Seestadt-Mieter lassen Dampf ab Enttäuschung, Frust, Schmutz – und kein See in Sicht

Mönchengladbach · Attraktiver Wohnraum, nachhaltige Energie- und Mobilitätskonzepte, ein unvergleichliches Lebensgefühl direkt am Wasser – mit diesen Versprechungen sind Catella und die Stadt Mönchengladbach Ende 2020 mit dem Bau der Seestadt an den Start gegangen. Fünf Jahre später: Mieter aus dem einzigen bereits realisierten Bauabschnitt, dem an die Lürriper Straße grenzenden Südviertel, sind enttäuscht. Schmutz, Lärm und Ratten statt Seeblick. Der Extra-Tipp hat sich vor Ort umgesehen und -gehört.

„Vorzeigeprojekt“ Seestadt? Für Mieter wie Gabriele Feilzer-Gerlach und Ursel Gerlach (l.) ist der Traum vom Schöner Wohnen geplatzt. Zu laut, zu dreckig – und mit dem versprochenen See geht‘s auch nicht voran. Viele Mieter seien deshalb schon wieder ausgezogen, sagen sie.

Foto: Petra Käding

Die Seestadt ist ein vielversprechendes Konzept, das ist wohl unbestritten. Auch der bereits umgesetzte erste Bauabschnitt überzeugt auf den ersten Blick: moderne Gebäude, 248 barrierefreie Wohnungen von 1,5 bis 4 Zimmer, nachhaltig, klimafreundlich und nebenkostenschonend konzipiert, Tiefgarage, zentraler Kinderspielplatz... Da hat man an vieles gedacht.

Läuft man mit Seestadt-Mietern dieser Tage durch die Anlage, fällt aber schnell auf: Catella, wir haben ein Problem!

Catella ist der Investor und verantwortlich für die Entwicklung der Seestadt. Für die Hausverwaltung hat Catella die kfh beauftragt; ein Hausmeisterservice übernimmt die Objektbetreuung, also Reinigung etc. Dass das bereits seit geraumer Zeit nicht funktioniert, davon berichten gleich mehrere Mieter.

„Das kann man sich gar nicht vorstellen, wie verdreckt es hier ist“, empört sich Gabriele Feilzer-Gerlach und führt bei einem kleinen Rundgang vorbei an überquillenden Mülleimern und Rattenfallen, durch einen lange nicht geputzten Flur in einen ebensolchen Aufzug und schließlich in die Kellerräume. Eine tote Maus, Mäuseköttel in jeder Ecke, Spinnweben an den Fenstern und ein Müllraum, den man vor lauter „Geruch“ kaum betreten kann. „Ein Reinigungsunternehmen sollte die Häuser wöchentlich reinigen, jetzt ist die fünfte Woche oder mehr, dass nicht gereinigt wurde“, sagt sie. Der Hausmeister sei nicht mal schuld, sind sich die Mieter einig. „Der bemüht sich“, sagt Margret E., „aber er ist bereits der fünfte oder sechste, das hält keiner aus.“ Alex P. nickt: „Das schafft einer alleine nicht, das müssten mindestens zwei sein!“

Doch das ist nicht der einzige Knackpunkt, wie auch Manuela A. bestätigt. „Man hat hier keine Ruhe, es ist zu laut, vor allem rund um den Spielplatz, und das oft bis spätabends“, erklärt die Nachbarin. Letzten Sommer habe sie mal 91 Dezibel gemessen. Auch von Quad-Rennen, die auf dem angrenzenden noch unbebauten Gelände ausgetragen werden, berichten die Mieter. Und hinter dem dort aufgetürmten Sandhügel träfen sich Junkies und Obdachlose, wie Fleur A. (wertfrei) erzählt.

Die Mieter zeigen sich enttäuscht und verärgert, Gabriele Feilzer-Gerlach befürchtet gar „Zustände wie in Duisburger oder Berliner Siedlungen“. Viele Mieter seien schon wieder weggezogen oder würden sich aktiv nach einer anderen Wohnung umsehen. „Eine barrierefreie Wohnung ist leider schwer zu finden“, sagt sie. Sowohl sie als Parkinson-Patientin als auch ihre gehbeeinträchtigte Mutter brauchen aber genau diese, also bleibt ihnen erst einmal nichts anderes übrig als abzuwarten und zu hoffen.

Zumindest, was die Sauberkeit angeht, ist offenbar Besserung in Sicht. Klaus Franken, Geschäftsführer der Catella Project Management in Deutschland, erklärt, dass ab dem 1. Oktober ein neuer Dienstleister den Hausmeisterdienst übernehme und das Thema Sauberkeit im Außen- und Kellerbereich verstärkt in den Fokus nehmen werde.

Was den Lärm angeht, wird es schwierig. „Der Bebauungsplan schreibt uns vor, Kinderspielmöglichkeiten in den Innenhöfen zu schaffen“, erklärt Franken. Auf das Verhalten der Kinder oder deren Erziehung habe man natürlich keinen Einfluss, aber nach den Sommerferien habe sich die Situation bereits beruhigt. Die nächtlichen Quad-Rennen? „Davon ist uns bislang nichts bekannt, aber wir werden der Polizei und dem Ordnungsamt einen entsprechenden Hinweis geben.“ Und die vielen Auszüge? „Mieterwechsel haben wir im normalen Umfang vergleichbarer Wohnanlagen“, erklärt Franken. „Und die Nachvermietung frei werdender Wohnungen erfolgt dank der hohen Nachfrage und den offensichtlich attraktiven Wohnungen unverzüglich.“

Wann die Seestadt-Mieter statt auf Sandhaufen und Pfützen auf ihren See schauen können, bleibt vorerst offen. Eine Timeline, was den weiteren Ausbau und die Anlage des Sees angeht, ist aktuell nicht zu erfahren. „Derzeit wird mit der Stadt Mönchengladbach das künftige ‚Seeviertel‘ abgestimmt“, so Franken. „Informationen erfolgen erst, wenn dies mit den Projektbeteiligten abgestimmt ist.“

Auch die Pressestelle der Stadt Mönchengladbach verweist auf Anfrage und Bitte um eine Stellungnahme zum aktuellen Zustand des „Vorzeigeprojekts“ Seestadt lediglich darauf, dass sie letztes Jahr den Bebauungsplan im ergänzenden Verfahren „geheilt“ habe und der Weg für den weiteren Ausbau aus städtischer Sicht grundsätzlich frei sei.

Besagte „Heilung“ des Bebauungsplans ist inzwischen ein Jahr her. Wann und wie es wohl weitergeht...?

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