Mag.-jur. Sabrina Kreuzer bringt True-Crime auf die Bühne Das Böse und die Frage nach der Schuld

Mönchengladbach · True-Crime-Formate boomen. Eine, die weiß, wie spannend gerade die juristische Perspektive auf Kriminalfälle ist, ist die Mönchengladbacher Juristin Sabrina Kreuzer. Noch ist es die kleine Bühne, aber ihre Fangemeinde wächst. Das neue top magazin Niederrhein ist der Faszination True Crime auf die Spur gegangen.

Für ihr True-Crime-Format „EinFall“ sucht Sabrina Kreuzer die spannendsten und skurrilsten Fälle heraus. Nach einer kleinen Babypause will sie im März oder April den nächsten Fall aufrollen. Am besten über Instagram dranbleiben: @ein_fall.

Foto: Andreas Baum

Sabrina Kreuzer ist studierte Juristin und unterrichtet hauptberuflich Verwaltungs-, Polizei- und Ordnungsrecht an der Hochschule für Polizei und öffentliche Verwaltung in Köln. Beim Thema True Crime blüht sie auf. Daher tritt sie auch mit einer True Crime Live-Show namens „EinFall“ auf und beleuchtet spektakuläre und skurrile Fälle juristisch – und unterhaltsam.

Frau Kreuzer, wie kamen Sie auf die Idee, eine True-Crime-Live-Show auf die Bühne zu bringen?

Ich hatte schon an der VHS ein eigenes True-Crime-Forum. Dann ist leider letztes Jahr im Dezember meine Tochter in der 36. Woche ohne erklärlichen Grund verstorben. Da habe ich mir gedacht, ich muss mein Leben noch einmal komplett neu aufrollen. Ich wollte mehr eigene Projekte machen. Also habe ich beschlossen, das zu tun, was ich kann. Und so entstand meine Live-Show.

Als Dozentin haben Sie vermutlich keine Scheu, vor Publikum aufzutreten, oder gibt es bei Ihnen auch Momente, in denen Sie Lampenfieber haben?

Natürlich ist man vor einer Show immer ein bisschen angespannt, weil man ja bestmöglich abliefern möchte. Ich bin aber sehr fokussiert, egal, ob ich vor 30, 100 oder mehr Leuten spreche. Ich möchte meinen eigenen, oft sehr hohen Ansprüchen gerecht werden. Deswegen gehört ein „gesundes Lampenfieber“ dazu.

Wie erklären Sie sich den aktuellen True-Crime-Hype?

Über diese Frage habe ich mir auch schon Gedanken gemacht. Ich glaube, es ist dieser natürliche Voyeurismus, den jeder hat. Und ich glaube, was die Leute interessiert, ist das „Böse“, wobei das ja eigentlich Quatsch ist, denn es gibt nicht den bösen Menschen. Jeder kann theoretisch zum Mörder werden. Und man sieht den meisten ihre Straftaten nicht an. Aber genau das ist, glaube ich, das Faszinierende: dass so etwas Fremdes, das sich so weit weg anfühlt, plötzlich ganz nah kommt. Denken wir mal an Josef Fritzl, den Vater, der seine eigene Tochter 24 Jahre in einem eigens gebauten Verließ unter seinem Haus festgehalten hat und mit ihr sieben Kinder gezeugt hat. Dieser Mann hatte Nachbarn und Freunde, doch keiner hat es gemerkt.

In Ihrer Show nehmen Sie reale Kriminalfälle unter die Lupe und analysieren sie juristisch – klingt etwas trocken, ist es aber nicht, oder?

Ja, das ist der Punkt. Wenn ich jemandem erzähle, dass ich Jura studiert habe, dann kommt direkt: „Oh Gott, wie kann man denn so etwas machen?“ Und der zweite Satz ist oft: „Wie, das hast du studiert? Du siehst ja gar nicht so aus!“ Das finde ich immer sehr interessant, denn ich selber sehe keinen kausalen Zusammenhang zwischen Optik und Studiengang. Man kann einem Menschen weder eine Straftat noch einen Beruf ansehen – genauso wenig wie einen Intelligenzquotienten, eine Lebensgeschichte oder sonst etwas.

Wie sind Sie denn zum Jurastudium gekommen?

Ich habe Jura nie studiert, um Prestige zu erlangen, sondern weil es meine Leidenschaft ist. Ich habe mit zehn Jahren zu Weihnachten mein erstes Strafgesetzbuch bekommen dann an Silvester mit der Familie eine Gerichtsverhandlung nachgestellt. Mamas schwarzer Mantel fungierte dabei als Robe. Ich wollte schon immer Strafverteidigerin werden, ich wollte die Welt verbessern und Ungerechtigkeiten beseitigen. Doch dann musste ich feststellen, dass ich nur ein kleines Zahnrad in einem gewaltigen System bin. Trotzdem liebe ich diese Materie einfach, und ich glaube, gerade deshalb kann ich es auch auf eine lockere“ und verständliche Weise rüberbringen – im Unterricht wie bei meinen Shows. Manche Fachbegriffe muss ich nennen, weil es keinen anderen Begriff dafür gibt, aber ich versuche immer, alles so herunterzubrechen, dass man es versteht. Jura zum Anfassen…

Was ist der spektakulärste Fall, der Ihnen aus unserer Region untergekommen ist?

Da kommt mir direkt ein Fall in den Sinn: der „Campingplatzfall“ in Niederkrüchten. Eine Frau, die sich jahrelang in einer höchst toxischen und gewalttätigen Beziehung befunden hat, tötet ihren Freund, nachdem er zuvor von drei Jungs verprügelt wurde. Die Frau wurde wegen Mordes verurteilt – lebenslange Haftstrafe. Das hat mich sehr bewegt, in diesem Fall gab es mal wieder nur Verlierer und vor allem die Angeklagte hat alles verloren.

Gibt es ein True-Crime-Format, das Sie sich ansehen?

Ich schaue manchmal deutsche True Crime Formate, z.B. Anwälte der Toten oder auch WDR-Lokalzeit MordOrte auf Youtube.

Sie erklären, warum Menschen zu Tätern werden – und wie das Gericht entscheidet. Denken Sie bei Urteilen auch manchmal „das ist nicht gerecht“?

Man muss sehen, dass Moral nicht gleich Recht ist. Dass jemand, der Steuern hinterzogen hat, eine höhere Strafe bekommt als jemand, der ein Kind missbraucht und getötet hat, ist moralisch eine Katastrophe, aber juristisch oftmals sauber gelöst. Unser Strafrecht ist ein Schuldstrafrecht, kein Vergeltungsstraftrecht, wie es mal war. Die Opfer oder Hinterbliebenen fühlen sich in den seltensten Fällen befriedigt, doch darum geht es im Strafverfahren nicht. Es geht um die individuelle Schuld des Täters. Das führt oft zu einem gesellschaftlich kollektiven Gefühl von „Ungerechtigkeit“. In meinen Shows und in meinem Podcast EinFall auf Spotify, vertiefe ich genau solche Fragen.

Wie viele und welche Fälle stellen Sie in einer Show vor?

Einen Fall pro Show, die etwa zwei Stunden dauert. Oft sind es regionale Fälle, zumindest aber Fälle aus Deutschland.

Wie viele True-Crime Shows haben Sie schon gemacht? Wann sind die nächsten geplant?

Zwei Jahre habe ich das Kriminal-Forum an der VHS veranstaltet. Eigene Live- Shows habe ich bis jetzt vier veranstaltet. Aktuell ist sie monatlich geplant. Ein Tag im Monat ist Live-True Crime-Zeit. (Zwinkert)

Gibt es Reaktionen/Fragen während der Show?

Ja, definitiv. Die Show ist interaktiv aufgebaut. Das heißt: Bei jedem Event steht immer die Frage im Raum „Was sagt Ihr Judiz dazu?“ … „Judiz“, für alle, die es nicht wissen – woher auch?! – (lacht), ist das natürliche Rechtsempfinden, das jeder Mensch hat, also eine Art juristischen Instinkt. Jura hat zwar nichts mit Gefühlen zu tun, aber es gibt ja dieses Empfinden dafür, was richtig und was falsch ist. Deswegen machen wir auch Abstimmungen, bei denen das Publikum wirklich gefragt ist: „Wie würden Sie entscheiden, wenn Sie Richter wären? Darf man den Beweis verwerten? Ist die Zeugenaussage glaubhaft oder nicht?“ Ganz oft kommen auch Fragen wie „Was ist der Unterschied zwischen Mord und Totschlag?“ oder: „Warum schaut man nur auf den Angeklagten – wo ist das Opfer in der Geschichte?“ Solche Fragen beschäftigen die Menschen, und die werden dann auch geklärt.

Wer kommt zu Ihnen in die Show?

Vom Jurastudenten bis zum Rentner. Alle Schichten, alle Altersklassen sind vertreten. Jeder, der Interesse an wahren Verbrechen hat. Menschen, die Interesse an Jura – in lebhafter Form – haben, sind bei mir genau richtig.

Wann treten Sie das nächste Mal auf?

Nach einer kurzen Babypause – ich hoffe, diesmal geht alles gut – voraussichtlich im März oder April wieder. Aktuelle Info gibt es immer über Instagram @ein_fall