Villa Merländer Erinnern für die Zukunft

Krefeld · „Sie traten sämtliche Türen ein (...). Telefone wurden sofort abgeschnitten. Radios, meins und Helmuts, zertrümmert (...). Mit Äxten, Hämmern und Beilen wurde alles zertrümmert (...). Sämtliche Kronleuchter, Fensterscheiben, Möbelstücke kurz und klein geschlagen (...).“

Sandra Franz, Leiterin der NS-Dokumentationsstelle, und Josef Amshoff, Vorstandsmitglied im Förderverein Villa Merländer e.V..

Foto: RBAV

Mit diesen erschütternden Worten beginnt ein Video auf der Website der Villa Merländer, die zugleich Sitz der NS-Dokumentationsstelle und des Kulturbüros der Stadt Krefeld

ist. Es sind die Erinnerungen von Adelheid Hertz, die als Zeitzeugin über die Gräueltaten der Nationalsozialisten berichtet. Worte, die sprachlos machen – und dennoch dringend gehört werden müssen.

Die Villa Merländer erinnert nicht nur an das Unfassbare der Vergangenheit, sondern stellt sich auch den Herausforderungen der Gegenwart. Seit 1991 dient das ehemalige Wohnhaus des jüdischen Krefelder Seidenfabrikanten und Kunstmäzens Richard Merländer als zentraler Ort der Auseinandersetzung mit der NS-Zeit. Das Haus eines Mannes, der als Jude verfolgt, entrechtet und 1942 in Theresienstadt ermordet wurde.

EIN HAUS, DAS GESCHICHTE ATMET

Inmitten der historischen Fassaden der Friedrich-Ebert- Straße liegt sie unscheinbar – und doch besonders: die Villa Merländer. Hinter dem markanten Säulenportal öffnet sich ein Raum, der nicht nur architektonisch, sondern auch emotional berührt. Antike Möbel, Holzvertäfelungen und persönliche Gegenstände lassen das Haus fast wohnlich wirken – ein Kontrast zu seiner heutigen Bestimmung.

Seit dem Jahr 1991 ist die Villa Merländer auf der Friedrich-Ebert-Straße 42 die offizielle NS-Dokumentationsstelle der Stadt Krefeld.

Foto: RBAV

Hier wird gesammelt, geforscht, erzählt und erinnert: an das jüdische Leben in Krefeld, an die Opfer nationalsozialistischer Gewalt, an das große Schweigen nach 1945 – und an die Verpflichtung, daraus Verantwortung zu übernehmen.

Die Villa dient zugleich als Bildungsstätte, als Raum für Dialog und kritische Auseinandersetzung für Schüler*innen, Studierende und interessierte Bürger*innen.

Eine Erinnerungskultur im Wandel

Seit 2018 leitet die Historikerin Sandra Franz das Zentrum. Gemeinsam mit ihrem Team arbeitet sie daran, Geschichte lebendig zu halten – in einer Zeit, in der persönliche Zeitzeugenschaft zunehmend verschwindet. „Das macht es umso notwendiger, neue Formen des Erinnerns zu entwickeln“, sagt Franz. Denn mit dem Schwinden der Zeitzeugen wächst die Bedeutung einer emotional berührenden und intellektuell anspruchsvollen Vermittlung.

„Gerade in einer sich wandelnden politischen Landschaft ist es unser Anspruch, junge Menschen für die Relevanz der Vergangenheit zu sensibilisieren – auch durch enge Kooperationen mit Schulen.“

Aktuell wird die Dauerausstellung der NS-Dokumentationsstelle neu gestaltet und die Technik für die Ausstellungsräume erneuert. Spontane Besuche sind derzeit nicht möglich, die Bildungsarbeit läuft jedoch uneingeschränkt weiter. Ab Jahresende soll die Villa Merländer wieder für alle offen sein, ohne Anmeldung, wie in einem Museum.

MEHR ALS NUR EIN BLICK ZURÜCK

Gemeinsam mit dem Historiker Robert Muschalla arbeitet Sandra Franz derzeit an einer völlig neuen Dauerausstellung,die im März 2026 eröffnet werden soll. Das Ziel: eine zeitgemäße, interaktive Präsentation mit emotionaler Kraft – weit über das Erzählen von Kriegsjahren hinaus.

„Die neue Ausstellung wird nicht nur die Verfolgung dokumentieren, sondern auch das Leben davor und danach beleuchten“, erklärt Franz. Damit sollen nicht nur jüdische Biografien, sondern auch Geschichten anderer Opfergruppen – Homosexuelle, Sinti und Roma, Zwangsarbeiter*innen – sichtbar gemacht werden.

Zudem wird ein besonderer Fokus auf Kontinuitäten und Brüche gelegt: Wie wirkte das NS-Regime in die Nachkriegszeit hinein? Welche Spuren ziehen sich bis in die Gegenwart? Selbst kulturelle Verluste werden thematisiert – etwa durch die Präsentation geretteter Wandgemälde des Krefelder Expressionisten Heinrich Campendonk, dessen Werke im Nationalsozialismus als „entartet“ galten.

EIN VEREIN, DER VERANTWORTUNG ÜBERNIMMT

Unterstützt wird das NS-Dokumentationszentrum nicht zuletzt vom Förderverein Villa Merländer e.V., dem rund 360 Mitglieder angehören. Die Mitgliedschaft beginnt bewusst niedrigschwellig – ab fünf Euro Jahresbeitrag.

Josef Amshoff, Vorstandsmitglied und ehemaliger Lehrer, bringt das Engagement auf den Punkt: „Wir fördern Forschung, ermöglichen Veranstaltungen mit Gegenwartsbezug, finanzieren Bildungsprojekte, betreuen das Stolperstein-Projekt in Krefeld und organisieren das anstehende Sommerfest.“

Blick durchs Schlüsselloch: Sommerfest am 21. September

Ein zentraler Ort der Erinnerung will auch ein Ort der Begegnung sein. Deshalb lädt die Villa Merländer am 21. September von 14 bis 19 Uhr herzlich ein zum Sommerfest im Garten. Bei Live-Musik, Speisen und Getränken können sich Nachbarn, Freunde und Unterstützer*innen austauschen – und durch ein „Schlüsselloch“ erste Blicke auf die Renovierungsfortschritte werfen.

„Wir freuen uns auf viele Gäste, neue Kontakte und spannende Gespräche“, sagt Sandra Franz. Ganz im Sinne des einstigen Hausherrn Richard Merländer, der Kunst, Bildung und Offenheit zeitlebens als untrennbar verstand.

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Friedrich-Ebert-Straße 42

47800 Krefeld

Spendenkonto:

Villa Merländer e.V.

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