„Ach was.“ Man hört ihn sofort, diesen etwas aufgesetzten, indigniert-pikierten Tonfall aus altem preußischen Adel. Man hört sofort Loriot und hört ihn überall in der Ausstellung, auch ohne ihn tatsächlich zu hören, was aber auch möglich ist, etwa wie er das Lied von der kleinen Miezekatze singt, glücklicherweise nur über Kopfhörer ...
Sehr schön ist auch der Raum, in dem an Loriots erste Ausstellung in der DDR erinnert wird, 1985 im Dom seiner Geburtsstadt Brandenburg unter Umgehung aller offiziellen Stellen eingerichtet. Dem Einreiseantrag ist zu entnehmen, dass Herr von Bülow Jaguar fuhr. Als erlernter Beruf angegeben ist „Grafiker/Karikaturist“, unter „ausgeübte Tätigkeit“ steht dagegen: Künstler. Natürlich völlig zurecht. Loriot, der ja frei von Arroganz war, hat immer stolz auf die äußerst saubere Arbeit hingewiesen, die in seinen Zeichnungen ebenso wie in seinen Texten steckt, und damit viel dazu beigetragen, dass eben auch und vor allem Komik Kunst ist und Kunst eben meistens, siehe Richard Wagner oder Thomas Mann (und ihre von Loriot gefertigten Porträts in der Ausstellung) komisch.
Die nach ihm besten deutschen Humoristen, die von der Neuen Frankfurter Schule nämlich, Gernhardt, Traxler & Co., haben’s ihm gedankt, auch das ein sehr schöner Teil der Ausstellung, für die die Ludwiggalerie mit dem Caricatura-Museum Frankfurt zusammengearbeitet hat. Loriots Serie „Große Deutsche“ wird da von F. K. Waechter mit einem Knollennasenportrait Loriots „zu seinem 60. Geburtstag vervollständigt“.
Loriots Liebe zur Hochkunst, insonderheit zur Klassischen Musik, ist ja hinlänglich bekannt. Opernfreunde am Niederrhein erinnern sich an Richard Wagners „Ring“ in Loriots Fassung „an einem Abend“ im Theater Duisburg (mit „Staubsaugervertreter Jürgens“ Rudolf Kowalski als Erzähler). Zu den Höhepunkten der Oberhausener Schau gehören zweifellos Loriots Vorarbeiten zu Kostümen und Bühnenbildern für seine einzigen beiden Operninszenierungen, Flotows „Martha“ und Webers „Freischütz“. Die Akkuratesse, das Penible, ja Pedantische, das aus allen seinen Arbeiten spricht, hier hat er es auf die Spitze getrieben – das Geweih quasi als deutschtümelndes Gegenstück zur Knollennase.
Apropos Nase: Was Wagner, lässt man mal den antisemitischen Dreck beiseite, und Loriot verbindet, ist, dass es meistens um das Eine geht. Im Falle Wagners beispielsweise um Cosima, die er ihrem Ehemann Hans von Bülow ausspannte, der wiederum ein entfernter Vorfahr Vicco von Bülows war, der wiederum sich auf dem Gebiet des Ehebruchs zwar als ebenso unbegabt wie zu unflätiger Ausdrucksweise ausgab, dessen Herr Winkelmann in „Ödipussi“ von Mama aber mitgegeben bekommt, dass er ihn mit Eigelb bestreichen müsse, bevor er ihn reinschiebe. Die Präferenz fürs Untenrum ist in Oberhausen schön zu sehen etwa auf Phasenzeichnungen zu den „Herren im Bad“ oder zum „Plastologie“-Studiointerview, zu denen einem die O-Töne automatisch einfallen, von „Aber ich kann länger als Sie“ bis „Können Sie das mit jedem Körperteil?“ Schon angesichts des vollfrontalen Lederhosenlatzes in einem der allerersten Cartoons Loriots wird auch der kunsthistorisch nur Halbgebildete an Courbets „Ursprung der Welt“ denken müssen.
Es gibt auch, herrlich unspektakulär, das originale Atomkraftwerk, das nur nicht „puff“ macht (man hört’s trotzdem). Es ist wirklich eine sehens- und eben auch hörenswerte Ausstellung und, ja, doch, eine Zeitreise in eine lang vergangene Wirtschaftswunder- und Bildungsbürgerherrlichkeit. Ich verspreche Ihnen, wenn Sie sich nach der Ausstellung zum Beispiel in Duisburg „Das Rheingold“ ansehen, dann werden Sie dort früher oder später den unvergessenen Satz aus dem Opernkassensketch hören: „Aber den Drachen hätte ich doch ganz gern gesehen …“ – wenn Sie ihn nicht selber sagen.
„Ach was. Loriot - Künstler, Kritiker und Karikaturist“, bis 18. Mai 2025 in der Ludwiggalerie Schloss Oberhausen, dienstags bis sonntags von 11 bis 18 Uhr.