Joseph Beuys kam in einem alten VW-Kombi nach Bielefeld. Dort sollte ihn der junge Student Stefan Maser bis zum Vortrag am Abend durch die Hochschule führen. „Er war einer der freundlichsten Menschen, die ich kennengelernt habe“, erinnert sich Maser. Der Vortrag endete im Eklat, der Rektor verließ die Tür knallend den Hörsaal, erzählt er, noch 45 Jahre später über den Vorfall schmunzelnd. Den Humor des Hoerstgener Pfarrers, der hilft, Belastendem die Schwere zu nehmen und leichter damit umgehen zu können, nimmt auch die Gemeinde wahr. „Du predigst uns, du tröstest uns und du hattest immer noch ein paar schöne Einfälle“, sagte ihm ein Gemeindeglied.
Geboren und aufgewachsen in Rheydt kam er über die Jugendarbeit der Kirche zur Auseinandersetzung mit dem Glauben. Sie führte ihn zum Studium nach Bethel, wo er den sozialen Ansatz der Theologie kennenlernte, und nach Marburg, das für die kritische Auseinandersetzung stand. Sein Abschluss in Bonn machte ihn zum Rheinischen Pastor. Mit 200 US-Dollar in der Tasche gingen seine Frau und er anschließend für ein halbes Jahr nach Peru. Sie fragten, wo sie helfen könnten, und beteiligten sich an der Gründung eines Projekts, das Kindern aus den Armenvierteln in Lima mit Lebensmitteln versorgte. Zudem bildeten sie in Deutschland einen Freundeskreis. Daraus wurde eine Unterstützung, die bis zum Jahr 2016 währte mit Spenden aus Deutschland z. B. aus Kollekten in Gottesdiensten.
Nach dem Vikariat und einem Hilfsdienstjahr in Waldniel am Niederrhein und drei Jahren als Pfarrer im Hunsrück übernahm er eine Angestelltentätigkeit an der Universität in Marburg. Die begonnene Doktorarbeit über das frühe Christentum im römischen Staat blieb trotz bester Förderung unvollendet. „Ich war wohl einfach zu unentschlossen. Ich konnte mich nicht entscheiden zwischen einem Leben als Projektemacher, Wissenschaftler und Pastor.“ Mit der Geburt des dritten Kindes kam dann die Zeit, wieder eine Pfarrstelle zu übernehmen. „So gesehen bin ich ein Fall der Fehlförderung. Aber ein Leben ist trotzdem daraus geworden.“
In Hoerstgen teilte er sich ab 1997 den Pfarrdienst mit dem Kollegen Jürgen Kunellis und arbeitete zudem als Krankenhausseelsorger im Kamp-Lintforter St. Bernhard-Hospital. „Es war eine sehr gute ökumenische Zusammenarbeit.“ Als Jürgen Kunellis in den Ruhestand wechselte, wurde Maser für die gesamte Gemeinde mit ihren drei Orten Hoerstgen, Sevelen und Rheurdt zuständig. Einige Zeit gab es noch mehrere Sonntagsgottesdienste nacheinander. Dann sprachen sich die Gemeindeglieder dafür aus, dass sie keinen Pfarrer haben wollten, der mit wehendem Talar zum nächsten Gottesdienstort hetzt. Deswegen gibt es jetzt einen Gottesdienst am Sonntag in einem der drei Orte mit ausgedehntem Kirchencafé, bei dem Zeit und Ruhe für Gespräche ist
„Ich habe gern hier in Hoerstgen, Rheurdt und Sevelen gearbeitet“, resümiert der 65-Jährige. „Ich bin beeindruckt von der Bereitschaft der Gemeindeglieder, sich einzubringen und Verantwortung zu übernehmen.“ So werden z. B. die Seniorenarbeit mit jährlicher Freizeit und die öffentliche Bücherei ehrenamtlich geführt. Und eine Menge Highlights sind entstanden, etwa die Jugendfreizeiten, die Bibelgespräche und der Mittagstisch, „das social Meal, das einmal die Woche die Gäste, die sonst alleine zuhause essen, verwöhnte mit Goldrandteller-Service und deftiger Hausmannskost. „An diesen Tagen konnte man festliche Handtaschen und schöne Sommerjacken sehen“, erinnert sich Maser an das gern genutzte Angebot, das mit Corona endete. „Bleibt zusammen und sucht Klarheit, was Eure Aufgaben sind, so wie Ihr es immer getan hat“, gibt der künftige Ruheständler der Gemeinde lobend mit auf den Weg.
Er wird seinen nächsten Lebensabschnitt mit seiner Frau, zwei erwachsenen Töchtern, die schon länger umgezogen sind, und einem noch schulpflichtigen Kind in der Nähe von Marburg verbringen. Kümmern wird er sich auch um ein neues Projekt in Peru, das er mitgegründet hat: eine Schule für Kinder aus einem nichtregistrierten Armenviertel der Hauptstadt. Für den Kirchenkreis Moers wird er bis auf Weiteres die Schnittstelle zum Gustav-Adolf-Werk darstellen, das Kirchen in anderen Ländern bei sozialen Projekten unterstützt, etwa für Binnenflüchtlinge in Syrien oder in der Ukraine. Oder wie kürzlich bei der Beschaffung eines Ersatztraktors mit Pflug in der Ukraine, damit die Feldarbeit weitergehen konnte. Und für kirchliche Vertretungen steht Maser ebenfalls zur Verfügung. „Solange ich die Kraft habe und eine Bibel halten kann, bin ich bereit, mitzuarbeiten – sofern die nachfolgende Generation das möchte.“
Am 5. Oktober wird Stefan Maser von seinen pfarramtlichen Aufgaben entpflichtet. Den Gottesdienst um 10 Uhr in der Hoerstgener Kirche in der Dorfstraße leitet Wolfram Syben, Superintendent des Kirchenkreises Moers. Die Pfarrstelle in Hoerstgen ist schon neu ausgeschrieben.