Riesling wächst an Trierer Rädern, Gewürztraminer an der Pergola. Nein, wir befinden uns nicht in den Weinbergen der Mosel oder in Südtirol, sondern in Leutherheide in Nettetal. Auf einer Fläche von etwa einem Hektar hat die Seenstädter Wein UG & Co. KG etwa 3.000 Rebstöcke gepflanzt. Nach den ersten Versuchsanpflanzungen von Pinotin (rot) und Souvignier Gris (weiß) folgten in 2022 weitere Pflanzungen von Souvignier Gris und Cabernet Cortis (rot). 2023 wurden auf einem zweiten Weinberg Cabertin und Donausriesling gepflanzt. Eine weitere Bestückung mit den beiden Rebsorten erfolgte im Frühjahr 2024. Seenstädter Wein UG & Co. KG – das sind die fünf Freunde André Dückers, Leo Jürgens, Tim Schmitz, Guido Kall und Marcel Fritz. Sie kennen sich schon seit vielen Jahren und teilen mindestens eine Sache: die Leidenschaft für guten Wein. „Wir hatten alle schon immer eine gewisse Affinität für Wein und haben diesen gerne zusammen genossen“, sagt André Dückers, der im „echten Leben“ Lehrer ist. Mit Marcel Fritz hat er vor einigen Jahren bereits zusammen Bier gebraut. „Wir wollten aber nun ein Produkt vom Anfang bis zum Ende herstellen.“ Also von der Pflanzung bis zur Abfüllung. Deshalb baute die Freundesgruppe prompt ihren eigenen Weinkeller, in dem sie – nach der Lese - von der Maische oder der Pressung über die Reifung und Filtration bis hin zur Abfüllung alles selber machen bzw. begleiten. Von der ersten Lese 2023 konnten sie bereits 100 Flaschen abfüllen. Dieser Wein wurde allerdings nicht verkauft, sondern im engen Kreis verkostet. „Wir wollten erst einmal schauen, was dabei herauskommt“, erinnert sich André Dückers. Das Fazit lautete: „Schmeckt!“ Voller Zuversicht schauten die fünf Winzer somit in Richtung Lese 2024. Doch
der späte Frost Ende April machte ihnen einen Strich durch die Rechnung. Die jungen Triebe wurden zerstört und sie mussten mit einem großen Verlust rechnen. Der Lese 2025 stehe nun aber nichts mehr im Wege. Zwischen September und Oktober – je nach früher oder später Sorte – werden die Weintrauben geerntet und verarbeitet. Die ersten Flaschen werden dann an die sogenannten Rebstockpaten verteilt. Eine Patenschaft für einen Rebstock hat eine Laufzeit von drei Jahren und kostet 99 Euro. Dafür gibt es ein Namensschild am Rebstock und eine Urkunde. Jedes Jahr erhält der Pate eine Flasche Wein und wird zu hauseigenen Weinfesten eingeladen.
Wo und wann der Wein der Seenstädter Winzer nun zukünftig in den Verkauf geht, sei noch nicht klar. In ihrem Probierraum in Kaldenkirchen
möchten sie den Wein aber auch in Selbstvermarktung vertreiben. Dass Nettetal vielleicht ein eher untypischer Ort für den Weinanbau sein könnte, hat die Winzer damals übrigens nicht beirrt. „Es gab schon einige Kritiker, die uns erst einmal ein wenig ungläubig angeschaut haben, aber ehrlich gesagt haben wir hier in Leutherheide alle Voraussetzungen, die es für den Weinanbau braucht“, erklärt Dückers. Ein Weinberg könne nämlich durchaus auch auf einem leichten Hang oder sogar in einer Flachlage existieren. „Die Hauptsache ist, dass die Rebstöcke ausreichend Sonne abbekommen und ein geeigneter Boden vorhanden ist“, weiß Marcel Fritz.
Für die fünf Winzer ist der Weinanbau auch außerhalb der Erntezeit eine zeitintensive Aufgabe. Alle zwei bis drei Tage werden die Rebstöcke von den Männern kontrolliert und immer wieder gepflegt. Sie legen großen Wert auf naturnahen Weinbau und arbeiten mit Respekt vor natürlichen Prozessen im Ökosystem Weinberg. Die Arbeit mit Maschinen reduzieren sie auf ein Minimum. Wichtige Schritte wie Winterschnitt, Laubarbeiten, Ertragsreduktion und Lese erfolgen komplett von Hand. „Auf dem Weinberg ist so gut wie immer einer von uns anzutreffen“, sagt André Dückers. Interessierte Spaziergänger oder Fahrradfahrer blieben in der Vergangenheit deshalb gerne stehen und erkundigten sich. „Das Bedürfnis, mehr über den Weinbau erfahren zu wollen, ist deutlich spürbar“, stellt André Dückers fest. „So entstand dann die Idee zum Weinlehrpfad, um den Weinanbau besser erklären zu können.“ Im Frühjahr letzten Jahres begannen sie einen Teil ihres Weinberges mit klassischen Rebsorten zu bepflanzen. Die alten Rebsorten sollen in traditionellen und international verbreiteten Systemen erzogen werden. Der Ausbau erfolgt als Mischsatz, das heißt, die Trauben werden gemeinsam gelesen, gepresst und vergoren. Über die klassischen wie neueren, pilzwiderstandsfähigen Rebsorten, das Ökosystem Weingarten, An- und Ausbau informieren neun Schautafeln, die als für alle zugänglichen Weinlehrpfad angelegt sind.
Eine große Picknickbank in der Mitte lädt zum Verweilen ein. Möglich gemacht hat dieses Projekt der LeiLa e.V. der Leader Region, der dieses Projekt maßgeblich mit Fördermitteln zur Entwicklung des ländlichen Raums unterstützt hat.
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