Forschungsauftrag für Textilmuseum Rätsel um vergrabene Kleidung

Krefeld · Die Werkstatt des Textilmuseums in Linn untersucht derzeit einen sensationellen Fund aus Bremen: Fetzen von Alltagskleidung des späten 16. Jahrhunderts.

Filigrane Arbeit: Restauratorin Katja Wagner setzt Teile zu einem Ganzen zusammen. Links ein Pullover, rechts ein Handschuh, spätes 16. Jahrhundert.

Foto: Stadt Krefeld/Dirk Jochmann

Ein Sensationsfund lässt aufhorchen: in Bremen fanden Archäologen 2007 bei Grabungsarbeiten rund 7000 Fragmente von Alltagstextilien. Sie stammen aus den Jahren zwischen 1594 und 1626. In dieser Zeit war der Graben damals zugeschüttet worden.

Das Deutsche Textilmuseum in Krefeld-Linn ist nicht nur Aufbewahrungsort von Kleidung und Stoffen. Hier wird unter Leitung von Dr. Annette Schieck auch wissenschaftlich geforscht. Die Landesarchäologie Bremen hat deshalb die Krefelder Experten mit der Analyse eines Teils der Funde beauftragt.

Restauratorin Katja Wagner sitzt in der Werkstatt des Textilmuseums hinter einem digital angeschlossenen Mikroskop. Auf der Vergrößerung ihres Bildschirms kann sie die Einzelheiten des kleinen Fetzens, der unter dem Mikro liegt, genau erkennen.

„Dieses Teil war offenbar ein Pullover“, verweist sie auf ein kaum noch zusammenhängendes Textilkonglomerat. „Es hat ein Muster wie wir sie auch von Norwegerpullovern kennen.“

Das ist aufschlussreich. Denn die Kleidung der „einfachen“ Leute zur Zeit der Renaissance ist kaum bekannt. Gemälde und Museen zeigen in der Regel nur die Prachtkleidung der Oberschicht, des Adels. Nur reiche Menschen ließen sich malen. Was aber die bürgerliche Mittelschicht trug, ist kaum verbürgt. Aus diesem Grund ist dieser Fund und seine Analyse so bedeutsam.

Katja Wagner ist mit den Stücken, die vielfach nur noch Fetzen sind, gut vertraut. Sie hat Teile schon während ihres Studiums auf der Technischen Hochschule untersuchen können. Dass nun das Linner Textilmuseum den Forschungsauftrag erhielt, ist für die Restauratorin ein Glücksfall. Rund 300 Objekte konnte sie bereits erfassen.

„Viele der Textilien sind mehrfach gestopft worden“, berichtet Museumsleiterin Dr. Schieck. Das lässt darauf schließen, dass sie gepflegt und stets weiterverwertet wurden. Auffallend ist auch der hohe Anteil von Strickwaren.
Kurios mutet heutzutage ein besonderes Accessoire an, das man zwar von Bremer Abbildungen kennt, aber bisher noch nicht in die Hand nehmen konnte: ein sogenanntes „Tiphoiken“. Dies ist eine Art Horn aus gestärktem Stoff, das Damen als Bestandteil ihres Umhangs an der Stirn trugen. Wie das Einhorn aus den Märchen.

Warum die Kleidungsstücke damals in den Graben geschüttet worden sind, ist unbekannt. Ein Rätsel.

Dr. Schieck hofft, dass aus der Auswertung der Funde auch einmal eine Ausstellung im Textilmuseum gestaltet werden könnte.