Der MSV kann ohne Druck in den Pokalkracher gegen den ungeliebten Nachbarn gehen Schalke ist zum Siegen verdammt

DUISBURG · Eindeutig, die Vorzeichen könnten aus Duisburger Sicht besser sein. Auf der anderen Seite steht am Samstag, 15.30 Uhr, das Spiel der Spiele für viele Zebras auf dem Plan. Ein Spiel, für das die MSV-Fans zehn Stunden in der Schlange gestanden haben.

Da ist es passiert. Benny Höwedes steigt höher als David Yelldell und köpft im 2011er Pokalfinale zum 3:0 für die Schalker ein. Am Ende gab’s einen Kantersieg für S04. So leicht wollen es die Zebras den Schalkern am Samstag aber nicht machen.

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Und da sollten alle Vorzeichen mal schleunigst über Bord geworfen werden.

Gino Lettieri weiß sehr wohl, was seine dringlichste Aufgabe in diesen Tagen ist. "Ich muss zusehen, dass ich die Köpfe der Spieler wieder hoch bekomme", hat der MSV-Coach nach der 0:3-Pleite beim VfL Bochum verkündet. Und in der Tat: die Stimmung im Zebra-Lager könnte wahrlich besser sein. Zwei Spiele sind in der 2. Liga, in die sich die Mannschaft mit einer grandiosen Drittligasaison gekämpft hat, gelaufen. Und zwei Mal gab's ordentlich einen auf die Mütze. Beim 1:3 zur Premiere wollten die Zebras zu viel und wurden nach individuellen Fehlern gnadenlos abgestraft.

In Bochum wollten die Duisburger nur einen Punkt. Und zwar einen aus einem 0:0. Nach vorne war nichts von der Lettieri-Elf zu sehen. Nach hinten ging das Kampf-Konzept bis zu 56. Minute auf. Dann trafen die Bochumer per Abpraller glücklich — und das Schicksal nahm seinen Lauf. 3:0 hieß es nach 90 Minuten. Die Mauertaktik war nicht aufgegangen. Weil der MSV Pech hatte, aber auch wieder individuelle Fehler in Situationen einstreute, die von guten Zweitligisten bitter bestraft werden.

Einer, der bisher noch gar nicht gut in die neue Saison gekommen ist. Zlatko Janjic ist bisher den Anspruch, Führungsspieler zu sein und mit Leistung voran zu gehen, schuldig geblieben

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Nur: Der FC Schalke dürfte da nicht viel mitleidiger sein als die Kollegen aus Bochum und Kaiserslautern. Mal ganz davon ab, dass die Schalker offensichtlich wieder richtig Spaß am Fußballspielen haben, was beim 1:1 gegen Twente Enschede sehr deutlich zutage trat. Das Ergebnis war ein Witz, Twente konnte froh sein, dass sie nicht mit 0:6 die Heimreise antreten mussten. Gerade Neuzugang Johannes Geis machte einen ganz starken Eindruck. Die Breitenreiter-Elf ist heiß, sich das verlorene Vertrauen der königsblauen Fans zurück zu holen. Und da passt eine Erstrundenniederlage im Pokal, so wie im Vorjahr in Dresden, natürlich gar nicht gut ins Konzept.

Von daher: die Fallhöhe ist für die Gäste aus Gelsenkirchen natürlich wesentlich höher. Und der MSV hat seine Fans im ausverkauften Rund im Rücken. Und zu was die in der Lage sind, haben die Schalker aus dem Pokalfinale 2011 vermutlich noch in bester Erinnerung. Da gab es Szenenapplaus aus der Schalke-Kurve für den Zebra-Anhang, der sein Team auch nach dem 0:5 unverdrossen nach vorne gepeitscht hatte. Und das wird er auch am Samstag wieder tun. Da ändern auch zwei herbe Auftaktpleiten in der neuen Liga rein gar nichts dran.

So, wie hier beim Münster-Heimspiel, wollen die MSV-Fans ihre Mannschaft am Samstag jubeln sehen.

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Aus MSV-Sicht ist es zum Verzweifeln. Da steht das für viele Fans und Spieler wichtigste Spiel der Saison auf dem Programm — und dann bricht dir ein wichtiger Teil der Mannschaft wegen Verletzungen weg.
Die Parallelen zur Situation vor dem Berliner Pokalfinale sind nicht zu übersehen. Auch damals standen den Zebras mit Stefan Maierhofer, Julian Koch, Srdjan Baljak und Bruno Soares ganz wichtige Akteure nicht zur Verfügung. Ob ein kompletter MSV das Finale gegen 2011 bärenstarke und abgeklärte Schalker tatsächlich gewonnen hätte, steht in den Sternen. Eine 0:5-Klatsche hätte es mit kompletten Kader aber vermutlich nicht gegeben. Drei Tage vor dem Erstunden-Pokalspiel gegen die Schalker ist die Situation ähnlich wie vor vier Jahren. Kevin Scheidhauer, Andreas Wiegel, Enis Hajri, Pierre de Wit und Dan-Patrick Poggenberg sind wegen ihrer Verletzungen definitiv am Samstag nicht dabei. Tim Albutat musste wegen eines Infekts bereits gegen Bochum passen. Ob er bis Samstag wieder einsatzbereit ist, bleibt abzuwarten.

Zu allem Überfluss hat es nun auch noch Martin Dausch erwischt. Der kampferprobte und lauffreudige Mittelfeldmann hat sich beim Revierderby das Knie verdreht. Glücklicherweise blieben die befürchteten Horror-Befunde nach der MRT-Untersuchung aus. Ob Duisburgs bester Mann in der Drittliga-Rückrunde gegen Schalke mit dabei ist steht in den Sternen. Beim MSV will man sich aber keineswegs im Mitleid suhlen. Gegen Schalke gilt die "Jetzt erst recht"-Parole. Der Ärger über den verpatzten Liga-Start sitzt tief. Und gegen den favorisierten Bundesliga-Nachbar wollen sich die Zebras nicht so leicht abservieren lassen.

Auf Schalke wird man allerdings einen Teufel tun und die Duisburger unterschätzen. Dass das in die Hose gehen kann, haben die Königsblauen in der vergangenen Pokalsaison erlebt. Da ließen sie sich in Runde eins von galligen und über sich hinaus wachsenden Dresdnern den Schneid abkaufen und schieden verdientermaßen aus. Die Situation wird eine ähnliche sein. Denn, wie auch Dynamo im Vorjahr, können die Zebras auf die geballte Unterstützung ihrer Fans in der voll besetzten Schauinsland-Arena setzen. Das Pokalaus im Vorjahr war der Startschuss zu einer Seuchensaison wie sie die Schalker lange nicht erlebt haben. Die Königsblauen spielten nicht als Team, rannten nicht genug und boten ihrem Anhang biedere Kost und Verwaltungs-Fußball. Am Ende wendeten sich sogar die eigenen Fans von ihrer Mannschaft ab. Aus dem misslungene Trainer-Experiment mit Roberto di Matteo haben die stark unter Beschuss stehenden S04-Verantwortlichen um Sport-Vorstand Horst Held aber offensichtlich die richtigen Schlüsse gezogen. Mit André Breitenreiter ist ein junger, hungriger, unverbrauchter und positiver Trainer nach Schalke gekommen. Ob er dem Druck beim immer skandalumwitterten Bundesligaclub standhalten kann, wird man sehen. Er hat aber auf jeden Fall für Aufbruchsstimmung gesorgt. Die Mannschaft scheint auf Wiedergutmachung zu brennen.

Und sie haben mit Johannes Geis und Franco di Santo zwei Top-Leute dazu bekommen, die dem Mannschaftsgefüge offensichtlich gut tun. Denn schon nach der Vorbereitung scheint klar, dass Geis als Lenker und Denker im defensiven Mittelfeld eines der Puzzlestücke ist, das den Schalkern gefehlt hat. Dazu kommt, dass di Santo als Doppelspitze mit Huntelaar agieren kann, womit die Gelsenkirchener schwerer auszurechnen sind. Dazu kommt ein Julian Draxler, der sich langsam aber sicher wieder seiner Top-Form annähert. Schalke ist aktuell gut in Schuss und brennt auf das erste Pflichtspiel. Das tut der MSV aber auch. Und so wird es spannend zu sehen sein, wie beide Teams das Duell angehen, wer mehr wagen wird, wer sich zuerst vom Druck befreien kann.
So oder so: Es wird ein großes Fest für alle Liebhaber des Ruhrgebiets-Fußball. Und hoffentlich kommt ein wenig mehr Spannung auf als beim letzten Aufeinandertreffen der beiden Teams im Pokal. Dagegen spricht eigentlich nichts. Der MSV kann vollkommen befreit aufspielen.

(Niederrhein Verlag GmbH)