Älteste Schülerin in der Klasse

Neukirchen-Vluyn · Mit Mitte 50 noch einmal eine Ausbildung beginnen? Für Brigitte Melzer war das vor vier Jahren eigentlich unvorstellbar. Doch eine Freundin machte ihr Mut: „Das schaffst Du!“

Brigitte Melzer mit ihrer Patientin Marlies Smid (86) aus Schaphuysen.

Foto: Erziehungsverein

Heute bereut die gelernte Bekleidungsschneiderin ihre damalige Entscheidung überhaupt nicht. Im Oktober vergangenen Jahres bestand sie ihr Examen als Altenpflegerin.

Brigitte Melzer arbeitet jetzt als Fachkraft in der ambulanten Pflege der Diakoniestation Neukirchen-Vluyn, einem Tochterunternehmen des Neukirchener Erziehungsvereins. Schon 1995 hatte Brigitte Melzer umsatteln müssen. Damals schloss der Betrieb, in dem sie als Schneiderin arbeitete. Die Mutter von zwei Kindern fing als Altenpflegehelferin in der Diakoniestation an, die Arbeit mit alten Menschen gefiel ihr immer mehr. Langsam reifte der Wunsch, sich in ihrem Beruf weiter zu qualifizieren. Als die Freundin sie auf ein Programm der Bundesanstalt für Arbeit aufmerksam machte, mit dem die Qualifizierung gefördert wird, war die Entscheidung gefallen.

Dreieinhalb Jahre besuchte Brigitte Melzer berufsbegleitend das Altenpflegeseminar der Kaiserswerther Diakonie in Düsseldorf, musste viel lernen, viel Theorie pauken, aber am Ende hatte sich der Einsatz gelohnt. Den praktischen Teil ihrer Ausbildung absolvierte sie im Seniorenzentrum Matthias-Jorissen-Haus in Neukirchen-Vluyn. Brigitte Melzer war die älteste Pflegeschülerin in ihrer Klasse, umso mehr freute sie sich über ihre anschließende Anstellung als examinierte Altenpflegerin in der Diakoniestation, deren 30 Mitarbeiterinnen rund 160 Patientinnen und Patienten in Neukirchen-Vluyn und Umgebung versorgen. „Es ist einfach schön, mit alten Menschen zu arbeiten. Da kommt so viel zurück“, sagt sie.

Brigitte Melzers Tag beginnt um sechs Uhr morgens. 13 Patientinnen und Patienten besucht sie bis zum Mittag auf ihrer Tour durch Hochkamer, Rheurdt und Schaphuysen. Die meisten von ihnen leben alleine, freuen sich über ihren täglichen Besuch. So wie die 85-jährige Marlies Smid aus Schaphuysen, die heute Morgen von ihr gepflegt wird. Manchmal wünscht sich Brigitte Melzer etwas mehr Zeit für die alten Menschen. „Sie haben ja so viel erlebt in ihrem langen Leben und entsprechend viel zu erzählen. Da höre ich immer gerne zu.“

Aber der Vormittag ist gut getaktet, oft die Zeit vergeht wie im Flug. Die körperliche Anstrengung, die mit dem Beruf verbunden ist, macht ihr nichts aus. Eine gewisse Routine, die sich schon nach einigen Monaten eingestellt hat, hilft ihr dabei. Brigitte Melzer fühlt sich fit. Jeden Tag mit Menschen umzugehen, sie zu pflegen und für sie da zu sein, das hält die 58-jährige auch geistig frisch. „Früher war ich eher zurückhaltend, jetzt kann ich viel besser auf andere Menschen zugehen.“

Würde sie den Beruf Altenpflegerin auch anderen Frauen im mittleren Alters empfehlen? Brigitte Melzer zögert keinen Moment. „Ja, sicher.“ Denn auch als Spätberufene habe sie ihre Erfüllung gefunden. „Ich kann mir nichts anderes mehr vorstellen.“

(Niederrhein Verlag GmbH)