850 + 5 Jahre Oedt - Spuren der Geschichte 3 Diese Orte und Menschen haben Oedt geprägt

Grefrath-Oedt · Oedt ist in seinem Ursprung nicht als Kirchenort entstanden, wobei sich ein Ort um die Kirche als Mittelpunkt entwickelt. Zuerst gab es den Salhof (Herrenhof), der in der Abhängigkeit von der (Mönchen-) Gladbacher Benediktinerabtei war.

850 + 5 Jahre Oedt: Spuren der Geschichte
19 Bilder

Spuren der Geschichte

19 Bilder
Foto: Alfred Knorr

Dieser Sal- oder Fronhof hat an der Stelle des späteren Pastorats gestanden. Im Oedter Land gründeten sich die vom Salhof abhängigen Unterhofe, die sich auf der leichten Erhöhung zwischen den Wasserläufen Schup, Floeth, Schleck und Niers ansiedelten, vom Hof Klapdohr (Neersen) im Süden bis zur Neersdommer Mühle im Norden. Dazu existierte neben dem Haupthof eine dem St. Vitus geweihte Kapelle (oder Kirche), die 1170 erstmals in einer Urkunde des Abtes Robert der Abtei Gladbach erwähnt wird. Auf dieses Datum bezieht sich das Ortsjubiläum 855 Jahre Oedt im Jahre 2025.

Der heutige Ort Oedt hat sich nicht um diese Kirche entwickelt, sondern um eine Burg, die ab 1313 urkundlich nachgewiesen ist und noch als Restburg besteht: Die Burg Uda als Wahrzeichen von Oedt. Von dort aus entwickelte sich das Burgdorf Oedt. Die Burg war umschlossen durch die Befestigung des Ortes, aber die Kirche lag außerhalb der Befestigungsmauern.

Die Burg Uda wird zu Beginn des 14. Jahrhunderts aus geographischen und strategischen Gründen gegen die Herzogtümer Jülich und Geldern errichtet worden sein. Bau- und Burgherr war Dietrich Luf III. von Kleve. Er errichtete die Burg südwestlich der Kirche, unmittelbar an der damals noch dort vorbeifließenden Niers. Östlich davon lag die Vorburg, deren Terrain heute bebaut ist. Daran anschließend erfolgte der Bau der Burgsiedlung mit ihren Befestigungsmauern. Diese Siedlung wurde 1348 als „villa Oede“ erstmals erwähnt. Durch die Mauern führten drei Tore: Das Zolltor im Westen (an der Zollbrücke der Niers), das Niedertor im Norden und das Obertor im Süden der geschlossenen Ansiedlung. Nach Osten war das Dorf durch Wall und Graben gesichert. Die Lage der Burg im Sumpfgebiet der Niers gegenüber dem Herzogtum Jülich war für den Bauherr Dietrich Luf III. wohl ausschlaggebend zur Errichtung der Burgsiedlung an dieser Stelle.

Wenige Jahre vor 1300 datiert die Archäologin Gudrun Loewe (1914-1994) die Motte Horbes Bergske in der Grasheide in Mülhausen. Diese Erdhügelburg lag ebenfalls direkt an der Niers, die hier die Grenze zum Herzogtum Geldern bildete. Diese sehr einfache Rückzugs- und Verteidigungsmöglichkeit ist wahrscheinlich zu Gunsten der Burg Uda aufgegeben worden. Der ehemals zwölf Meter hohe Erdhügel sowie die Vorburg sind wohl nie zu Ende gebaut worden und somit auch nie bebaut worden, da in dieser Zeit der Ziegelbau eine bessere Technik zur Errichtung einer Burg ermöglichte und die Lage der Oedter Burg im Dreiländereck Kurköln, Jülich und Geldern strategische Vorteile versprach.

Nach dem Tode Dietrich Luf III. im Jahre 1332 ging der Oedter Besitz zunächst auf seine Tochter und anschließend auf seine Enkelin über. Diese verkaufte Burg Uda und Herrschaft Oedt im Jahre 1348 an den Markgrafen Wilhelm von Jülich, der sie kurze Zeit später wieder an seinen Bruder, den Erzbischof Walram von Köln, veräußerte. Dieser war wegen der geographisch-strategischen Lage der Burg stark an dem Ankauf interessiert, rundete die Burg und Herrschaft Oedt doch seinen Besitz im Kempener Land mit der Kontrollfunktion über wichtige Straßenverbindungen im Maas-Niederrheingebiet vorteilhaft ab.

1416 konnte im Gegensatz zum Burgdorf Oedt die Burg Uda die Angriffe von Bergischen Truppen noch standhalten. Aber 1477 wurde die Burg von den Truppen des Kölner Stiftsverwesers Hermann von Hessen gestürmt. Dieser lag mit dem Kölner Erzbischof Rupprecht von der Pfalz im Streit. Die kriegerische Auseinandersetzung, die als kölnische Stiftsfehde in die Geschichte eingegangen ist, wurde mit einer Vereinbarung in Oedt beendet. Der Friedensvertrag zwischen Rupprecht und Hermann wurde durch ihre Vertreter „uff dem Durmel“, dem erzbischöflichen Dormelshof am Oedter Niersweg, abgeschlossen.

Im Jahre 1643, noch im 30-jährigen Krieg, wurde die Oedter Burg durch hessische Truppen unter Oberst Rabenhaupt belagert und beschossen. Schon nach einem Tag übergab die kaiserliche Besatzung die Burg an die Hessen. Rabenhorst ließ die Burg von allem wertvollen Material räumen, Brücken und Tore abbrennen und die Gebäude teilweise sprengen. Damit verlor sie ihren Wehrcharakter für immer, konnte aber anschließend noch als Amtshaus dienen. 1757 ließen französische Offiziere das Mauerwerk der Burg abtragen und verwendeten das Material zur Befestigung der Straße nach Süchteln-Hagenbroich. Nur einen Turm und wenige Mauerreste ließen sie stehen, die bis heute noch erhalten sind.

In der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts dehnte sich Oedt erstmals über den befestigten Ortskern hinaus aus. Durch die Errichtung der sogenannten Vorstadt wurde eine bauliche Verbindung zwischen der Burgsiedlung und der außerhalb von ihr liegenden Kirche geschaffen. Bis zur französischen Besatzung im Jahre 1794 bestand Oedt aus dem Niederfeld im Norden, dem Auffeld, das sich südlich der befestigten Siedlung anschloss sowie den Honschaften Hagen und Unterbroich im Süden mit einer geringen Ansammlung von landwirtschaftlichen Höfen. Wie das übrige linksrheinische Gebiet wurde auch Oedt verwaltungsmäßig der Französischen Republik einverleibt. Dabei wurde 1798 die Honschaft Unterbroich Neersen zugeordnet. 1815 kam dann Oedt wie das übrige Rheinland zu Preußen.

Schon im 17. Jahrhundert ist in Oedt die Heimwebertätigkeit bezeugt. Neben der Tuchherstellung setzte im 18. Jahrhundert die Bandweberei ein. Später kam das Weben von Samt- und Seidenstoffen dazu. In fast jedem Haus hörte man den Webstuhl klappern. Aber schon im 19. Jahrhundert wurden in Oedt Textilien industriell gefertigt. Die Firma Mertes stellte Leinen- und Baumwollwaren her und bleichte und färbte sie. Noch entscheidender für den wirtschaftlichen Aufschwung war die Gründung der mechanischen Weberei Johs. Girmes Oedt im Jahre 1879. Aus den Bauern, Handwerkern und Heimarbeitern wurden nach und nach überwiegend Industriearbeiter. In Oedt wurden schon 1899 die ersten elektrischen Beleuchtungsanlagen betrieben, die den Ort und die Privathäuser mit elektrischem Strom versorgten, geliefert durch die „Dampf-Dynamomaschinen“ der Firma Girmes. Die Großstadt Berlin verfügte nur 17 Jahre vorher über eine Straßenbeleuchtung durch elektrischen Strom. Auch das Oedter Krankenhaus wie die St. Vitus-Kirche waren jetzt an der Elektrizität angeschlossen und kurze Zeit später auch der Ort an das neue Telefonnetz.

Girmes und Mooren sind wohl die bedeutendsten Familien in Oedt gewesen, die den Ort prägten und veränderten. Albert Mooren führte in Oedt die ersten Augenoperationen durch und gründete in Düsseldorf eine spezielle Augenklinik. Sein Vater Clemens Mooren und sein Bruder Theodor Mooren waren Bürgermeister in Oedt, Theodor auch Bürgermeister in Kempen und Oberbürgermeister von Eupen. Ihr Onkel Hubert Mooren war nicht nur Pfarrer in Wachtendonk, sondern auch einer der bedeutenden Heimatforscher des Niederrheins.

Unter Theodor Mooren wurde Oedt in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts modernisiert und erweitert. Die aus der Zeit der Wehrhaftigkeit noch erhaltenen Tore wurden abgerissen. An Stelle der Wallgräben, die den gesamten Ort umschlossen, traten Straßen und Alleen. Nördlich und südlich wurde die Bebauung fortgesetzt, auch östlich der Albert-Mooren-Allee wurde das Gebiet erschlossen. Hier entstand das St. Vitus-Hospital und das erste Postgebäude. Hinzu kam der Anschluss an die Eisenbahnlinien für den Bahnverkehr mit Verbindungen nach Krefeld und Venlo.

Überreste der Burg Uda standen 200 Jahre nach ihrer Zerstörung immer noch da, als Oedter Wahrzeichen, aber als Ruine. Sie war den Witterungseinflüssen ungeschützt ausgesetzt, bis 1957 umfangreiche Restaurierungsarbeiten am Burgturm endlich durchgeführt wurden, um das historische Denkmal zu erhalten. Zwei Jahre später konnten Vermessungen und archäologische Ausgrabungen unter Leitung des Archäologen Kurt Schietzel (geb. 1933) beginnen, die nach 1962 folgende neue Erkenntnisse erbrachte: Bei der Burg Uda handelt es sich um eine frühe quadratische Backsteinanlage von 30 Metern Seitenlänge. In den Ecken standen sich je zwei runde und zwei eckige Türme diagonal gegenüber, die durch mächtige geradlinige Mauern miteinander verbunden waren. In das breite Mauerwerk der Umfassung waren von vornherein vier Brunnen eingelassen. Eine Besonderheit war das in das Moor hineingetriebene Fundament unter den Innenmauern aus langen Pfählen, die durch Holzkästen zusammengehalten wurden. Ein solches Rahmen-Pfahl-Fundament hatten die Archäologen am Niederrhein zuvor noch nicht gefunden. Die Außenmauern wurden durch mächtige abgestufte Ziegelstein-Fundamentfüße getragen, die direkt auf gewachsenem Torf errichtet worden sind. Die Toranlage der Burg befand sich in der dem Dorf zugewandten Seite.

Zahlreiche Kleinfunde zeugen vom Leben auf der Burg. Weit über einhundert Krüge, Schalen, Schüsseln, Töpfe und kleinere Gefäße aus Keramik und Holz und in verschiedenen Ausführungen und Größen wurden gefunden. Ihr Vorkommen datiert man auf das 11. und 14. Jahrhundert. Auch ein hölzerner und ein lederner Schuh wurde gefunden, die über den Stoffschuhen getragen wurden. Unter den Funden nehmen eine Reihe grün-glasierte Ofenkacheln, zum Teil mit Ornamenten aus dem Tier- und Pflanzenleben, eine besondere Stellung ein. Von den kriegerischen Auseinandersetzungen zeugen noch heute die geborgenen Kanonenkugeln aus Stein und Eisen.

Im Anschluss an die archäologischen Untersuchungen wurden die wichtigsten Teile der vorgefundenen Baureste mit Spezialsteinen bis über die Erdoberfläche aufgemauert, so dass heute der Grundriss der eigentlichen Burganlage leicht erkennbar ist. Erhalten geblieben ist auch eine skizzenhafte Darstellung der Burg mit ihren Außenanlagen, die 1623 für geplante Reparaturarbeiten angefertigt worden war. Danach führte der Weg vom Dorf zur Burg über die zur Burg gehörende zweiräderige Wassermühle, auch Schloss- oder Burgmühle genannt, über zwei Toranlagen, eine davon mit Fallgitter, und zwei Zugbrücken zur Ostseite der Burg. Auf der Vorburg gab es Wirtschaftsgebäude, Stallungen und Scheunen. Zwei Rittersäle befanden sich im Nordteil der Burg. Der noch erhaltene Rundturm war der höchste der vier Türme und diente ausschließlich Wohnzwecken. Heute ist der Turm aufwendig restauriert und museal eingerichtet. Heiratswillige dürfen sich an ihrem großen Tag als Burgherr und Burgfräulein hier standesamtlich trauen lassen. (Text und Fotos: Alfred Knorr)