Vor acht Jahrhunderten gab es noch keine Burg Uda und kein Dorf Oedt. Aber es gab schon eine Kirche, die war sehr klein, so dass man besser von einer Kapelle sprechen sollte. Im Oedter Land gab es eine Reihe von Höfen, die alle der Benediktinerabtei zu Gladbach, heute Mönchengladbach, abgabenpflichtig waren. Die Kapelle im Kirchspiel Oedt war, wie die Abteikirche in Gladbach, dem Heiligen Vitus geweiht. 1170 wird sie in einer Urkunde des Abtes Robert benannt, als er den Standort des benachbarten Hofes, dem Sal- oder Herrenhof, mit „zu Oedt (hude) in unserer Kirche“ lokalisierte. 1170 bezieht sich der Gladbacher Abt in einer Urkunde auf „unsere Kirche zu Oedt (hude)“.
Wahrscheinlich ist die romanische Kapelle schon 200 Jahre früher errichtet worden, wie archäologische Grabungen am Standort der heutigen St. Vitus Kirche nahelegen. Es werden sich um Salhof und Kapelle Handwerker und Händler mit ihren Familien angesiedelt haben, die dann als Kirchspiel den Urkern von Oedt bildeten.
Es gibt aber auch Hinweise, dass Oedt vielleicht schon als kleine Siedlung zur Römerzeit existierte. In der Nähe der Kirche fand man vor wenigen Jahren zwei große römische Bausteine, die aus dem nahen Liedberger Steinbruch stammen. In den vier Jahrhunderten nach Christus haben nur die Römer diesen Steinbruch genutzt, um ihre Befestigungsanlagen und Häuser zu bauen. Die entstanden nicht nur am Rhein (wie Köln, Neuss, Xanten), sondern in bescheidener Ausführung auch an der Niers, wie eine spätrömische Anlage in Goch beweist. Geologen vermuten, dass diese beiden gefundenen Liedbergsteine zu einer befestigten Anlegestelle an der Niers gehört haben könnten. Wo eine Anlegestelle war, dürfte auch eine kleine Bebauung bestanden haben, nämlich das spätrömische „loca huda“. Weitere Funde auf und um das Kirchplateau sollten diese These künftig noch untermauern.
Da das Jubiläumsjahr 2025 auf die Erwähnung der St. Vituskapelle zurückgeht, kann man sich fragen, wie die Oedter im 12. Jahrhundert eigentlich gelebt haben. Das Oedter Land zwischen dem Niederfeld im Norden und Clörath im Süden war sumpfig und waldreich, teils fruchtbar, teils sandig. Denn zwischen den Flüsschen Niers, Schleck, Floeth und Schup floss zur Zeit der letzten Eiszeit der Urrhein, der diese Ablagerungen mitbrachte. Die Höfe wurden auf Donken, leichten Erhöhungen, und damit auf Sandbänken errichtet. Ziegelbauten gab es noch nicht, denn erst die Burg Uda, errichtet zu Anfang des 14. Jahrhunderts, gehört zu den ersten Backsteinbauten am Niederrhein. Vorher wurde mit Holz, Stroh und Lehm gebaut - noch gut zu sehen im Niederrheinischen Freilichtmuseum in Grefrath.
Und wie waren die Menschen in dieser Zeit bekleidet? Sie trugen Fell- und Lederkleidung, Schuhwerk aus Holz und zum Teil aus Leder. Denn hier gab es viel Wild, wie Hirsche, Hasen, Füchse und Fasane. Oder auch Haustiere wurden gehalten, wie Schweine, Rinder, Schafe, Ziegen, Hühner und vor allem die bekannten Oedter Gänse. Menschen und Tiere lebten unter einem Dach. Das Fleisch der Tiere sorgte auch für abwechslungsreiche Malzeiten, die über der offenen Feuerstelle oder zum Teil auch auf dem gemauerten Herd mit festem Abzug, wie in der Burg Uda, zubereitet wurden. Seen und Bäche lieferten Krebse und Fische. Es gab viel Brot, Fleisch und Gemüse. Auch Kinder mussten beim Kochen helfen.
Erlen, Eichen, Birken, Kiefern, Ulmen und Linden lieferten nicht nur Brenn- und Bauholz, sondern Haselnuss und Obstbäume sorgten für eine Vielzahl von Beeren und Kernobst. Rund die Hälfe unserer Wälder bestand aus Erlen. Dieses Holz eignet sich besonders zur Herstellung von Holzkohle oder hier in der sumpfigen Gegend sehr gut für den Pfahlbau, da es wasserunempfindlich ist.
Normalerweise ernährte man sich mit dem dunklen Roggenbrot, das leicht säuerlich schmeckte. Die Adeligen bevorzugten Weißbrot, das aus Weizen und Gerste zubereitet wurde. Wichtigstes Getränk waren Quell- oder Brunnenwasser, Obstsäfte, Milch, Wein und Bier, sogar für die Kleinen, denn Wasser war oft verunreinigt und konnte krank machen.
Zahlreiche Kleinfunde zeugen vom Leben auf der mittelalterlichen Burg Uda. Weit über einhundert Krüge, Schalen, Schüsseln, Töpfe und kleinere Gefäße aus Keramik und Holz und in verschiedenen Ausführungen und Größen wurden gefunden. Nur in sehr reichen Häusern wurden Gefäße aus Metall und Glas benutzt. Auch ein hölzerner und ein lederner Schuh wurde ausgegraben, der über den Stoffschuh getragen wurde. Unter den Funden nehmen eine Reihe grün-glasierte Ofenkacheln, zum Teil mit Ornamenten aus dem Tier- und Pflanzenleben, eine besondere Stellung ein. Von den kriegerischen Auseinandersetzungen zeugen noch heute die geborgenen Kanonenkugeln aus Stein und Eisen.
Die wasserumwehrte Burg Uda wurde im Sumpfgebiet der Niersniederung gebaut. Stabilität erreichte man hier nur durch eine Vielzahl von Pfählen aus Erlenholz, verstärkt durch Eichenbalken. Und trotzdem musste der Südwestturm zweimal gebaut werden, weil der erste, so die Archäologen, kurz nach seiner Errichtung umstürzte. Auch der wiedererrichtete eckige Turm steht heute nicht mehr, doch der gegenüberliegende Rundturm im Südosten war immer das Wahrzeichen der Gemeinde Oedt und er ist es bis heute geblieben.
Wer in den Sommermonaten die Burg besichtigt, hört immer wieder die typische Kinderfrage: „Wer isst, muss sich doch auch irgendwann mal hinhocken. Aber wo? Für die Hof- und Dorfbewohner war der Garten und der Wald dafür groß genug. Aber in der Burg gibt es extra dafür in einem der oberen Stockwerge einen Abort, der zur Niersseite weit herausragt. Wer´s nicht glaubt, möge sich selbst bei einem der nächsten Besuche überzeugen, spätestens sicher auf dem Jubiläumsfest im September 2025.
Zusammenfassung:
Gründung: Die 855 Jahre gehen auf eine Urkunde von 1170 zurück, wo auf die damalige St. Vituskirche zu Oedt (hude) Bezug genommen wird.
Vermutung: Gefundene Römersteine an der Vituskirche lassen vermuten, dass es schon zur Römerzeit eine kleine Ansiedlung „loca huda“ gegeben haben könnte.
Burg Uda und Burgdorf: Ihre Gründung erfolgte im 14. Jahrhundert, zuerst die Burg, dann das Dorf.
Jubiläum: Gefeiert wird das Jubiläum vom 5. bis zum 7. September 2025
Text und Fotos: Alfred Knorr