Seit 20 Jahren ist die Gemeinschaftsgrundschule Hebbelstraße am Neudorfer Markt ein Modellprojekt in Sachen Gemeinsames Lernen: An der dreizügigen Schule gibt es pro Jahrgang eine Klasse, wo seitdem Kinder mit und ohne besonderen Förderungsbedarf gemeinsam unterrichtet werden. Das hat funktioniert, weil den Klassenlehrer jeweils Sonderpädagogen zur Seite standen. So war jederzeit ein schnelles Eingreifen und gezielte Einzelförderung möglich, die nicht von der gemeinsamen Lehrzeit abging.
Die Hebbelschule war eine Schwerpunktschule, die Eltern von Kindern mit Förderbedarf empfohlen wurde. Selbst Eltern von Kindern ohne besonderen Förderbedarf haben sich oft bewusst dafür entschieden, ihre Kinder in die GL-Klasse (Gemeinsames Lernen) zu schicken. Und durchschnittlich wurden aus den GL-Klassen genauso viele Kinder am Gymnasium angemeldet wie aus den anderen Klassen. „Die Kinder helfen sich untereinander“, berichtet Christina Herold, deren Tochter die GL-Klasse 3 besucht. „Es gibt auch keinen Neid unter den Kindern, wenn ein Kind besondere Zuwendung erfährt.“
Das alles ist jetzt gefährdet. Im Zuge der Umsetzung des neuen Inklusionsgesetzes wurde der sonderpädagogische Bedarf neu berechnet. Mit dem Ergebnis, dass das Schulamt der GGS Hebbelstraße einen der vier Sonderpädagogen ganz, andere stundenweise abgezogen hat. „Das macht etwa 50 Prozent weniger Stunden mit sonderpädagogischer Betreuung“, so Christina Herold. Mit der Hälfte der Stunden soll die gleiche Betreuung stattfinden wie zuvor – man muss kein Mathegenie sein, um zu wissen: Das kann nicht funktionieren.
Die Eltern reagierten prompt. Ein gemeinsamer Brief mit vielen Unterschriften ging ans Schulministerium, individuelle Elternbriefe ans Schulamt der Stadt Duisburg. Bei openpetition.de wurde eine Online-Petition eingerichtet.
„An der Zusammensetzung der Klassen hat sich ja nichts geändert“, erklärt Christina Herold. Nach wie vor entscheiden sich Eltern bewusst für die Hebbelschule. Eine Mutter hat vor laufender Kamera erklärt, dass sie ihr Kind von der Mozartschule ab- und an der Hebbelschule angemeldet habe. „Das ist ja auch nicht schlimm, wenn nicht jede Schule eine solche Förderung leisten kann“, findet Christina Herold, „aber Inklusion nach dem Gießkannenprinzip? Das funktioniert nicht. Hier wird ein erfolgreiches Modell kaputtgemacht.“
Tatsächlich häufen sich laut Elternangaben die Anzeichen, dass es gleich doppelt problematisch wird: für die Kinder mit besonderem Förderbedarf, weil sie nicht mehr genug Zeit und Aufmerksamkeit bekommen und durch den geringer werdenden Kontakt zum Sonderpädagogen auch die Bezugsperson fehlt, die den Förderverlauf nachvollzieht; für die Kinder ohne sonderpädagogischen Förderbedarf, weil das ungestörte und effektive Erlernen des Lehrplans kaum noch möglich ist. „Manche Kinder machen schon merklich Rückschritte“, berichtet Christina Herold.
Dabei hieß es in einem Eckpunktepapier der NRW-Schulministeriums, dass „an den Status Quo der Schulen mit Angeboten im Gemeinsamen Lernen“ angeknüpft werden soll, sogar einzelne Schulen eine zusätzliche halbe Stelle zugewiesen bekommen sollen. Hieß es – doch nachdem sich an der Hebbelschule der Protest erhoben hat, ist dieses Eckpunkte-Papier aus dem Internet verschwunden. Christina Herold: „Das zeigt doch, dass die wissen, dass wir im Recht sind.“
Für die Eltern gibt es deshalb nur eingeschränkte Herbstferien; der Protest soll weitergehen.