Simon Hoffmann schreibt das nächste Kapitel der Mediothek Krefeld Ein Ort für alle

Krefeld · Es war eine Nacht, in der die Bücher leise flüsterten und die Seiten alter Folianten im sanften Luftzug raschelten. Zwischen den Regalen der Mediothek Krefeld, wo Geschichten lebendig werden, stand Simon Hoffmann, seit dem 1. Dezember neuer Leiter des Hauses am Theaterplatz, und betrachtete die Reihen unzähliger Bände – jeder gefüllt mit Welten, die nur darauf warteten, entdeckt zu werden.

Mediotheksleiter Simon Hoffmann.

Foto: vertäll

Plötzlich funkelte ein silbriges Licht zwischen den Büchern, und eine schimmernde Gestalt erschien. Eine Zauberfee, umgeben von tanzenden Buchstaben, schwebte vor ihm. „Simon Hoffmann, du neuer Hüter der Geschichten“, sprach sie mit einer Stimme, die wie ein ferner Glockenschlag klang, „ich gewähre dir einen Wunsch. Was soll die Zukunft für die Mediothek Krefeld bringen?“ Simon lächelte, denn er kannte seine Antwort schon lange. „Mächtige Zauber und epische Heldentaten sind nicht nur in den Seiten der Bücher verborgen. Die wahre Magie einer Bibliothek liegt in ihrer Offenheit für alle. Die Mediothek Krefeld soll ein Ort sein, an dem jeder willkommen ist – ungeachtet seiner Herkunft oder seiner Träume. Die Art, wie Menschen lesen, lernen und entdecken, hat sich gewandelt – und wir müssen uns mit ihnen wandeln. Ein lebendiger Ort soll sie sein: mit digitalen Möglichkeiten, kreativen, inspirierenden Angeboten und Räumen für Kommunikation, Lernen, Verweilen – und für Veranstaltungen, die alle begeistern. Dafür wünsche ich mir noch mehr Platz.“ (Frei übersetzte Traumwandlung des bekennenden Elvis- und Fantasy-Fans Simon Hoffmann)

Etappenreiche Berufung auf Umwegen

Rund 320.000 Menschen haben im letzten Jahr die Mediothek besucht. Die untere Fläche inmitten des Gebäudes kann dank des rollbaren Mobiliars freigeräumt werden, um dort regelmäßig Veranstaltungen durchzuführen. Die einzelnen Ebenen erreicht man bequem über die umliegenden Rampen. Bei Bedarf steht auch ein Aufzug zur Verfügung

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Bildhafte Kindheitserinnerungen an sein erstes Buch, Pitje Puck, mit einem schnauzbärtigen Postboten, hat Simon Hoffmann, geboren 1986 in Siegen, erst zu Beginn seiner Grundschulzeit.

Kein großes Schlüsselerlebnis also, das seinen späteren Berufsweg damals schon erahnen ließ. Nach der Schulzeit folgten zunächst „Irrungen und Wirrungen“ und eine Phase, die intensiv von Partys geprägt war. Dann war es immer noch nicht die Literatur selbst, sondern das Studium der Germanistik und Geschichte für das Lehramt in Bochum und Köln, das ihn näher an Sprache und Kultur heranführte. Nach dem bewussten Verzicht auf eine absehbare Lehrerlaufbahn verlagerte sich sein Fokus auf Theaterwissenschaften. Die enormen Veränderungen im Bibliothekswesen seit den 1990er-Jahren – weg von reinen Buchausgabestellen hin zu offenen, multifunktionalen Lern- und Begegnungsorten – weckten schließlich sein Interesse an diesem Berufsfeld.

Die heutige Themenvielfalt, das dynamische Nutzungsverhalten und die stetigen Herausforderungen begeistern jemanden, der von sich sagt, nichts perfekt zu können, sich aber für vieles zu interessieren – und darin auch versiert zu sein. Nach rund einem Jahr als Leiter der Kinderbibliothek in Moers übernahm Simon Hoffmann im Juli 2017 die stellvertretende Leitung der Mediothek Krefeld – an der Seite von Evelyn Buchholtz, die im November 2023 in den Ruhestand verabschiedet wurde.

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Erfolgsrezepte für steten Wandel

Nicht selten wurde in der Vergangenheit der Niedergang der Bibliotheken prophezeit – gerade in Zeiten von Spotify und Netflix, in denen scheinbar allerorts gestreamt wird und viele Menschen zwar kopflos, aber nie handylos durch das öffentliche Leben laufen. „Wir greifen aktuelle Entwicklungen auf, passen Angebote an und entwickeln stets neue Formate“, erläutert Hoffmann.„Generell verspüren wir sogar eine positive Entwicklung. Die Leipziger Buchmesse meldete einen Besucherrekord. Und ausgerechnet Social Media trägt mit Formaten wie BookTok auf TikTok dazu bei, dass junge Menschen das Buch wiederentdecken – mit Fokus auf Romantik, Übersinnliches und Fantasy.“ Auch die digitalen Angebote der Bibliotheken sind inzwischen umfassend und attraktiv: Online-Fernleihe, der Pressreader mit Zugriff auf weltweit tausende Zeitungen und Zeitschriften, Overdrive & Libby mit E-Books, Hörbüchern und Magazinen sowie filmfriend mit Filmen und Serien zum Streamen. „Den größten Teil unserer Aktivitäten richten wir auf die Leseförderung für Kinder und Jugendliche aus. Denn zahlreiche Studien belegen leider einen zunehmenden Rückgang der Lesekompetenz. Jedes fünfte Kind ist nicht mehr in der Lage, sinnentnehmend zu lesen – ein fataler Zustand, der spätere Ausbildungsund Berufschancen massiv beeinträchtigt.“ Zu den besonders beliebten Angeboten zählen der Sommer-LeseClub, Kuscheltier-Übernachtungen oder das Auto-Bilderbuchkino. Positiv wirkt sich auch die kostenfreie Nutzung aller Angebote für Jugendliche bis zum 18. Lebensjahr aus.

Wer über die Rampen des lichtdurchfluteten Gebäudes wandelt, das 2008 eröffnet wurde, erkennt schnell: Einige klassische Regalreihen sind verschwunden.„Begonnen hat alles 2015 mit dem Umbau der Ebene 5 zum Lernraum“, erklärt Hoffmann. „Wir haben festgestellt, dass die Mediothek zunehmend als Lern- und Arbeitsort genutzt wird. Hier findet man eine gute Infrastruktur: Tische, Stühle, Ladestationen, WLAN, Medien – und vor allem eine angenehme Atmosphäre. Auch als Treffpunkt, zum Austausch und zum gemeinsamen Lernen. Deshalb bauen wir Regale ab und verdichten Medien an anderen Stellen.“ Im unteren Bereich befinden sich sogenannte Studios, die regelmäßig von Lerngruppen genutzt werden. Seit den Flüchtlingsbewegungen finden hier kostenfreie Sprach- und Begegnungstreffen statt. Einfach Deutsch heißt das Angebot – für alle, die sich zwanglos begegnen und verständigen möchten.

„Was uns einzigartig macht und mir besonders am Herzen liegt“, betont Simon Hoffmann, „ist unser Nachhaltigkeitsgedanke. Das beginnt beim Ausleihen und Zurückgeben. Jeder kann unsere Angebote acht Stunden täglich vor Ort nutzen – völlig kostenfrei. Das ist gelebte soziale und wirtschaftliche Teilhabe. Bezahlt wird nur, wenn man etwas mit nach Hause nimmt.“

Ein besonderes Lieblingsprojekt ist die Bibliothek der Dinge, kurz und treffend „KRempel“ genannt. „Dort kann man Dinge ausleihen, die man nur selten braucht oder sich vielleicht nicht leisten möchte – etwa Spielekonsolen, einen 3D-Drucker oder eine Bohrmaschine.“ Ein weiteres Highlight ist die SaatgutBibliothek. Im Frühjahr kann man hier Samen unterschiedlichster Pflanzenarten erhalten – und nach der Erntezeit Saatgut zurückbringen. Ein Kreislauf der Natur im Bibliotheksformat.

Mitarbeiterin Katja Wiefel.

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„DIE WÜRDE DES MENSCHEN IST UNANTASTBAR.“ (ARTIKEL 1 DES GRUNDGESETZES) – Dieser zentrale Satz des Grundgesetzes prangt unübersehbar auf dem Sturz von Ebene 2. „Demokratische Bildung ist uns sehr wichtig“, erklärt Simon Hoffmann. „Wir nehmen Demokratie ernst – und möchten unsere Haltung sichtbar machen. Die gesellschaftlichen Entwicklungen geben uns recht.“ Katja Wiefel, Mitarbeiterin der Mediothek, hat daher für das gesamte Jahr Veranstaltungen, Lesungen und Aktionen geplant – oft in Kooperation mit Schulklassen. So wird im Herbst, vom 22. September bis zum 3. Oktober, eine Ausstellung der Friedrich-EbertStiftung unter dem Titel Demokratie stärken – Rechtsextremismus bekämpfen gezeigt, begleitet von Workshops des Jugendschutzes der Stadt Krefeld. Zusätzlich lädt eine Themenpyramide mit Medien zur Demokratiebildung zum Stöbern und Lernen ein.

Quo vadis, Mediothek?

Wenn die Wunsch-Fee noch einmal in der Mediothek erscheinen würde – was stünde auf Simon Hoffmanns Liste? Mit einem Schmunzeln verrät der sympathische Mediotheksleiter: „Privat: dass endlich alle Sanierungsund Renovierungsarbeiten abgeschlossen sind, die Umzugskartons ausgepackt – und meine Familie und ich richtig in Krefeld angekommen sind. Beruflich: dass wir perspektivisch ein Zweigstellen-System für Krefeld aufbauen können. Und für die kleineren Stadtteile wünsche ich mir einen Bücher- und Medienbus, der direkt zu den Menschen fährt – das wäre fantastisch.“ Wir wünschen weiterhin viel Erfolg – und gratulieren dem gesamten Team zu 320.000 Besucherinnen und Besuchern im vergangenen Jahr!