Rehkitzretterin fordert: Hunde an die Leine! Bambi 2025 – eine Tragödie

Mönchengladbach · Bambi 2025 – das ist die grausame Realität: Rehkitze, gebissen von Hunden, die ja „nur spielen“ wollen. In den Wunden Maden und Fliegenlarven, die sie bei lebendigem Leib auffressen. Kitze mit gebrochenem Kiefer, unfähig, bei der Mutter zu trinken, so dass sie kläglich verhungern... „Hunde an die Leine!“, appelliert „Rehkitzmama“ Doris Kohnen darum eindrücklich. Der Extra-Tipp hat sie zuhause im Hardter Wald besucht.

Doris Kohnen kümmert sich um von Hunden gebissene oder unter anderen Umständen von ihrer Mutter getrennte Rehkitze wie „Dörte“ und appeliert: Hundehalter, nehmt Eure Vierbeiner an die Leine!

Foto: Petra Käding

Mit einem verletzten Rehkitz, das ihr Sohn 2009 nach Hause gebracht hat, hat alles angefangen. Seitdem nimmt Doris Kohnen, die mit Mann, Hund, Hühnern und Wildpferdchen im Hardter Wald wohnt, verletzte und verlassene Rehkitze auf, versorgt ihre Wunden, päppelt sie auf, bis sie sie wieder in die freie Wildbahn entlassen kann. Erlebt hat sie schon so ziemlich alles: von der Familie, die ein Rehkitz vier Tage im Kinderzimmer hielt und dann merkte, dass es „wohl etwas abgenommen hat“ und man „jetzt auch in Urlaub fahren wolle“ – bis zur Frau, die im Wald die Geburt zweier Rehkitze beobachtete und dann meinte, die Neugeborenen „retten“ zu müssen, indem sie sie der Mutter wegnahm und zu einer Tierärztin brachte. Die gute Nachricht: Doris Kohnen hat sie durchgebracht. Ein kleines Wunder...

Was Doris Kohnen immer wieder zur Weißglut bringt, sind Hundehalter, die ihre Vierbeiner von der Leine lassen – selbst in der Brut- und Setzzeit (März bis Ende Juli). „Die können noch so ‚lieb‘ sein“, sagt sie, „aber es sind Hunde. Und auch, wenn die so ein Rehkitz ‚nur‘ packen und nicht reißen wollen – sie machen es ‚kaputt‘. Dann liegt es da, verletzt, mit gebrochenem Kiefer, kann nicht mehr bei der Mutter trinken, Maden kriechen in die Wunden, fressen das Kitz bei lebendigem Leib auf, Krähen picken ihm die Augen aus...“

mags-Revierförster Werner Stops erinnert an den jüngsten Vorfall am 22. Juni, als ein Hund im Hardter Wald ein Rehkitz gebissen und es dabei so schwer verletzt hat, dass es eingeschläfert werden musste, und sagt: „Wir haben jedes Jahr mehrere solcher Vorkommnisse. Nicht nur Jungtiere, auch ältere Tiere bzw. Elterntiere werden von Hunden verletzt. Dabei muss nicht immer gebissen werden. Auch das Hetzen des Wildes kann tragische Folgen haben. Häufig werden tote Tiere aufgefunden, die sich in ihrer Panik tödliche Verletzungen an Zäunen zugezogen haben. Zwar dürfen Hunde in NRW auf Waldwegen – mit Ausnahme von Naturschutzgebieten – ohne Leine laufen, die Wege aber nicht verlassen! Heißt: Ist ein Hund nicht abrufbar, gehört er an die Leine!“

Rehkitz „Dörte“ hat Glück im Unglück gehabt. Eine tierliebe Finderin hat das nur etwa vier Wochen alte Kitz zu Doris Kohnen gebracht... Sie versorgt die Hundebiss-Wunden – und dazu gehört nicht nur desinfizierendes Blauspray aufsprühen, sondern zunächst Maden & Co. aus der Wunde pulen. Sie füttert das Kleine mit teurer Ziegenmilch – anfangs stündlich, dann im Zweistundentakt – auch nachts, und das, obwohl sie berufstätig ist. Inzwischen hat Dörte Vertrauen zu ihr gefasst. Nicht zu verwechseln übrigens mit dem typischen Rehkitz-Verhalten bei Gefahr, nämlich ducken und nicht rühren. „Viele interpretieren das als Zutraulichkeit, wenn sie ein Kitz hochheben und es bewegt sich nicht“, erklärt die Tierretterin. „Dabei sind sie einfach nur starr vor Angst. Also bitte nicht einfach anfassen, sondern ins Internet gucken, Hilfe suchen, zum Beispiel bei Hegeringen, Tierärzten, oder den Drohnenrettern (unter www.rehkitzrettung-mg.de)!“

Zusammen mit Dörte im „Kinderzimmer“, einem kleinen abgegrenzten Waldstück neben Doris Kohnens Haus, sammeln zurzeit drei weitere Rehkitze, „Bärbel“, „Paule“ und „Laura“, das Rehkitz aus dem echten Kinderzimmer, Kräfte. Und dann sind da noch zwei im erweiterten Gehege hinter dem „Kinderzimmer“, die groß geworden und geblieben sind: „Sam“ (10 Jahre), der seine verletzten Hoden entfernt bekommen musste und sich in freier Wildbahn nicht durchsetzen könnte und daher bleiben musste. Und Püppi (4 Jahre), die zwar frei im Wald unterwegs ist, aber immer wieder zu „Mama“ Doris Kohnen zurückkehrt.

Die vier Rehkitze werden, wie schon rund 40 vor ihnen, von Doris Kohnen ausgewildert, wenn sie groß und stark genug sind. Das klappt durch behutsame Entwöhnung, durch allmähliches Auf-Abstand-gehen, wie sie erklärt.

Manchmal sterben ihr die Tiere leider auch unter den behutsamen, fürsorglichen Händen weg. „Dann zweifle ich auch schon mal an mir“, sagt die Tierretterin, „frage mich ‚warum hab ich das nicht geschafft?’“

Doch dann wird das nächste verletzte Rehkitz zu ihr gebracht und Doris Kohnen kann gar nicht anders als diesen armen, zarten, wunderbaren Wesen zu helfen. Weitgehend auf eigene Kosten übrigens. Tierarztkosten, Ziegenmilch, für die kleinsten Biestmilch... – das geht ins Geld.

Am schlimmsten aber ist das unnötige Leid der Rehe – wie übrigens auch anderer Waldtiere. Daher zum Schluss noch einmal der dringende Appell: Hunde an die Leine!