Ibsens „Volksfeindin“ im Stadttheater Wie man lästige Kritiker mundtot macht

Krefeld · Das Schauspiel „Die Volksfeindin“ nach Henrik Ibsen thematisiert die Manipulationen in Politik und Medien. Das Theater Krefeld inszeniert eine aktualisierte Fassung.

Knallige Farben: In der offenen Küche im Hause herrscht fröhliche Stimmung. Noch geben sich zuversichtlich (v.l.) Nicolas Schwarzbürger und Christoph Hohmann als Zeitungsredakteure, Helena Gossmann als Wissenschaftlerin und David Kösters als ihr Ehemann.

Foto: Theater Krefeld/Matthias Stutte

Politik verstehen im Doppelpack. So mutet die Programmfolge der Schauspielssparte am Stadttheater an. Erst „Maria Stuart“ von Friedrich Schiller, das uns das Innenleben des politischen Machtkampfs offenbart. Nur eine Woche später dann die Premiere der „Volksfeindin“ von Henrik Ibsen. Darin erleben wir, wie Fakten ins Gegenteil verkehrt und die Stimmung um 180 Grad gedreht wird. Es bedarf nur eines entschlossenen politischen Willens der Machthaber.

In beiden Stücken führt Schauspieldirektor Christoph Roos Regie. Und seine Handschrift ist erkennbar: knallige Farben in Kulissen und Kostümen, etwas fürs Auge, sowie gradlinige und leicht verständliche Handlungsführung.

Das wird besonders deutlich in der „Volksfeindin“. Roos hat sich für eine moderne Textfassung des Stücks von 1882 entschieden. Die Dialoge sind in aktueller und frischer Sprache gehalten, die sogar gelegentliche Kraftausdrücke nicht scheut.

Nicht weniger frisch ist die Inszenierung selbst. Da mischen sich auf einmal die Schauspieler unters Publikum und beziehen die Zuschauer in ihr Spiel mit ein. Sogar abstimmen über die Zentralfrage des Stücks dürfen die Besucher: Hat die Mehrheit in einer Demokratie auch immer recht? Das zielt offenkundig auch auf politische Tendenzen unserer Zeit.

Schon im Titel des Stücks wird der Bezug auf aktuelles Lebensgefühl erkennbar: Aus dem ursprünglichen „Volksfeind“ bei Ibsen wird in Krefeld eine „Volksfeindin“. Insofern bekommt das sachliche Problem, das eine Wissenschaftlerin gegen Bürgermeister und Volksstimmung Stellung bezieht, auch eine geschlechterspezifische Note: Frau gegen Männerwelt. Aber differenziert: Den Kochlöffel in der häuslichen Küche schwingt der Ehemann. David Kösters verkörpert ihn nicht etwa als Karrikatur, sondern als selbstbewussten Partner.

Helena Gossmann füllt die Hauptrolle der Wissenschaftlerin, die Stück für Stück mundtot gemacht und diskreditiert wird, mit jugendlichem Feuer aus. Es ist allerdings denn auch der idealistische Überschwang der Wissenschaftlerin, der sie letztlich scheitern lässt. Ibsen hat der Rolle eine innere Gegenläufigkeit implantiert.

Böser Bube im Stück ist der Bürgermeister, stiernackig gespielt von Paul Steinbach. Er führt anschaulich vor, wie ein martialisches Auftreten die Menschen korrumpieren kann. Politik ist eben zum großen Teil Psychologie.

Wie schon in „Maria Stuart“ sorgt auch diesmal der bekannte Musiker Markus Maria Jansen für akustische Akzente.Wer begreifen möchte, wie Politik tatsächlich „funktioniert“, sehe sich am besten beide Stücke an. Sie sind jede auf ihre Weise sehr aufschlussreich.

Das Publikum der „Volksfeindin“ jedenfalls spendete in der Vorstellung letzten Samstag teils stehend Applaus, der kaum enden wollte.

Weitere Vorstellungen: 9., 24. Oktober; 10. (16 Uhr) November; 15., 17., 20. Dezember; 24. Januar. Beginn jeweils 19.30 Uhr.

Karten an der Theaterkasse, Tel.: 02151/805 125, oder www.theater-kr-mg.de