Frau Hegenbarth, 1995 sah man Sie als Fünfzehnjährige das erste Mal in der RTL-Serie „Die Camper“ auf dem Fernsehschirm. Wie kamen Sie zur Schauspielerei?
Tatsächlich kam die Schauspielerei eigentlich eher zu mir. Ich ging damals in Köln in die zehnte Klasse des Gymnasiums und eines Tages kamen Leute von der Produktionsfirma von „Die Camper“ in unsere Theater-AG, weil sie eine Jugenddarstellerin für die Serie suchten. Der Rest der Besetzung stand schon, nur für die Rolle der Tochter wurde noch jemand benötigt – und hier fiel die Wahl dann aus nicht mehr nachvollziehbaren Gründen (lacht) auf mich. Ich bin also quasi direkt vom Schulhof zum Fernsehen gekommen. Auf meiner Bucket List stand es bis dahin nicht.
Mit der Rolle der Alex Degenhardt in „Mein Leben & Ich“ kam Ihre Karriere dann so richtig ins Rollen. Wie haben Sie persönlich diese Zeit erlebt? Die Serie ging ja doch ziemlich durch die Decke…
1999 – im selben Jahr, in dem ich auch mein Abitur gemacht habe – haben wir den Pilotfilm gedreht. Ich muss sagen, dass wir das Buch und die Geschichte von Anfang an alle klasse fanden. Dennoch haben wir nicht erwartet, dass die Serie dann letztlich ein so großer Erfolg werden würde. Umso mehr haben wir uns darüber gefreut, dass sie von Anfang an so gut beim Publikum ankam. Ansonsten hat sich für mich persönlich in meinem Leben durch die Serie aber nicht viel verändert.
Ihr Bekanntheitsgrad hat aber ja damals schon sehr stark zugenommen. Das hat sich doch sicher auch im Alltag bemerkbar gemacht…
Klar wird man öfter mal erkannt, aber das fängt bei Serien im deutschen Fernsehen eigentlich immer auf einem sehr überschaubaren Niveau an und steigert sich dann langsam, in recht homöopathischen Dosen. Es ist ja auch nicht wirklich vergleichbar mit der Bekanntheit beispielsweise eines berühmten Popmusikers. Insofern konnte ich mich langsam an diesen steigenden Bekanntheitsgrad gewöhnen und es war für mich auch zu keinem Zeitpunkt unangenehm.
Wie war es denn für Sie damals, als junge Erwachsene mit 19/20 Jahren plötzlich wieder ein Teenie-Mädchen zu spielen?
Ich sah immer schon etwas jünger aus, als ich eigentlich war. Das kam der Produktionsfirma auf jeden Fall entgegen, weil es sich für sie rein arbeitsrechtlich natürlich sehr viel unkomplizierter gestaltet, wenn die Hauptdarstellerin schon volljährig ist. Meine Kollegin Nora Binder, die in der Serie Alex‘ Klassenkameradin Claudia Fischer spielt, war zu Drehbeginn noch 15 Jahre alt. Da gab es viel mehr Auflagen zu beachten. Ganz persönlich fiel es mir auch nicht wirklich schwer, eine Fünfzehnjährige zu spielen. Zum einen lag meine eigene Teenie-Zeit damals auch noch nicht so lange zurück und zum anderen ist die Alex in der Serie ja schon auch sehr altklug. Von daher kam es mir eigentlich sogar entgegen, dass ich zum Drehzeitpunkt schon ein paar Jahre älter war.
Gibt es eine Rolle in Ihrer Karriere, die Ihnen besonders am Herzen liegt?
Ich würde schon sagen, dass das tatsächlich die Rolle der Alex in „Mein Leben & Ich“ ist. Die Rolle war wirklich sehr gut geschrieben. Gerade, dass es sich bei Alex um eine Art Antiheldin handelt, hat mir gefallen. Sie will halt nicht rausgehen oder Freunde haben und findet die ganze Welt blöd. Gleichzeitig ist sie eine sehr moderne junge Frau mit ganz eigenen Ideen. Dadurch wurde sie ja damals auch zu einem Vorbild Mädchen, die selber nicht ganz so konform waren. Über die vergangenen Jahre haben mir immer wieder Frauen auf Instagram geschrieben, dass Alex Degenhardt für sie eine Heldin ihrer Jugend ist. Ich bin dankbar, dass ich hier eine Figur spielen durfte, die dann auch im echten Leben noch so weitergewirkt hat. Daran sieht man auch, dass „Mein Leben & Ich“ immer schon eine sehr moderne Serie war, die man auch heute noch genauso senden könnte.
Und welche Rolle oder welche Art von Rolle würden Sie gerne einmal spielen?
Noch eine romantische Komödie nach dem Schema „Boy meets Girl und am Ende wird geheiratet“ brauche ich auf jeden Fall nicht mehr in meinem Portfolio. Im Grunde reizt mich alles, was ich bislang noch nicht gemacht habe und bei dem ich mal eine andere Seite zeigen kann. Gerade auch die Abstecher auf die dunklere Seite finde ich sehr interessant. In der Episode einer Krimi-Serie eine Mörderin zu spielen oder in die Rolle einer psychisch kranken Person zu schlüpfen, ist zum Beispiel eine schöne Abwechslung zu dem, was ich sonst für gewöhnlich mache. Gleichzeitig sind solche Rollen aber auch sehr fordernd und nehmen einen sehr in Anspruch, einfach weil sie einen natürlich auch runterziehen. Deshalb würde ich sie auch nicht dauerhaft spielen wollen. Am Ende ist die Zeit, die ich auf das Spielen einer Rolle verwende, ja auch meine Lebenszeit und da sollte es schon nicht zu sehr ins Negative abdriften. Das ist eben der Vorteil, wenn man lustige Sachen dreht. Mein Gott, was haben wir beim Dreh von „Mein Leben & Ich“ gelacht… das war schon eine allumfassend gute Sache, weil die Serie eben nicht nur beim Zuschauen, sondern auch beim Machen viel Spaß gemacht hat.
Von 2012 bis 2017 spielten Sie die Titelrolle in der ARD-Vorabendserie „Alles Klara“, 2018 gaben Sie dann Ihren Ausstieg bekannt. Was waren Ihre Beweggründe damals?
Da gab es mehrere Faktoren, einerseits gewisse Rahmenbedingungen, die dann irgendwann nicht mehr passten, aber auch so hatte ich das Gefühl, dass die Luft nach 48 Folgen einfach raus war. Verstehen Sie mich nicht falsch, ich liebe Serien. Aber zu Serien gehört eben auch, dass die Hauptfiguren immer die Hauptfiguren bleiben. Und manchmal kommt man bei einer Serie an einen Punkt, an dem es sich totläuft.
Seit 2019 spielen Sie die Rolle der Gynäkologin Dr. Luise Fuchs in der ARD-Filmreihe „Toni, männlich, Hebamme“. Was hat Sie an dieser Rolle besonders gereizt?
Zunächst einmal handelt es sich bei Luise Fuchs um eine weibliche Chefin. Sie führt ihre eigene Praxis und ist akademisch höher gebildet als die Hauptrolle Toni. Dass die Drehbuchautoren hier diese klassische Männlicher-Arzt-und-weibliche-Schwester-Dynamik umgekehrt haben, hat mir sehr gefallen. Und auch darüber hinaus ist es einfach eine starke Frauenrolle, die auch mal etwas ungeschliffener ist und mit gewissen Ecken und Kanten daherkommt. Ich bin prinzipiell eine starke Verfechterin davon, dass weibliche Rollen Charaktertiefe haben und nicht nur per se dafür da sein sollten, dass der Zuschauer was Nettes anzusehen hat. Hier bin ich auch voll auf einer Linie mit Sibylle Tafel, der Regisseurin der Filme, mit der ich viele Ansichten – gerade was die Rolle von Frauen betrifft – teile. Leider ist das Fernsehen in dieser Hinsicht ja oft immer noch etwas retro.
Aber Sie würden doch sicher zustimmen, dass es in der heutigen Film- und Fernsehlandschaft deutlich mehr starke Frauenrollen gibt als früher?
Das auf jeden Fall, und ich freue mich auch sehr, wenn ich ein Teil dieser Bewegung sein kann.
Neben Filmen und Serien haben Sie auch bei Unterhaltungsformaten wie „Let’s Dance“ oder „The Masked Dancer“ mitgewirkt – ziemlich erfolgreich sogar. Wie kam es dazu und wie war die Erfahrung für Sie persönlich?
Vor dem Hintergrund, dass ich selber zehn Jahre lang Ballett getanzt habe und Tanzen sehr liebe, sollte man meinen, dass die Macher von „Let’s Dance“ mit ihrer Anfrage bei mir offene Türen eingerannt haben. Das war aber überhaupt nicht so. Ehrlich gesagt hat es mich sogar ziemliche Überwindung gekostet, bei der Show mitzumachen, auch weil ich vor einem Format vor Live-Publikum, bei dem man rausgewählt werden kann, durchaus Respekt hatte. Deshalb habe ich auch zunächst zweimal abgesagt, bevor ich schließlich doch den Mut aufgebracht habe. Bereut habe ich es nicht: Es war – abgesehen natürlich von der Aufregung vor den Live-Shows – eine durch und durch tolle Erfahrung und überhaupt eine der schönsten meiner Karriere. Die Arbeit mit meinem Tanzpartner Oliver Seefeldt, einer meiner absoluten Lieblingsmenschen, hat super viel Spaß gemacht. Manchmal trifft man einfach Leute, mit denen ist alles leicht – und mit Oliver ist das so. Der Muskelkater nach dem gemeinsamen Training hat sich immer auch auf die Bauchmuskulatur erstreckt, einfach weil wir so viel gelacht haben. Aber auch die Erfahrung, sich auf etwas Neues einzulassen, auch wenn noch völlig unklar ist, wie es am Ende laufen wird, hat mein Leben nachhaltig verändert. Das war nochmal eine gravierende Veränderung in meiner Persönlichkeit mit Mitte 20. Man sieht also, dass auch Unterhaltungs-TV-Formate manchmal durchaus eine tiefere Wirkung haben können. (lacht)
2023 haben Sie neues Terrain betreten, als Sie mit der Marke mara mea eine Taschenkollektion entworfen haben. Hatten Sie immer schon Designerambitionen?
Tatsächlich ja, ich hätte sogar Innenarchitektur und Design studiert, wenn ich nicht Schauspielerin geworden wäre. Trotzdem hätte ich nicht gedacht, dass ich mal eine Taschenkollektion entwerfen würde, geschweige denn, dass ich mal Miteigentümerin und Gesellschafterin von mara mea sein würde. Dorina Hartmann, die Eigentümerin von mara mea, hatte mir dies aber angeboten. Inzwischen kann ich sagen, dass es ein absolutes Geschenk ist. Die Arbeit macht einfach sehr viel Freude. Nächstes Jahr werden wir zum Beispiel eine Yoga-Kollektion herausbringen. Ich praktiziere selbst seit acht Jahren Yoga, habe inzwischen auch eine Yoga-Lehrer-Ausbildung und es ist eine echte Passion für mich geworden. Da ist es natürlich toll, dass ich jetzt diese Leidenschaft mit einer Kollektion verbinden kann. Wir werden Yoga-Taschen, Yoga-Matten und Yoga-Kleidung anbieten. Überhaupt wollen wir die Marke mara mea noch weiter aufstellen. Im Grunde bieten wir „alles rund um die Frau“, also schöne Sachen für Frauen, die aktiv und viel unterwegs sind.
Neben Ihrer Tätigkeit als Schauspielerin und Designerin engagieren Sie sich auch sehr im sozialen Bereich. Im Rahmen Ihres Engagements für die Hilfsorganisation „Mercy Ships“ halfen Sie schon für mehrere Wochen auf dem Krankenhausschiff „Africa Mercy“ ehrenamtlich aus. Wie haben Sie diese Zeit erlebt und welche Bedeutung hat sie für Sie?
„Mercy Ships“ ist wirklich eine tolle NGOs. Soziales Engagement war mir immer schon wichtig und ich habe regelmäßig gespendet und auch mehrere Kinderpatenschaften übernommen. Aber mit Anfang 30 hatte ich einfach das Gefühl, dass ich doch auch gerne auf eine aktivere Weise etwas zurückgeben würde. Als ich dann von „Mercy Ships“ erfahren habe, habe ich mich gleich gemeldet und nach etwas Vorlauf konnte ich dann im Januar 2013 in Guinea in Westafrika für einen Monat an Bord der „Africa Mercy“ gehen. Dort habe ich in der Mensa geholfen, in der täglich mehrere hundert Essen ausgegeben werden. Das bedeutet natürlich auch viel Putzen und Desinfizieren, da die Infektionsgefahr – etwa durch Noroviren – auf so einem Krankenhausschiff natürlich recht hoch ist. Letztlich war es eine tolle Erfahrung, und in den folgenden vier Jahren bin ich dann auch noch weitere Male – immer für einen Monat pro Jahr – mitgefahren, einmal in den Kongo und zweimal nach Madagaskar. 2017 hingegen war das Schiff schon ausgelastet, stattdessen habe ich dann in Kalkutta in einem Heim der Mutter-Theresa-Schwestern für behinderte Mädchen ausgeholfen. Als ich 2018 schwanger wurde, war es dann mit derartigen Engagements erstmal vorbei, aber ich werde es definitiv wieder machen.