Erster Kunstpreis für Menschen mit Behinderung Kreativität kennt keine Barrieren

Niederrhein · Der Verein Engel gibt es überall und das Heilpädagogische Zentrum Krefeld-Kreis Viersen haben den 1. Kunstpreis für Menschen mit Behinderung ausgerufen. Die Preisverleihung findet am 7. November statt. Im Anschluss werden die Werke ausgestellt.

Ingrid Stermann, Patrick Tekock, Claudia Basener, Manuel Wölbert, Christel von Schaper und Jeanette Echterhoff hatten’s nicht leicht: 35 großartige Werke galt es zu begutachten und schließlich eine Auswahl zu treffen.

Foto: Christoph Buckstegen

Schon lange trägt Ingrid Stermann einen besonderen Wunsch mit sich: einen Kunstpreis für Menschen mit Behinderung ins Leben zu rufen. Die erste Vorsitzende des Kamp-Lintforter Vereins „Engel gibt es überall“ ist dafür bekannt, sich für die Sichtbarkeit sogenannter Randgruppen einzusetzen - und mit Kunst und Charity kennt sie sich bestens aus, wie ihre erfolgreiche „Kunst hilft Kindern“-Veranstaltungsreihe jedes Jahr aufs Neue zeigt. Doch ein Kunstpreis für Menschen mit Behinderung ist auch für sie Neuland. Daher suchte und fand sie mit dem Heilpädagogischen Zentrum (HPZ) Krefeld-Kreis Viersen einen fach- und sachkundigen Partner. Hier arbeiten an neun Standorten 2.200 Menschen mit körperlicher und/oder geistiger Behinderung. Sie sind zum Beispiel tätig in der Kaffeerösterei, im Büro, im Lager, in der Gärtnerei, in der Druck- und Werbetechnik, im Bistro oder in den verschiedenen Werkstätten.

Es geht um Wertschätzung
Die Idee, einen Kunstwettbewerb mit anschließender Ausstellung zu veranstalten, stößt beim HPZ sofort auf offene Ohren, denn das bedeutet etwas ganz Wichtiges für Menschen mit Behinderung, nämlich: Wertschätzung! Mit Flyern und im persönlichen Gespräch macht die Ausschreibung die Runde. Bis auf die Altersbeschränkung von 18 bis 25 Jahre gibt’s keine Teilnahmebedingungen oder Vorgaben. Thema, Technik und Material können frei gewählt werden.

40 Personen melden sich an, 29 von ihnen reichen schließlich bis zum Bewerbungsschluss 35 Beiträge ein. Mit welcher Begeisterung die jungen Leute ans Werk gegangen sind, berichtet Werkstattleiter Manuel Wölbert: „Wir haben Teilnehmende, die vorher extra ins Kunstmuseum gefahren sind, um sich vorzubereiten.“ Auch seine Kollegin Christel von Schaper kann das bestätigen und erzählt von einem jungen Künstler, der vor Freude hüpfend in die Mensa kam, sein Bild in Handtüchern gewickelt, damit es bloß nicht beschädigt werde: „Das war so ein wundervoller Moment.“

Was die jungen Leute motiviert: die entgegengebrachte Wertschätzung, der Stolz auf die eigene Leistung und die Möglichkeit, sich frei ausdrücken zu können. Und ja, auch die Preise für die ersten drei Plätze sorgen für eine Extraportion Motivation: Es gibt ein Tablet und zwei Wertgutscheine zu gewinnen. „Für Menschen, die sonst nur Sozialleistungen beziehen und ein ganz anderes Verhältnis zu Geld haben, bedeutet ein Tablet die Welt. Es ist so, als würden wir ein Auto gewinnen“, ordnet Wölbert ein.

Es wurde mit den unterschiedlichsten Materialien gearbeitet; es wurde gemalt, geklebt, gebastelt, geformt und geschrieben. Und die entstandenen Werke sind mehr geworden als bloße Ergebnisse künstlerischen Schaffens: „Sie sind Zeugnisse persönlichen Wachsens, Perspektiven, die unsere Welt bereichern, und Brücken, die Barrieren überwinden helfen. Jeder Beitrag trägt die Spuren von Neugier, Mut und Ausdauer in sich“, so Ingrid Stermann, die mit ihrer Jury nun vor der schweren Aufgabe stand, aus 35 Beiträgen zwölf auszuwählen.

Diese zwölf Nominierten nehmen an der großen Preisverleihung und Ausstellungseröffnung am 7. November im Mikado in „Der Kulisse“ der Fabrik Heeder teil, wo schließlich auch die Plätze 1 bis 3 im feierlichen Rahmen gekürt werden. Der Abend ist nur für geladene Gäste. Zu ihnen gehören auch die Künstlerinnen und Künstler mit ihren Familien. Danach ist die Ausstellung für vier Wochen im laufenden Restaurantbetrieb zu bestaunen. „So wollen wir den jungen Künstlerinnen und Künstlern eine würdige Bühne geben“, sagt Ingrid Stermann.

Alle Werke gibt’s als BuchDoch nicht nur das. Zum einen werden die Werke der zwölf Nominierten als Kalender für 4,90 Euro erhältlich sein. Und zum anderen wird aus allen 35 eingereichten Beiträgen und dazugehörigen Steckbriefen ein Buch erstellt, das für 25 Euro – entweder in der Ausstellung oder über den Verein Engel gibt es überall - erworben werden kann. Möglich wird dies auch durch die Sparkasse Krefeld, die den Kunstpreis finanziell unterstützt. Ingrid Stermann: „Das Buch versammelt alle eingereichten Arbeiten - mit dem festen Willen, Respekt zu zeigen, Autonomie zu feiern und die Stimmen der jungen Künstlerinnen und Künstler mit Behinderung dort hörbar zu machen, wo sie gehört werden sollten: in der Öffentlichkeit, in der Kunstwelt und in unseren Herzen!“