Pierre Bischoff ist gerade dabei, in Amerika deutsche Radsportgeschichte zu schreiben Seit 2802 Meilen im Sattel

Duisburg/USA · Der in Oberhausen geborene und für den ASV Duisburg startende Pierre Bischoff ist gerade dabei, Radsportgeschichte zu schreiben.

Ohne seine Kumpels, wie hier Rick Steffen, wäre Pierre Bischoff wohl schon längst ausgestiegen.

Foto: Bischoff

Beim wohl berühmtesten und härtesten Ultra-Cycling-Rennen der Welt, dem Race across America (RAAM), bei dem es gilt, den nordamerikanischen Kontinent ein Mal von West nach Ost komplett zu durchqueren, liegt der 31-Jährige mit rund 2800 von 3069 zu absolvierenden Meilen (4939 Kilometer)an der Spitze des 22 köpfigen Fahrerfeldes. Sein härtester Kontrahent, Dave Haase, sitzt ihm mit einem Abstand von etwa 120 Meilen aber noch im Nacken. Bringt der 31-Jährige seine Führung ins Ziel, wäre er der erste deutsche Fahrer, der dieses prestigeträchtige Rennen gewinnt.

Das "Race across America" (RAAM) spukt schon lange im Kopf von Pierre Bischoff herum. "Er hat immer gesagt, dass dieses Rennen sein Lebenstraum ist , und dass er eines Tages dabei sein will", berichtet Holger Bünsch, der Schwager von Pierre Bischoff. Dafür hat er viel in Bewegung gesetzt, auf vieles verzichtet. Bischoff ist vom Niederrhein ins österreichische Nauders gezogen, wo die Trainingsbedingungen natürlich ungleich besser sind. Und er hat einen guten Job sausen lassen, weil sein damaliger Arbeitgeber ihm keinen Sonderurlaub für ein Trainingslager auf Mallorca einräumen wollte. "Er bereitet sich im Prinzip seit fünf Jahren kontinuierlich auf dieses Rennen vor und hat richtig viel investiert", berichtet sein Schwager, der in Duisburg die Stellung hält, während Schwester, Mutter und Ex-Trainer von Pierre Bischoff in Übersee dabei sind und ihn im Wohnmobil begleiten. Dazu kommt noch eine Crew aus sechs Freunden, die ihren Schützling in jeweils 12 Stunden-Schichten im Pacecar begleiten — und probieren, bei Laune zu halten.

Das klappte in den ersten sieben Tagen recht gut, wie man sich auf den offiziellen RAAM Video-Updates schön ansehen kann. An Tag acht überkamen den Oberhausener aber die bleiernde Müdigkeit und die psychische Anstrengung. "Ich war an einem Punkt, an dem ich mich einfach hinlegen und schlafen wollte", berichtet der von den unvorstellbaren Strapazen sichtlich gezeichnete Bischoff in seinem Video-Tagebuch. Aber der Gedanke und der Glaube an den Sieg hat ihn wieder auf seinen Sattel getrieben. "Körperlich ist er der Anforderung auf jeden Fall gewachsen. Das Problem ist bei diesem Rennen der Kopf. Der entscheidet", so Holger Bünsch. Rund drei Kilo hat Pierre Bischoff, der mit 68 Kilogramm bei 180cm Körpergröße an den Start gegangen ist, bereits verloren. Das lässt sich wohl kaum verhindern. "Auch wenn er ständig mit ganz viel Olivenöl im Essen und in den Säften hoch kalorisch versorgt wird", berichtet sein Schwager. Bünsch, Inhaber der "Cycle Culture Company" am Sternbuschweg, kann sich momentan, gerade jetzt, wo es auf die Zielgerade geht, nicht wirklich entspannen. "Ich klicke alle fünf Minuten auf den Live-Tracker und schau mir die Daten an." Dass sein Schwager gerade dabei ist, das RAAM zu gewinnen, erfüllt ihn mit viel Stolz. Dazu kommt aber noch mehr. "Ich freue mich einfach, dass sein Material hält und ich keinen Mist gebaut habe." Denn Holger Bünsch war für das Renn-Material von Pierre Bischoff zuständig, hat in den Tagen vor dem Rennen eine ganze Reihe an Nachtschichten in seiner Werkstatt absolviert, damit sein Schwager seinen großen Traum auch materialtechnisch top vorbereitet angehen kann.

Alleine auf weiter Flur unter der brennenden Sonne des mittleren Westens

Foto: Bischoff

Als letztes Hindernis vor dem Ziel in Annapolis, Maryland, warten nun noch die Berge der Apalachen. Mit seinen rund 1500 Meter hohen Bergen sind sie für Bischoff, der Mountainbike-Transalp-Rennen mit tausenden von Höhenmetern gewohnt ist, "höhere Sandhügel", wie Holger Bünsch lachend erzählt. Aber auch Sandhügel, auf die teilweise Rampen mit 20 Prozent Steigung führen, können einem ausgezehrten Pierre Bischof am Ende noch mal hart zusetzen. Und auch wenn sich 120 Meilen Vorsprung auf Dave Haase viel anhören, weiß Holger Bünsch: "Da kann auch auf den letzten Metern noch so viel passieren. Ein Sturz, ein technischer Defekt oder ein entzündeter Hintern können alles auf den Kopf stellen." Also. Noch mal Daumen drücken für die letzten Stunden. Damit Holger Bünsch & Co. am Montagmittag einen Race across America-Sieger in Düsseldorf am Flughafen in Empfang nehmen können.