄRER
Ganz in der Nähe des Dionysiusplatzes wohnt der 1950 geborene Georg Opdenberg noch heute. Er machte eine Lehre als Landvermesser und studierte anschließend in Essen Ingenieurvermessung. Fast selbstverständlich für den Ur-Krefelder, war es, sich eine Arbeit in der Heimatstadt zu suchen. So begann er Mitte der 70er Jahre als Landvermesser bei der Stadt Krefeld. „Das war ein sehr interessanter Job, weil wir quasi alles gemacht haben“, berichtet er, „von Vermessungsarbeiten für städtische Neubauten bis zum Nachmessen von Grundstücksgrenzen, wenn zwischen den Eigentümern Streitigkeiten aufkamen. Außerdem gab es Sonderaufgaben wie die Neuvermessung des Forstwalds, bei dem ich die uralten Grenzsteine suchen musste. Das fand ich sehr spannend. Meine Kollegen haben das manchmal belächelt. Die sagten dann ‚Lass den Dollen mal‘.“
Seit zwölf Jahren ist Georg Opdenberg im Ruhestand. Jetzt hat er noch mehr Zeit für die Tätigkeiten, die ihn bereits früh fasziniert haben. Der Schritt von der Vermessung und Dokumentation der Stadt zur künstlerischen Verarbeitung des Gefundenen war für den Krefelder nicht groß. Bereits in den 1980er Jahren kreierte er eine künslerische Aktion, indem er die zuvor auf dem Dionysiusplatz ermittelten Grundrisse der ehemaligen Stadtmauer temporär mit Dachlatten sichtbar machte.
Auch im Rahmen seiner Vermessungsarbeiten am Rande des Forstwalds kam ihm eine Idee: „Als ich feststellte, dass häufig Balken von alten Fachwerkhäusern als Zaunpfähle verwendet wurden, habe ich nach Fotos der Originalgebäude geforscht und dann bestimmt, wo die Balken früher im Gebälk eingesetzt waren. Dann habe ich Zeichnungen zusammen mit den Pfählen ausgestellt“, beschreibt er. „Spannend fand ich auch, von dem, was mir bei den Vermessungen begegnete, Holzschnitte zu machen, um sie mit einfachen Mitteln reproduzieren zu können.“
Zu den kulturhistorischen Führungen in der Krefelder Innenstadt kam er bereits relativ früh – wobei diese zunächst nicht öffentlich waren. Legendär waren auch die Touren zu Spuren vom Krieg und in die Luftschutzbunker oder zur Siedlungsgeschichte im Westen Krefelds.
Inzwischen bietet er die kurzweiligen Führungen durch die Krefelder Innenstadt mehrmals im Jahr im Auftrag seines ehemaligen Arbeitgebers, der Stadt Krefeld, an.
AKTUELLE TERMINE FINDEN SICH AUF DER INTERNETSEITE DER STADT UNTER krefeld.de/de/stadtmarketing/stadtfuehrer-fuehrungen