Oberbürgermeister Sören Link im Interview Seit 50 Jahren „nach Duisburg“

Duisburg · 50 Jahre gehören Baerl, Homberg, Rheinhausen und Rumeln-Kaldenhausen jetzt schon offiziell zu Duisburg. Während das für Jüngere völlig selbstverständlich ist, fahren viele Ältere immer noch „nach Duisburg“, wenn sie die Stadtmitte meinen. Thomas Warnecke hat mit Duisburgs Oberbürgermeister Sören Link gesprochen, der privat mittlerweile auch linksrheinisch zuhause ist.

„Ich freue mich, dass der dritte Weiße Riese im Laufe dieses Jahres fällt.“ Oberbürgermeister Sören Link an einem der Weißen Riesen bei einer Meldekontrolle Ende letzten Jahres.

Foto: Ilja Höpping / Stadt Duisburg/Ilja Höpping

Sie sind ja ein Jahr nach der Kommunalreform in Duisburg-Hamborn geboren, aber in Duisburg-Walsum aufgewachsen. Walsum hat sich ja mindestens so erbittert gegen die Eingemeindung gewehrt wie Homberg und Rheinhausen. Hat das für Sie, für Ihre Eltern eine Rolle gespielt?

Ja. Durchweg, als ich aufgewachsen bin, im Kindergarten und in der Schule. Wir sind immer „nach Duisburg“ gefahren und „in die Stadt“ zum Kometenplatz oder nach Dinslaken. Meine Eltern waren damals gegen die Eingemeindung. Am Ende ist anders entschieden worden. Da gab es dann aber keine Trotzreaktionen im Nachgang.

Gab es auch Stolz, zu einer so großen, bedeutenden Stadt zu gehören?

Wir waren Walsumer, wir waren Bergwerksstandort und immer auch Teil des Niederrheins, gleichzeitig orientierten wir uns natürlich zum MSV und auch zu Hamborn 07. Das war ein wirklich interessantes Nebeneinander, und das macht auch das Ruhrgebiet aus.

Ist Duisburg Ruhrgebiet oder Niederrhein?

Natürlich beides. Es fällt natürlich schwer, in Baerl, Serm oder Rumeln zu stehen und zu sagen: Wir sind Ruhrgebiet. Duisburg ist eine Scharnierstadt. Wir haben großes Glück, beides zu sein am Zusammenfluss von Rhein und Ruhr. Wir sind eben auch das Tor zum Niederrhein.

Mittlerweile leben Sie privat im Bezirk Rheinhausen im Stadtteil Bergheim. Bereuen Sie das manchmal, wenn Sie auf dem Weg ins Rathaus im Stau stehen?

Als Walsumer war der Stau auf der A59 morgens und abends jahrzehntelanger Begleiter. Klar geht’s auch von Rheinhausen aus oft zähflüssig los, aber das empfinde ich nicht als schlimm.

Die Eingemeindung empfanden viele Homberger und Rheinhauser als Verlust, weil (gefühlt) reihenweise Einrichtungen vom Schwimmbad bis zur Altentagesstätte dicht gemacht wurden. Wie empfindet der Bürger und Familienvater Sören Link die Situation in Rheinhausen?

Wir fühlen uns wirklich sehr wohl! Es gibt viele Möglichkeiten, die Freizeit zu verbringen, Parks, Spielplätze, den Toeppersee … Für mich ist besonders erfreulich, dass ich aus eigener Erfahrung sagen kann: Man kann an vielen Stellen Duisburgs sehr gut wohnen. Ich verstehe die Älteren, die sagen: Wir hatten in den 70ern und 80ern noch Dieses und Jenes. Klar, manche Kommune hat vor der Eingemeindung noch schnell Schwimmbäder gebaut, am besten für jeden fußläufig. Aber dass diese Schwimmbäder nicht mehr da sind, hat wenig mit der Eingemeindung zu tun. Sondern Staat und Stadt standen damals voll im Saft. Seitdem hat sich das massiv geändert. Wir haben seit Langem rückläufige Staatsfinanzen und eine rückläufige Wertschätzung für öffentliche Einrichtungen. Dagegen können wir nur ankommen, indem wir Duisburg wieder finanziell gut aufstellen, und da sind wir auf einem guten Weg

Fahren Sie privat häufiger in die Duisburger Innenstadt oder vielleicht doch eher nach Moers - oder würden gerne und denken dann: Mist, Cölvebrücke noch nicht fertig?

(Lacht.) Ich bin wirklich Überzeugungstäter und versuche, so viel von meinem Geld wie möglich in Duisburg zu lassen. Klar fahre ich zwischendurch gerne auch mal nach Moers, etwa wenn’s um Sachen geht, die es in Duisburg gerade leider nicht gibt. Ich habe mir selbst nicht auferlegt, keinen Cent anderswo auszugeben. Mit der Nahversorgung in Bergheim bin ich auch zufrieden. Wobei: Ich hänge nicht an Bezirksgrenzen, fahre auch eben nach Homberg zum Supermarkt und ja, die Cölvebrücke fehlt mir natürlich auch. Aber die kommt wieder. Es ist eine große Stärke des Ruhrgebiets, dass hier alles ineinander übergeht.

Als sich alle Moerser wieder „ihr“ MO zulegten, wurde auch in Rheinhausen laut über ein eigenes Kennzeichen nachgedacht. In Homberg wird gerne mal mit dem Gedanken an einen Austritt aus Duisburg gespielt. Die letzte Bürgerumfrage hat (wieder) gezeigt, dass die Identifikation mit Duisburg in Rheinhausen und Homberg am geringsten ist. Schmerzt Sie das und wenn ja, was tun Sie dagegen?

Die Kennzeichendebatte war hier in Duisburg schnell vorüber, weil es alte Rheinhauser oder Homberger Kennzeichen nicht gab. Die Rede vom Austritt ist eine rückwärtsgewandte Einzelmeinung, das spielt im Alltag keine Rolle, die Messe ist gelesen. Unser Anspruch lautet, die Lebensqualität vor Ort zu verbessern. Wir können kleinräumigere Identitäten ausbilden, viele Probleme lösen wir aber nur in funktionierenden größeren Einheiten. In diesen Zeiten mit viel Zuzug erlebe ich, dass die Duisburger Klammer in den Bezirken sehr positiv gesehen wird.

Statt gut bezahlter und vermeintlich lebenslanger Arbeitsplätze im seinerzeit modernsten Stahlwerk Europas hat Rheinhausen jetzt unsichere Jobs mit vergleichsweise niedrigen Gehältern im Logport …

Dass die sicheren Arbeitsplätze bei Krupp nur vermeintlich sichere waren, hat Rheinhausen schmerzhaft erfahren müssen. Auch deshalb macht mir die Entwicklung bei Thyssenkrupp Steel große Sorgen. Als es mit Krupp vorbei war, gab es nicht so viele Ideen in Konkurrenz zur Logistik. 50.000 Arbeitsplätze hängen mittlerweile am Duisburger Hafen, zwei bis drei Milliarden Euro Wertschöpfung. Und was die Arbeitsplätze angeht, da gibt es unterschiedliche Qualifikationen, Logistik verändert sich. Für mich ist wichtig, das eine nicht zu verklären und das andere nicht zu verteufeln. Auch zu Krupp-Zeiten gab es in Rheinhausen eine enorme Belastung durch Lkw und starke Luftverschmutzung, was um der vermeintlich sicheren Arbeitsplätze willen in Kauf genommen wurde. Heile Welt war es damals nicht. Aber der aktuellen Lkw-Belastung stellen wir uns. Das tun wir beispielsweise mit der DIG (Duisburger Infrastrukturgesellschaft, d. Red.), die auch sehr moderne Feuerwachen wie die in Rheinhausen baut. Wir bauen Umgehungsstraßen, hoffentlich bald auch in Hochfeld, um Rheinhausen zu entlasten.

Zur Zeit der Eingemeindung war der Wohnpark Hochheide gerade fertig, jetzt werden die Weißen Riesen nach und nach gesprengt ...

Es gab damals vielerorts in Deutschland einen Trend zu großen Wohneinheiten. Das war zu der Zeit sehr modern gedacht, zumal viele Altbestände noch weit von jetzigen Standards entfernt waren. Aus heutiger Sicht ist bedauerlich, dass auch intakte Häuser abgerissen wurden. Sieht man die Rheinpreußensiedlung oder auch Neumühl, dann ist klar: Das, was erhalten wurde, ist ein Modell der Zukunft. Leute in eigenen vier Wänden, in intakten Nachbarschaften. Ich freue mich, dass der dritte Weiße Riese im Laufe dieses Jahres fällt. Auch wenn wir damit Wohnraum vom Markt nehmen. Deshalb müssen wir neues Wohnen für jeden Geldbeutel anbieten. Wir brauchen Projekte wie die Plange-Mühle, aber auch Wohnprojekte der GEBAG wie In den Peschen.

Bitte vervollständigen Sie diesen Satz: Rheinhausen und Homberg sind besser dran als vor der Eingemeindung, weil …

… wir es geschafft haben, lokale Identitäten zu erhalten und gleichzeitig eine leistungsfähige Stadtgemeinschaft zu sein.

Die Antwort gilt dann vermutlich auch für das Sahnehäubchen Baerl?

Für Baerl gilt das ganz besonders, weil wir es geschafft haben, den dörflichen Charakter zu bewahren und gleichzeitig den ganzen Service einer Großstadt zu bieten.

Haben Sie für den Fall Ihrer Wiederwahl konkrete Pläne bzw. Ziele für Rheinhausen und Homberg?

Wir wollen Kita-Plätze da schaffen, wo sie derzeit fehlen, den offenen Ganztag stemmen, der in Duisburg demnächst gebührenfrei ist … Da ist eine ganze Menge zu tun, aber auch schon viel erreicht. Ich will, dass die Menschen sich in Homberg und Rheinhausen, in Meiderich und Marxloh, eben überall in Duisburg wohlfühlen. Dafür arbeite ich mit vollem Einsatz.

Werden Sie es denn noch als Oberbürgermeister erleben, dass eine Straßenbahn über die Brücke der Solidarität fährt?

Ich werde jedenfalls alles dafür tun. Ob als OB, hängt vom Willen der Duisburgerinnen und Duisburger ab und irgendwann vielleicht auch von meiner Gesundheit. Es ist kaum hinnehmbar, dass der ÖPNV nur so spärlich über den Rhein reicht, nicht nur nach Rheinhausen, auch nach Homberg. Aber das können wir als Stadt nicht allein schaffen. Wir brauchen intakte Finanzen und Unterstützung von Land und Bund. Ob es dann unbedingt eine Straßenbahn sein muss, wird sich zeigen.

Genau, wie wär’s denn mit einer Seilbahn über den Rhein?

Erstmal freue ich mich, wenn wir unsere derzeitigen Seilbahnpläne umsetzen können. Der Gedanke, die Seilbahn später vielleicht über den Rhein zu führen, hat auf jeden Fall seinen Charme.

Sie werden also weiter zuversichtlich auf der linken Rheinseite wohnen?

Unsere Tochter wächst da gerne auf. Wir haben nicht die Absicht wegzuziehen. Wir fühlen uns wirklich zu Hause.