Das Traumzeitfestival im Rückblick Let there be Rost

Meiderich · Die Entdeckung der diesjährigen Traumzeit: Cowper. Keine Band, sondern die ehemaligen Winderhitzer am Hochofen 5, die für die neue Bühne des Festivals den eindrucksvollen Hintergrund ablieferten.

Let there be Rost
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Als Duisburger vergisst man ja doch, was für eine starke Location der Landschaftspark Nord abgibt. Augustines-Sänger Billy McCarthy glaubte sich im Set von "RoboCop"; Klaas Heufer-Umlauf, als Sänger mit Gloria am Start, meinte: "Wenn hier Rammstein spielen, dann brauchen die keine Deko einzupacken." Dinosaur Jr. bauten die Kulisse quasi nochmal aus Marshall-Boxen nach; viel lauter wird's auch zu Hochofenzeiten hier nicht gewesen sein ... Die Gebläsehalle wurde zur tiefen Schlucht, aus der heraus die Grandbrothers Erol Sarp und Lukas Vogel ihre verhuschten Moderationen herausflüsterten (Ruf aus der letzten Reihe: "Lauter!"). Vor allem aber ließen sie ihren Flügel wispern und zischen und hämmern und groß aufspielen. Auf dem Konzertflügel, mit seiner Stahlkonstruktion das musikalische Schlachtross des 19. Jahrhunderts, wirkten die Verkabelungen und elektromechanischen Tonabnehmer der Grandbrothers ein bisschen wie die Moosflechten, die sich nach und nach das Hüttenwerk Meiderich zurückerobern ...

Ansonsten zollte das Programm in der Gebläsehalle vor allem dem Umstand Tribut, dass Singer-Songwriter überall gefragt sind, wo man sich ganze Bands nicht mehr leisten kann. Groß, ironisch und pompös der Auftritt von Jochen Distelmeyer, der nur von sich an der Gitarre und einem Keyboarder begleitet englischsprachige Coversongs spielte — und am Ende dann auch Blumfeld-Sachen. Da waren allerdings viele Zuhörer schon in die Gießhalle rübergewechselt aus Angst, sie könnten den Anfang von Tocotronic verpassen.

Die Samstags-Headliner spielten auf ihre sperrige Art eine starke Show; rauher Punk und Slogans, die man mitsingen kann, ohne sich gemein zu machen: "Aber hier leben, nein danke." Das Publikum in der Gießhalle machte Party.

Die kommt bei der Traumzeit nicht immer so schnell zustande, da steckt vielleicht noch der alte, neugierige Zuhörer-Geist aus Jazz- und Weltmusikzeiten drin. Patrice immerhin hatte die Kondition, einen Cowperplatz in Kifferlaune zum Mitsingen und -tanzen zu bewegen. Zwischendurch wanderte sein verträumter Blick immer wieder in Richtung Hochofen. "Eine der besten Locations, die wir je bespielt haben", kam er ins Schwärmen. Und auch die Hamburger Hip-Hop-Urgesteine von Fünf Sterne Deluxe schafften es, etliche distanzierte Wände einzureißen. Von ihrer als Bühnen-Deko mitgebrachten Theke aus verfrachteten die Veteranen der dicken Bässe große Teile des Gießhallen-Publikums in den mitbouncenden, arschwackelnden Hände-hoch-Modus.

Eher inwendig, intensiv und langsam abhebend wurd's dann zum großartigen Finale mit Air. Mit analogen Instrumenten bauten die Franzosen ihren eleganten, brillanten Pop, reduziert aufs Maximum.

(Niederrhein Verlag GmbH)