Es scheint einzutreten, was viele befürchtet haben: Niemand wird juristisch für die Loveparade-Katastrophe verantwortlich gemacht. Dass es zu keiner Hauptverhandlung vorm Landgericht kommt, liegt am Gutachten von Keith Still, dem wesentlichen Beweismittel der Staatsanwaltschaft. "Dieses Gutachten ist nicht verwertbar", erklärte Ulf-Thomas Bender, Präsident des Landgerichts, gestern vor der Presse. Es weise "gravierende inhaltliche und methodische Mängel" auf. Anhand des Gutachtens "lässt sich nicht beantworten, aus welchen Gründen es zur Katastrophe kam" am 24. Juli 2010, als 21 Menschen starben und über 500 weitere verletzt wurden.
Eine Hauptverhandlung in einem Strafprozess darf nur eröffnet werden, wenn sie "mit hinreichender Wahrscheinlichkeit" zu einer Verurteilung der Angeklagten führt. Nach Meinung der 5. Großen Strafkammer besteht aber kein hinreichender Tatverdacht.
Vor allem zweifelt das Gericht an, dass das tragische Geschehen ab einem bestimmten Zeitpunkt unumkehrbar war. Es sei nicht bewiesen, dass ausschließlich Fehler bei der Planung und Genehmigung, also im Vorfeld, die Todesfälle und Verletzungen verursacht hätten. Neben den örtlichen Gegebenheiten hätten auch andere mögliche Unglücksursachen berücksichtigt werden müssen, beispielsweise das Handeln (oder Nichthandeln) von Polizei oder Sicherheitspersonal, etwa später eingezogene Polizeiketten oder die unterlassene Schließung der Zugangssysteme.
Ungenauigkeiten bei den Teilnehmerzahlen, mangelnde Sprachkenntnis und Unkenntnis der in Deutschland maßgeblichen Normen und Regeln sind weitere Vorwürfe an Still bzw. sein Gutachten. Es sei außerdem zu erwarten gewesen, dass Still in der Hauptverhandlung wegen Befangenheit abgelehnt worden wäre.
In einer emotionalen Erklärungen äußerte Oberbürgermeister Sören Link, Opfer und Angehörige dürften "Unverständnis äußern, dass es mehr als ein halbes Jahrzehnt brauchte, um diese Katastrophe aufzuarbeiten, ohne dass am Ende jemand strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden konnte."
Die Staatsanwaltschaft hat sofortige Beschwerde beim Oberlandesgericht Düsseldorf eingelegt und geht davon aus, dass die Durchführung der Hauptverhandlung angeordnet wird.