Bürger gründen Nachbarschaftsinitiative „Knöllchen-Stalker“ im Rohrviertel

Mönchengladbach · Seit zweieinhalb Jahren tyrannisiert ein Unbekannter die Anwohner des Rohrviertels mit Anzeigen wegen angeblichen Falschparkens. Bis zu 4 000 Euro haben manche seitdem schon hinblättern müssen. Die Anwohner sind sauer und ratlos, haben eine Nachbarschaftsinitiative gegründet und Unterschriften gesammelt. Der Extra-Tipp hat nachgefragt, was da los ist.

Sieben der Betroffenen mit Rechtsanwalt Dieter Breymann, CDU (vorne Mitte): (v.l.) Salim Ekezer, Katharina Bongart, Manuela Rademacher, Raim Raimov, Ranja Salveridou und Savvas Salveridis, sowie Petra Lenzen.

Foto: RBAV/Ulrike Mooz

Mal eben der gehbehinderten Schwiegermutter bis zur Tür helfen, kurz im Hausflur die Einkäufe abstellen, im Imbiss eine Currywurst abholen – eigentlich darf man das, solange man die drei Minuten im eingeschränkten Halteverbot nicht überschreitet. Nur für die Anwohner im Rohrviertel ist das zum Problem geworden, denn dort hagelt es Knöllchen. Nicht etwa von der Politesse, die hier schon immer ihre Runden dreht, sondern durch einen Unbekannten, dessen Passion es offenbar ist, möglichst viele Nachbarn zu maßregeln. Über die APP Weg.li schickt er Anzeigen ans Ordnungsamt – zu jeder Tages- und Nachtzeit.

„Wir wissen nicht mehr, was wir tun sollen. Niemand ist für Wildparken, aber wir müssen doch hier leben und arbeiten können“, sagt Anwohnerin Petra Lenzen. Ranja Salveridou, Inhaberin des Rohrplatz-Grills, fürchtet um ihre Existenz. „Meine Kunden haben die Nase voll davon, für eine Currywurst inklusive Knöllchen 25 Euro zu bezahlen“, sagt sie.

Der Unbekannte, den alle inzwischen den Knöllchen-Stalker nennen, zeigt mal an, wenn einer mit einem halben Reifen auf dem Bordstein steht, mal wenn eine Parkplatzmarkierung um fünf Zentimeter überragt wird, mal will er gesehen haben, dass das Ausladen von Einkäufen mehr als drei Minuten gedauert hat – „Vergehen“, die normalerweise im Ermessensspielraum der zuständigen Politesse liegen. Offenbar schickt er auch immer wieder alte Fotos und erfindet neue Zeiten. „Als wenn ich nachts um 4 Uhr mein Auto ins eingeschränkte Halteverbot fahren würde“, sagt Petra Lenzen, „aber wie soll ich das beweisen?“ Auch dass Oberbürgermeister Felix Heinrichs nach einem Gespräch mit dem zuständigen Bezirksvorsteher Volker Küppers ein Einsehen hatte und veranlasst hat, das Schild mit eingeschränktem Halteverbot so weit vom Rohrplatz-Imbiss weg zu versetzen, dass dessen Kunden vor der Tür parken können, stört den Unbekannten wenig. Er zeigt weiter Imbiss-Kunden an.

Zwei Tickets für einen Parkvorgang oder vier Tickets an einem Tag sind keine Seltenheit zwischen Lürriper Straße, Neusser Straße, Kranzstraße und Rohrplatz. „Manche haben in den letzten Jahren mehrere Tausend Euro bezahlt“, sagt Ibo Gönegledren. Er selber war mit einigen Hundert dabei.

Extra-Tipp hat bei der Stadt nachgefragt, was da los ist und wie der Wahrheitsgehalt solcher Privatanzeigen eigentlich überprüft und damit notorische Querulanten von Mitbürgern mit ernst zunehmenden Anliegen unterschieden werden.

Die Stadt, die verpflichtet ist, allen Anzeigen nachzugehen, schreibt in einer Stellungnahme, „ein ‚Durchwinken‘ ohne Prüfung findet nicht statt“. Die Bußgeldstelle prüfe die eingehenden Anzeigen sorgfältig auf Plausibilität. Dabei werde auch kontrolliert, ob Hinweise auf Missbrauch oder Betrug vorliegen, heißt es weiter. Dass die Bußgeldstelle Unklarheiten aber durch „Rückfragen an den Anzeigenerstattenden“ zu klären versucht, ist genau das, was die Betroffenen befürchtet hatten. Die Stadt teilt zudem mit, dass eine Auswertung nach einzelnen Anzeigenerstattenden aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht möglich sei, sie also mit anderen Worten nicht nachverfolgen könne, wenn immer dieselbe Person Anzeige erstatte.

Rechtsanwalt Dieter Breymann indes, CDU-Kandidat in dem Quartier, hat sich der Sache angenommen. Er weiß inzwischen, wer der Unbekannte ist und rät den Betroffenen, bei jedem ungerechtfertigten Knöllchen sofort Einspruch einzulegen. „Da kommen zwei Sachverhalte zusammen: Ein verrückter Querulant und ein Ordnungsamt, wo jemand seinen Job nur 0815 erledigt“, kritisiert er.

Im Viertel haben inzwischen 256 Anwohner eine Liste gegen den Bußgeld-Terror und für bessere Parkmöglichkeiten unterschrieben und eine Nachbarschaftsinitiative gegründet.

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