Evangelischer Kirchenkreis prüft auf Hinweise für Missbrauchsfälle Mehr als 6000 Akten durchforstet

M‘gladbach/ Neuss · Ein Team aus sechs pensionierten Polizeibeamten hat seit Anfang September mehr als 6 000 Personalakten aus 22 Gemeinden gesichtet. Sie waren im Auftrag des Evangelischen Kirchenkreises auf der Suche nach Hinweisen auf sexualisierte Gewalt im Rahmen der kirchlichen Arbeit.

Der Rheydter Pfarrer und Superintendent Dietrich Denker und sein Stellvertreter, Synodalassessor Ralf Laubert, haben die Untersuchung von 6000 Personalakten aus 22 Gemeinden im Kirchenkreis Gladbach-Neuss in die Wege geleitet. Der pensionierte Kripobeamte Ralf Korten und Helfer konnten für die zweimonatige Arbeit gewonnen werden.

Foto: RBAV/Ulrike Mooz

Sie haben mit Sackkarren Kisten geschoben, Kartons, lose Blätter und DIN A4-Ordner aus Schränken und deckenhohen Regalen und auch ein bisschen Digitales zusammengetragen. Sechs pensionierte Polizeibeamte unter der Leitung des ehemaligen Mönchengladbacher Kripobeamten Ralf Korten haben von Anfang September bis heute 6 000 Personalakten aus den 22 Gemeinden des Evangelischen Kirchenkreises Gladbach-Neuss nach Auffälligkeiten durchgesehen, um nach Hinweisen auf sexualisierte Gewalt im Rahmen der kirchlichen Arbeit zu suchen. „Wir haben bewusst ein Team ausgesucht, das nichts mit der evangelischen Kirche zu tun hat“, sagt Synodalassessor Ralf Laubert. In den zwei Monaten hätten die Polizeibeamten hinter verschlossenen Türen gearbeitet, so dass keine Beeinflussung von außen möglich gewesen sei. Vorbild war dabei Wuppertal.

Durchgesehen wurden Personalakten seit 1948 von Mitarbeitern aus Kitas und Jugendzentren, Verwaltung und Seniorenarbeit, kurz allen Bereichen, in denen die Kirchengemeinden mit hauptamtlich Mitarbeitenden tätig waren. Die Akten der Pfarrerinnen und Pfarrer wurden bereits für die 2024 veröffentlichte ForuM-Studie Forschung zur Aufarbeitung von sexualisierter Gewalt und anderen Missbrauchsformen gesichtet.

„Ein Glücksfall wäre gewesen, wenn man Vorgänge um sexualisierte Gewalt klar benannt in den Akten gefunden hätte“, sagt Ralf Korten. Aber einen solchen Fall habe es nur einmal in den 1980er-Jahren gegeben. Der sei auch vor Gericht gekommen. Allerdings sei der Täter mit einer nur sechsmonatigen Gefängnisstrafe auf Bewährung davon gekommen. Ansonsten habe man „zwischen den Zeilen“ lesen müssen. „Eine Auffälligkeit kann zum Beispiel die plötzliche Kündigung eines Mitarbeiters ohne Angaben von Gründen sein“, erklärt er. Einen anderen Fall gab es zum Beispiel, in dem eine Praktikantin mit hervorragenden Voraussetzungen von einem auf den anderen Tag nicht mehr kam. In der Personalakte habe man einen Zettel der Mutter gefunden auf dem stand „unsere Tochter wird zu ihrem Praktikum nicht mehr erscheinen“.

Erschwerend war für das Team, dass es lange Zeit noch keine professionelle Aufbewahrung der Akten gab. „Manchmal mussten wir fünf Minuten lang suchen, wie der Mitarbeiter heißt und welche Funktion er hatte“, so Korten. Andere Akten wiederum seien vorbildlich geordnet gewesen.

Nach rund 600 Arbeitsstunden hat das Team 18 Verdachtsfälle aus den Akten gefiltert, die nun die Stabsstelle Prävention, Intervention und Aufarbeitung (PIA) der Evangelischen Kirche im Rheinland abholt. Die Akten werden von unabhängigen Staatsanwälten geprüft, die auch entscheiden, ob in den einzelnen Fällen weiter recherchiert werden muss.

„Öffentliche Debatten und fortlaufende Schulungen haben mit uns allen etwas gemacht“, sagt der Superintendent und Pfarrer in Rheydt Dietrich Denker. Früher habe man Fälle sexualisierter Gewalt einfach nur möglichst geräuschlos über die Bühne bringen wollen. Heute orientiere man sich zum Glück an den Betroffenen. „Wir können die Taten nicht ungeschehen machen, aber möchten, die Betroffenen so weit es geht, zu ihrem Recht kommen lassen“, sagt Ralf Laubert.

Untersucht werden konnten natürlich nur die Personalakten von festangestellten Mitarbeitern. Es sei nicht auszuschließen, dass es auch im ehrenamtlichen Bereich Vorkommnisse gegeben habe. „Es ist uns wichtig, dass es Ansprechpartner gibt, bei denen sich Betroffene melden können“, so Dietrich Denker.

In der Stabsstelle PIA gibt es eine Meldestelle für sexualisierte Gewalt unter der Mobilnummer 0160 95 64 48 99. Außerdem ist die Ansprechstelle für Menschen, die von Verletzungen gegen die sexuelle Selbstbestimmung betroffen sind, unter 0211/ 4562391 oder 01749189311 zu erreichen.

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