Interview mit Daniela Perner, Geschäftsführerin der IHK Ausbildungs-GmbH „Die Ausbildung ist nur die Basis“

Mönchengladbach · Wie geht es weiter nach der Schule? Daniela Perner, Geschäftsführerin der IHK Mönchengladbach, über die Chancen einer Ausbildung, den Stellenwert von Praktika und warum die Chefs heute Selfies mit ihren Azubis machen.

Daniela Perner, 1976 geboren in Mönchengladbach, hat Recht sowie Personal- und Organisationsmanagement studiert. Sie ist Geschäftsführerin der IHK Mönchengladbach, der IHK Ausbildungs-GmbH und des Bereichs Berufliche Bildung und Handel. Daniela Perner ist außerdem Beiratsmitglied der Jobcenter Rhein-Kreis Neuss, Kreis Viersen, Mönchengladbach und Krefeld, Mitglied im Fachbeirat Arbeitsmarktpolitik sowie im Fachausschuss Innovation und Bildung der ZRR und Vorsitzende des Ausbildungskonsens Mittlerer Niederrhein.

Foto: IHK Mittlerer Niederrhein

Frau Perner, im Agenturbezirk Mönchengladbach ist die Zahl der unter 25-jährigen Arbeitslosen wieder gestiegen. Handelt es sich dabei um junge Menschen mit einer Ausbildung?

Nein, das sind mehrheitlich jene, die schon ohne Abschluss die Schule verlassen haben und oft gar nicht den Weg in den Arbeitsmarkt finden. Obwohl man ja theoretisch auch ohne Abschluss eine Ausbildung machen kann. Das wissen viele aber gar nicht.

Es gibt keine Mindestanforderungen?

Die Voraussetzungen legen die Unternehmen selbst fest. Manchmal stecken ja auch persönliche Schicksale dahinter, wenn jemand keinen Abschluss hat. Es gibt zweijährige Berufe, die sind etwas weniger anspruchsvoll als die drei- und dreieinhalbjährigen, zum Beispiel Verkäufer oder Fachlagerist. Wenn man das gut hinkriegt, kann man noch das dritte Jahr dranhängen und wird dann Kaufmann im Einzelhandel beziehungsweise Fachkraft für Lagerlogistik. Peu à peu, wie man es schafft.

Die meisten Betriebe suchen wohl eher Realschüler oder Abiturienten.

Oft heißt es: Je höher qualifiziert, desto besser. Aber je höher qualifiziert, desto höher wollen ja auch die Schüler hinaus. Manchmal ist es vielleicht besser, jemandem eine Chance zu geben, der nicht nach drei Jahren wieder weg ist, weil er die nächste Stufe nehmen will. So etwas läuft oft über ein Praktikum.

Jungen Menschen bieten sich nach dem Schulabschluss zahlreiche Möglichkeiten. Sind sie gut darauf vorbereitet?

Manche sind überfordert angesichts der Menge an Optionen. In NRW unterstützen die Schulen mit dem Programm „KAoA“ (Kein Abschluss ohne Anschluss) die Berufsorientierung. Dazu gehören auch Praktika, die sehr hilfreich sind, um herauszufinden, was einem gefällt und was nicht. Eigentlich müsste es viel mehr Praktikumsphasen geben. Im Deutschunterricht werden auch schon mal Bewerbungen geschrieben und die Schulen investieren viel, um die Jugendlichen mit den Betrieben zusammenzubringen. Aber irgendwann kommt der Punkt, an dem die Schüler sich entscheiden müssen, wohin die Reise gehen soll.

Was bringen Veranstaltungen wie die CHECK IN Berufswelt oder Azubi-Speed-Datings?

Da geht es vor allem um Kontakte. Bei der CHECK IN kann man sehr niederschwellig mit den einzelnen Betrieben ins Gespräch kommen, Fragen stellen, ein bisschen abklopfen, was die Unternehmen zu bieten haben. Das hat sich über die Jahre sehr geändert. Heutzutage müssen sich die Betriebe eigentlich den jungen Leuten vorstellen.

Welche Rolle spielen die Eltern bei der Berufsfindung? Viele möchten ja unbedingt, dass ihr Kind das Abitur macht und studiert.

Die Eltern sind immer noch die wichtigsten Ratgeber. Wir veranstalten regelmäßig digitale Elternabende, mit der Arbeitsagentur oder Kreishandwerkerschaft, um zu vermitteln, dass die Ausbildung nur die Basis ist und man darauf super aufbauen kann. Die Studienabbrecherquote liegt bei 30 Prozent. Wer mit 16 eine Ausbildung anfängt, kann mit 19 immer noch etwas draufsetzen – das Abitur oder aber den Fachwirt oder Meister. Berufliche Bildung ist nicht weniger wert als akademische.

Ausbildung hatte lange Zeit ein schlechtes Image.

Sie wird attraktiver und wieder eher in Betracht gezogen als vor ein paar Jahren. Als guter Handwerker oder Fachkraft ist man mindestens genauso wichtig wie ein Akademiker. Und wenn bedenkt, wie viele Unternehmensnachfolger gesucht werden, bieten sich beste Chancen.

Hat man das in jungen Jahren schon auf dem Schirm?

Viele wollen sehr schon früh wissen, wie es weitergeht. Deshalb raten wir den Unternehmen, mit den Azubis frühzeitig über Perspektiven im Betrieb zu sprechen. Es gibt viele, die fragen: Was tut mein Arbeitgeber denn für mich?

Sitzen die Azubis also heute am längeren Hebel?

An vielen Stellen ist das so. Früher waren Ausbildungsplätze Mangelware, heute sind es die Bewerber. Auch renommierte Unternehmen mussten sich umstellen. Heute machen die Chefs Selfies mit den Azubis und feiern ihren Fachkräftenachwuchs. Kleine Betriebe, die etwas oldschooliger sind, haben es da oft etwas schwerer. Wobei – jemanden ernst nehmen und ihm auf Augenhöhe begegnen, das kann man überall.

Wie ließe sich der Berufsfindungsprozess noch verbessern?

Wichtig wären mehr Praktikumszeiträume. Und grundsätzlich sollten sich die Schulen nicht nur als zuständig für den Schulabschluss begreifen. Man muss die Schüler im Blick haben und sie begleiten. Das ist eine intensive Betreuung, aber die ist nötig, wenn man keinen verlieren will. Aus meiner Sicht ist das wichtiger als das Fachliche in Deutsch und Mathe – gerade für die, die von zuhause nicht so viel Unterstützung bekommen.

Ist das im Lehrplan vorgesehen?

Nicht so richtig, aber dafür müsste Zeit geschaffen werden. Was nach der Schule kommt, ist einfach zu wichtig, und irgendwer muss es machen. Die Klassenlehrer sollten einen Blick darauf haben, wie es weitergeht.

Was raten Sie einem Jugendlichen, der überhaupt nicht weiß, was er beruflich machen soll?

Ich würde ihm raten, sich mit seinen Stärken auseinanderzusetzen und herauszufinden, woran er wirklich Spaß hat. Es gibt Selbsttests von der Arbeitsagentur: Will ich was mit Menschen machen, will ich bloß nichts mit Menschen machen, kann ich mir Schichtdienst vorstellen oder bin ich eher der Typ Nine to Five? Und dann verschiedene Praktika machen, um weiter einzugrenzen: Mag ich lieber eine kleine Firma oder einen Konzern, wo fühle ich mich besser aufgehoben?
In den Sommerferien wird es die Praktikumswoche geben, da kann man in fünf Tagen täglich ein anderes Praktikum machen. Das ist cool zum Reinzuschnuppern und hilft enorm, um mit verschiedenen Menschen und Situationen klarzukommen.
Wichtig ist außerdem, in diesem ganzen Dickicht von Angeboten zu wissen, wer einem weiterhelfen kann. Die IHK ist eine Anlaufstelle oder die Arbeitsagentur, da wird man gut beraten, in welche Richtung es gehen könnte. Und wer sich dann entschieden hat, sollte stets im Hinterkopf behalten: Es geht immer weiter, von hier aus gibt es ganz viele Möglichkeiten. Man muss nicht die nächsten fünfzig Jahre dasselbe machen.