Kunstpreis für Menschen mit Behinderung Inklusion mal andersrum

Niederrhein · Kunst kennt keine Barrieren und Inklusion funktioniert auch andersherum – dies hat der „Kunstpreis für Menschen mit Behinderung“ eindrucksvoll bewiesen. Am vergangenen Wochenende fand die Preisverleihung statt.

Bilderstrecke: Kunstpreis für Menschen mit Behinderung
104 Bilder

Kunstpreis für Menschen mit Behinderung

104 Bilder
Foto: Emilian Hahn

Es ist eine Mischung aus Aufregung, Freude und Stolz, die an diesem Abend das Mikado in Krefeld erfüllt. Für die Künstlerinnen und Künstler ist es die erste Preisverleihung dieser Art, für alle ist es das erste Mal, dass ihre Kunstwerke einer so großen Öffentlichkeit präsentiert werden. Und man kann nur sagen: Das wurde auch mal Zeit. Denn was hier gemalt, gebastelt, modelliert oder gestaltet wurde, gehört gesehen. Gut also, dass der Verein „Engel gibt es überall“ aus Kamp-Lintfort und das Heilpädagogische Zentrum Krefeld - Kreis Viersen (HPZ) gemeinsam den „Ersten Kunstpreis für Menschen mit Behinderung“ ausgerufen haben und für Sichtbarkeit sorgen.

Alle lieben Esel: Platz 1 gab’s für Kai Königs tierisches Meisterwerk.

Foto: cb

Der Abend bietet eine würdige Bühne – Ingrid Stermann, 1. Vorsitzende der Engel, hat ja ein Händchen für Kunstveranstaltungen und ein Herz für besondere Momente. „Dieser Kunstpreis soll dazu beitragen, dass wir Menschen mit Behinderung offen begegnen und dass wir Vielfalt feiern“, begrüßt sie die geladenen Gäste, zu denen auch die zwölf Nominierten und ihre Familien gehören. „Kunst kennt keine Grenzen“, stellt auch Patrick Tekock von der Sparkasse Krefeld fest, die die Veranstaltung finanziell unterstützt. Manuel Wölbert, Werkstattleiter im HPZ, nimmt die Gäste anschließend mit auf „die wunderbare Reise ‚Kunstpreis’“: Von den anfänglichen Zweifeln, ob es Künstlerinnen und Künstler im HPZ gibt und ob ihre Kunstwerke bestehen können, bis hin zu der Erkenntnis: „Die Vielfalt und Qualität ist ehrlich beeindruckend.“ Und zum Schluss spricht er einen sehr schönen Gedanken aus: „Vielleicht müssen wir Inklusion auch mal anders denken: Durch die Kunst dürfen wir ‚gesunden‘ Menschen in die Welt der Menschen mit Behinderung eintauchen – und nicht immer nur andersrum. So werden Grenzen eingerissen.“

Kunstpreis für Menschen mit Behinderung

Foto: Emilian Hahn

Alle 35 eingereichten Beiträge sind ausgestellt. Die Gäste haben bis zur Verkündung der Platzierungen noch etwas Zeit, sich umzuschauen. In zwei Dingen ist man sich einig: „Jedes Kunstwerk hat etwas Besonderes“ - und alle lieben den Esel! Den hat Kai Königs mit Acrylfarben gemalt und ein Gemälde erschaffen, das einen immer wieder einfängt – egal, wo man gerade im Raum steht.

Mit Spannung wird also das Urteil der Jury erwartet. Leicht war’s wirklich nicht, das kann Ihnen die Autorin dieses Artikels sagen, denn die saß mit in der Jury (und redet gerade von sich in der 3. Person). Es gibt zwar die ersten drei Plätze, aber letztendlich haben alle gewonnen, die mitgemacht haben, „und wir müssen uns einfach bei euch bedanken, dass ihr eure Kunst mit uns teilt“, macht Ingrid Stermann klar, daher gibt’s für alle Nominierten zunächst eine Geschenktüte – mit einem Kalender aus ihren Kunstwerken und einem Buch, in dem alle eingereichten Beiträge samt Porträtfotos und Statements der Künstlerinnen und Künstler festgehalten wurden. Das sorgt für strahlende Gesichter. Dann steigt die Spannung noch mal, die Gäste besorgen den Trommelwirbel: Platz 3 und ein 180-teiliges Künstlerbedarfsset gehen an Manh Huy Nguyen und seine Skulptur Manhuyosaurus. Den zweiten Platz belegt Patricia Ulrich, die mit einer sehr aufwendigen Collage und vielen verschiedenen Techniken eine Drachenwelt erschaffen hat. Dafür gibt’s einen 150-Euro-Gutschein von Künstlerbedarf Bösner. Und Platz 1 wird keine Überraschung, es wird der Esel: „Man schaut das Bild an und es schaut zurück. Es ist wie ein Dialog mit dem Bild“, beschreibt die Laudatio das, was alle im Raum fühlen. Der Preis: ein neues Tablet.

Während nun die Gäste Zettel bekommen, auf denen sie für die Kunstwerke Gebote abgeben können, kommt man auch in den näheren Austausch. Manh Huy lässt sich begeistert mit seiner Skulptur fotografieren, schließlich sei er jetzt ja ein VIP, sagt er und lächelt. Patricias Mutter erzählt, dass ihre Tochter eigentlich nur einen Drachen plastisch darstellen wollte und sich dann über Wochen hinweg nach und nach eine ganze Fantasiewelt ergeben hätte. Und was Kai Königs angeht können wir uns auf noch mehr tierische Kunstwerke freuen, denn der Esel ist nur der Auftakt zu der Reihe „Bremer Stadtmusikanten“. Den Hund gibt’s auch schon, wie ein Handybild beweist, und er steht dem Esel in nichts nach.

13 von 35 Kunstwerken werden schließlich verkauft, für die laufende Ausstellung bleiben sie natürlich noch hängen. In einem Falle ersteigert die Mutter das Bild, „weil meine Tochter sich nicht davon trennen kann und es mir schenken wollte“. Auch Neles‘ Frida Kahlo-Werk ist unverkäuflich, aber erhält eine Spende von einem begeisterten Gast. Und das passt einfach zu diesem wunderbaren Abend voller Wertschätzung und besonderer Momente – Inklusion mal neu gedacht halt.

Die Ausstellung ist noch für drei Wochen im „Mikado meets Kulisse“ in der Fabrik Heeder in Krefeld im laufenden Restaurantbetrieb zu bestaunen. Die Bücher mit allen eingereichten Beiträgen und die Kalender aus den Werken der zwölf Nominierten können beim Verein „Engel gibt es überall“ erworben werden: engelgibtesueberall.de

Eine Bildergalerie vom Abend finden Sie unter www.extra-tipp-am-sonntag.de