Unterwegs sein bedeutet nicht nur, von Ort A zu Ort B zu reisen, sondern auch den Lebensweg zu gehen. Passionszeit und Ostern bieten dazu markante Aussagen: Jesus, am Palmsonntag gerade noch enthusiastisch gefeiert, erlebt und durchlebt direkt danach alle Ausprägungen des Leidens. Abschied von den Freunden, die Erkenntnis, von Freunden verraten und verleugnet zu werden, Verzweiflung und Angst, bis hin zu einem besonders brutalen Tod. Aber, darüber hinaus – und das ist Ostern – die Hoffnung für uns, die Gewissheit der biblischen Botschaft, dass mit dem Tod nicht alles vorbei ist. Was „Auferstehung“ bedeutet, können wir uns heutzutage nicht vorstellen, oder anders formuliert: Alle, die auch nur im Entferntesten an die Auferstehung glauben, dürften völlig verschiedene Vorstellungen davon haben.
Folglich sollte sich auch die Kunst, zumindest die Kunst der Gegenwart, nicht festlegen wollen. Sie muss vielmehr eine Offenheit bieten, mit der auch Manfred Brueckner arbeitet. Er reduziert, verzichtet vollkommen auf Farbe, zeigt auf fast lapidare Weise verschiedene Materialien, collagiert, übermalt, zeichnet (be-zeichnet), nutzt Strukturen von gefundenen Stücken und Fetzen, manchmal fast wie Teile von Bußgewändern. Die Arbeiten, systematisch quadratisch gerahmt, sind einerseits auf schlichte Weise präsent, strahlen aber andererseits, beinahe reliquienhaft, etwas Erhabenes aus. Vielleicht, weil man Lebensspuren ahnt.
Manfred Brueckner, der Künstler, der in Ahlen in Westfalen lebt und arbeitet, sieht sich zeitlebens als Suchender unterwegs. Zum Unterwegssein gehört immer auch Innehalten – durch Schaffung und Betrachtung von Kunst; beides verbindet er immer mit Friedlichkeit und Achtsamkeit, diese wiederum möchte er durch „Beachtung“ generieren. Seine Arbeitsweise strebt nicht an, perfekt und vollendet zu sein, sondern sie gibt dem Suchen Gestalt – dies aber gerade nicht, wie man meinen könnte, in Rastlosigkeit und Hektik, sondern im Gegenteil: in Ruhe und Stille, in Sicht auf sich selbst. Und da schließt sich der Kreis zu Passion und Ostern: Wo sind wir, wohin gehen wir, was werden wir auf unserem Weg noch finden? In der Ausstellung hier und da ein Kreuz; zwei sind sofort zu erkennen, aber wenn man genau hinschaut, entdeckt man noch einige mehr – sensible Andeutungen oder Fragmente. Der Kontext spricht, wie immer, mit.
Seine größere Arbeit in der Apsis sieht der Künstler selbst als „Weg“ – obwohl ihm ansonsten eine titellose Denkweise und Präsentation lieber ist. Dieser Weg geht, selbstverständlich, nicht geradeaus. Von oben nach unten, von unten nach oben, himmelwärts, erdwärts. Und auch hier deutet sich, durch eine gefaltete Querlinie, eine Kreuzform an. Wir kommen nicht umhin.
Der Künstler zeigt seit 1980 Ausstellungen, veranstaltet Performances und betreut Projekte – die Orte dafür reichen vom Museum der Abtei Liesborn über verschiedene Kirchen und Galerien bis in die USA und Australien.