Wolfgang Bosbach überzeugte die Gäste beim 29. Landhaustreff mit rheinischem Witz, preußischer Tugend und deutlicher Sprache „Subjekt – Prädikat – Objekt“

huckingen · Wie immer stand auch beim 29. Landhaustreff im Hotel Milser ein erlesenes Menü auf der Karte. Und weil Essen bekannterweise nur eine Begleiterscheinung der Kommunikation ist, war ein ebenso gefragter wie um keine Antwort verlegener Gast zum Talk eingeladen.

Er sprach offen über seine unheilbare Krankheit, doch anzumerken war sie ihm nicht: Wolfgang Bosbach mit Landhaustreff-Moderator Manfred „Manni“ Breuckmann. Und selbstverständlich ging es nicht nur um lebenswichtige Fragen, sondern auch um Fußball. Dass der von Bosbach favorisierte 1. FC Köln sich allerdings demnächst aus dem DFB-Pokal verabschieden wird, hat Breuckmann höflich verschwiegen ...

Foto: Probst

Moderator Manni Breuckmann ist, wer will es ihm verdenken, nicht frei von Eitelkeit. Das äußerte sich am Montagabend zum Beispiel darin, dass er sich auf den Gesprächsgast vorbereitet hatte, indem er nachschaute, was dieser mit ihm gemeinsam hat. Geburtsdatum 11.6., Messdiener gewesen, gerne zum sonnen auf Mallarca — das war's dann aber auch schon. Im Unterschied zum Kirchgänger Wolfgang Bosbach ist Breuckmann längst ausgetreten, und das Parteibuch scheinen die Herren auch nicht zu teilen. Trotzdem ging es gesittet zu; es war eine Unterhaltung, die alles zu bieten hatte: witzige Anekdoten, echten Tiefgang und gepfefferte Kontroverse.

Der Reihe nach. Nach der Vorspeise — Cannelloni Alba Chiara — geht's los. Ob Wolfgang Bosbach, zwei Jahre jünger als Breuckmann, denn noch das Stufengebet könne (das Messdiener vorm Konzil draufhaben mussten). "Nein. leider nicht mehr." Prompt legt dafür Breuckmann los. "Sie haben sich's wahrscheinlich extra für heute draufgeschafft", frotzelt Bosbach. Und dann wird's ernst. "Sie sind schwer krank." Tatsächlich wurde bei Wolfgang Bosbach vor mehreren Jahren schon ein Herzfehler festgestellt, mit dem er mittlerweile leben könne. Dann folgte die schlimme Diagnose: Prostatakrebs. "Ist der Glaube da eine Hilfe?" "Ja, der Glaube ist eine Hilfe, aber man hadert auch. Und als dann noch festgestellt wurde, dass der Krebs bereits gestreut hatte und unheilbar ist, da habe ich schon gedacht: 'Jetzt reicht es aber'", erzählt Bosbach ohne Wehleidigkeit, was Breuckmann den Wechsel in leichteres Gebiet leichter macht. "Es wird ja immer erzählt, Sie würden ein Toupet tragen." "Stimmt aber nicht, kann ich auch nichts dafür." Aber dafür kann Bosbach eine lustige Geschichte erzählen, von einem Wirtschaftsfachmann aus Meerbusch, der ihm geschrieben habe, dass er zwar mit seinen, Bosbachs, Ansichten sympathisiere, aber nicht verstehen könne, wie ein Mann wie Bosbach Toupet tragen könne. Als Bosbach den Briefschreiber anruft, hat er dessen Frau dran, die ihn erst weiterreichen will, als er sein komplettes Anliegen geschildert hat, um darauf loszuwettern: "Wat hätt minge Mann jesaacht? — Naja, warum ich denn Toupet trüge ... — Is' dä bekloppt? — Also, ich trag ja gar kein Toupet ... — Dat jäht den doch jaar nichts an! — Also, dürfte ich jetzt Ihren Mann sprechen? — Da brauchen Sie sich nicht drom kümmern ..."

Mit Wolfgang Bosbach ist ja nicht irgendwer beim Landhaustreff, sondern einer der — jedenfalls im Fernsehen — gefragtesten deutschen Politiker. "Haben Sie da irgendwie ein Abo?" Er sei ja im ersten Halbjahr nur der zweithäufigste Talkshowgast gewesen (hinter dem stellvertretenden SPD-Bundesvorsitzenden Ralf Stegner), wiegelt Bosbach ab, der aber auch weiß — und beim Landhaustreff erneut beweist — warum er gerne eingeladen wird: "Subjekt — Prädikat — Objekt. Ich rede nicht gerne drumherum." Dass er auch Applaus gerne höre, gibt er zu, obwohl ihm ein Leben auf der öffentlichen Bühne gar nicht in die Wiege gelegt gewesen sei. Er hat sich seinen Aufstieg selbst und hart erarbeitet, vom Supermarktleiter über zwei Staatsexamen in die erste Reihe der Bundespolitik.

Dass nicht immer alle mit ihm einverstanden sind, bleibt auch nicht unerwähnt, Pofallas berühmtes "Ich kann Deine Fresse nicht mehr sehen" sei aber ein einmaliger Ausrutscher gewesen und längst vergessen.

Für Bosbach sind nicht nur bioethische Entscheidungen Fragen des Gewissens, sondern eben auch Entscheidungen über EU-Rettungsfonds. "Ich weiß doch, was ich meinen Wählern versprochen habe. Kein Land darf für Schulden anderer Länder haften." Sonst würden Länder Risiken eingehen, die sie ohne Haftung der anderen niemals eingehen würden.

"Ohne die Rettungsschirm-Diskussion würde es die AfD nicht geben", wirft Breuckmann ein, Bosbach gibt ihm recht, wendet aber ein: "Ich weiß, welche Themen die AfD anspricht. Aber wofür sie steht, weiß ich nicht." Richtig kontrovers wird das Gespräch, als Breuckmann den Innenpolitik-Experten auf den IS-Terror und Islamismus in Deutschland anspricht. "Ein paar Leute, die in Wuppertal Scharia-Polizei spielen, gefährden doch nicht unsere Grundordnung", findet Breuckmann. "Gehen Sie mal nach Saudi-Arabien und versuchen das da als Christ", keult Bosbach dagegen. Und dann ist es auch schon Zeit für den Hauptgang — Seeteufel "mare e monti" an Favebohnen-Pürree und Kartoffelgratin — und Bosbach wird mit viel, viel Applaus verabschiedet. Vorm Dessert — Halbgefrorenes "al Caffè" — liefert Kabarettist Robert Griess noch Beispiele dafür, warum es manchmal besser wäre, Politikern nicht zuzuhören (Zitat Ministerin Aigner: "Pferd in Rind ist eine Riesensauerei"), zieht die Edeltrainingsjacke in Brokatoptik über und gibt den Hartz-IV-Proll aus Chorweiler, wie ihn sich das Publikum wohl vorstellt, und erntet entsprechend Lacher. Wolfgang Bosbach ist da längst wieder unterwegs — vermutlich zum nächsten Talk. Der nächste im Landhaus wird wohl in der Karnevalszeit stattfinden.

(Niederrhein Verlag GmbH)