Haniel will den Duisburger Hafenstadtteil „enkelfähig“ machen Ruhrort erster umweltneutraler Stadtteil der Welt

Ruhrort · Haniel will gemeinsam mit der Stadt Duisburg und weiteren Unterstützern den Duisburger Hafenstadtteil bis 2029 umweltneutral machen, heißt: Menschliches Handeln soll dann die Umwelt nicht mehr negativ beeinflussen. Ruhrort soll „enkelfähig“ werden, wie es in der Sprache des Familienkonzerns heißt, und damit zur Blaupause über Duisburg hinaus.

Am Dienstag in Ruhrort: Dirk Gratzel, GeBAG-Chef Bernd Wortmeyer, Haniel-CEO Thomas Schmidt, Wirtschaftsdezernent Andree Haack, Thomas Patermann (WBD), Hafenchef Markus Bangen, Jutta Stolle (Haniel), OB Sören Link, Haniel-Finanzvorstand Florian Funck, Sparkassenvorstand Helge Kipping.

Foto: Bettina Engel-Albustin | Fotoagentur Ruhr/Bettina Engel-Albustin | Fotoage

Umweltneutral bedeutet zum einen: klimaneutral. Sprich: für jedes Gramm Kohlendioxit, das austritt, wird anderswo eins eingespart. Umweltneutralität geht aber noch weit darüber hinaus und umfasst, so ist es beabsichtigt, neben dem Klimaschutz Themen wie die Sicherung der Biodiversität und den Schutz der Böden und Gewässer. Am Dienstag kamen Akteure und Unterstützer der Initiative mit dem Namen „UrbanZero – Ruhrort wird enkelfähig“ am Stammsitz des über 260 Jahre alten Familienkonzerns in Ruhrort zusammen.

Die Initiative für dieses ambitionierte Generationenprojekt sei ein Musterbeispiel dafür, wie Unternehmen in ihrem direkten Umfeld Verantwortung übernehmen, erklärte Oberbürgermeister Sören Link, der deshalb im Rat für Unterstützung seitens der Stadt werben will. Ruhrort scheint als Modellstadtteil besonders geeignet - wegen seiner Geschichte, wegen seiner Insellage, wegen der besonders engen Verzahnung von Wohnen und Arbeiten, Industrie und Dienstleistung - und eben weil die Franz Haniel & Cie., einer der größten Familienkonzerne Deutschlands, hier seit 1756 und „bis in alle Ewigkeit“ ihren Sitz hat. Schon 2009 sollte mit einem von Haniel federführend konzeptionierten Masterplan Ruhrort zum „Kaiserswerth von Duisburg“ werden. Daraus wurde nichts, stattdessen trennte sich Haniel weitestgehend von seinem Immobilienbesitz im Stadtteil. „Jede Zeit hat ihre Entscheidungen“, heißt es bei Haniel heute zu der von einer früheren Geschäftsführung vollzogenen Sparmaßnahme.

Aber warum auch soll man etwas werden, was es anderswo schon gibt, wenn man stattdessen auch Erster sein kann, wie es Haniel schon so oft war (Dampfschifffahrt, Steinkohlebergbau und Ausstieg daraus ...)? Seit Jahrzehnten wird bei Haniel nichts mehr produziert, stattdessen „entwickelt“: Unternehmen (oder Beteiligungen) werden aufgekauft und auf Vordermann gebracht, und dann liefern sie Gewinne oder werden, idealerweise ebenfalls mit Gewinn, weiterverkauft - immerhin 690 Familienmitglieder freuen sich als Gesellschafter über jährliche Dividenden. Welche Unternehmen gekauft und wie sie entwickelt werden, dafür hat Haniel sich eine Drei-Säulen-Strategie verordnet: „People. Planet. Progress.“ Der Konzern will keine Heuschrecke sein, sondern nachhaltig. Der Konzern soll als funktionierender an die kommenden Generationen weitergegeben werden, eben „enkelfähig“.

Und das gilt ja auch für den Planeten wie ebenso, dass man zuerst vor der eigenen Haustüre kehrt, also: Planet Ruhrort wird umweltneutral. Dirk Gratzel ist Mitinitiator. Und er weiß, wie‘s geht. Er hat sich zum Ziel gesetzt, alle Umweltschäden, die er verursacht hat und noch verursacht, bis zum Ende seines Lebens auszugleichen. Dafür hat er sich gemeinsam mit Wissenschaftlern der TU Berlin die weltweit erste Ökobilanz eines Menschen erstellen lassen, sein Leben nachhaltig verändert und auf zwei eigenen Brachflächen im Ruhrgebiet umfangreiche Kompensationsprojekte gestartet. Um das gleiche in und mit einem Stadtteil zu tun, werden kleine Schritte nicht ausreichen, sagt der Experte; am Ende ein paar Bäume zu pflanzen, damit sei es nicht getan: „Es braucht Mut und den Willen, urbanes Leben grundlegend zu verändern.“

In drei Schritten will die Initiative vorgehen: Analyse, Reduktion und Kompensation. Bis 2023 sollen auf Basis wissenschaftlicher Methoden zur Ökobilanzierung die jährlichen Umweltkosten für Ruhrort ermittelt sein. Dies soll alle im Stadtteil erbrachten Dienstleistungen, alle genutzten oder selbst hergestellten Produkte und damit alle menschlichen Einflüsse auf die Umwelt umfassen. Ab 2023 sollen die Umwelteffekte durch konkrete Maßnahmen reduziert und die nicht reduzierbaren Auswirkungen zum Beispiel durch die ökologische Bearbeitung von Brachflächen oder Gebäudesanierungen und -bepflanzungen kompensiert werden. Kompensationsmöglichkeiten sollen mit den Eigentümern von Flächen oder Gebäuden individuell erarbeitet werden, erste Projekte sollen am Franz-Haniel-Platz starten. Dort ist auch die „Impact Factory“ beheimatet, die sich um die Gründung und Entwicklung sozialer Start-ups, also nachhaltiger Unternehmen kümmert und damit quasi per Definition mit im Boot sitzt.

„Das Thema fasziniert“, sagt Haniel-Sprecherin Simone Fuchs. Lokale und regionale Unternehmen sowie Kommunen hätten bereits ihr Interesse an der Initiative bekundet. Gleichzeitig erhofft man sich Impulse von weiteren Akteuren - alleine geht sowieso nichts. Bei den Ruhrortern soll mit dem Versprechen einer gesteigerten Lebensqualität und mit Info-Veranstaltungen und einem Stadtteilbüro um Beteiligung geworben werden.

Ein Akteur, auf den es besonders ankommen dürfte, ist Duisport. Der neue Hafenchef Markus Bangen war am Dienstag dabei. Für das neue Containerterminal auf der Kohleninsel wurde bereits Ende letzten Jahres angekündigt, dass es klimaneutral werden soll. Darüber hinaus habe man zusammen mit dem Fraunhofer-Institut zahlreiche relevante Daten erfasst, die der Initiative zur Verfügung gestellt würden. Mal sehen, wie der Schwerölausstoß eines anfahrenden Schiffes ausgeglichen werden kann ...