Teil 2 unserer Serie „Raus mit euch!“: Eine Runde Golf in Röttgersbach. Fern ab von alten Klischees und mit einem, der es mal so richtig kann. „Hier ist es einfach schön locker“

Niederrhein · — Yannick ist ein cooler Typ. Das merkt man schnell. Der 22-Jährige und ich haben uns verabredet, eine Runde Golf im Golfclub Röttgersbach spielen zu gehen. Damit ich mal sehe, wie es richtig gemacht wird.

Eis muss keins getaut werden, wir verstehen uns direkt gut. Und nach einer kurzen Einschwung-Runde auf der Driving-Range geht's auf in Richtung Westplatz.

Ab jetzt betrete ich Neuland. Denn, auch wenn ich im vergangenen Jahr meine Platzreifeprüfung abgelegt habe, — auf den großen der beiden Plätze des Golfclubs darf ich heute nur wegen meiner Begleitung. Yannick gehört nämlich quasi zum Inventar des Clubs. Aufgewachsen ist er einen Steinwurf vom Club entfernt. Und zusammen mit seinen Kumpels freute er sich damals, als auf dem Acker vor dem Haus auf einmal schöner Rasen spross. Kurzerhand wurde das, was mal ein Golf-Fairway werden soll, zum Bolz- und Hockey-Platz umfunktioniert. Das wiederum fanden die Clubchefs nur verhalten gut.

Trotzdem wollten sie die Jungs aus der Nachbarschaft einbinden. Erst hatten Yannick und sein Kumpel Freddy einen Aufpasserjob, dann durften sie die Bälle aus dem See hinter der Driving Range fischen, und später gingen sie den Green-Keepern, die sich um die Pflege des Golfplatzes kümmern, zur Hand.

Natürlich durften ab und zu auch mal ein paar Bälle geschlagen werden.

Und schnell war klar: In beiden schlummert viel Talent. "Wir und auch die Leute vom Golfplatz haben früh gemerkt, dass wir ganz gut sind. Aber wir haben ja auch wie die Wahnsinnigen in jeder freien Minute gespielt", erzählt Yannick beim Weg zum ersten Abschlag. Irgendwann sei bei beiden Freunden eine richtige Sucht entstanden. "Wir wollten nur noch Golf spielen und die Bälle noch viel weiter fliegen lassen", erzählt der Wirtschaftsingenieur-Student lächelnd und platziert seinen Ball am ersten Abschlag. Das jahrelange Training scheint sich bezahlt gemacht zu haben. Yannick nimmt nach einem kurzen Plausch mit zwei älteren Golfern, die uns sofort und ungefragt vorlassen, den Driver, die richtig dicke Keule, und legt vor. Der Ball saust weg vom Abschlag, verschwindet kurz aus meinem Blickfeld und landet dann über 250 Meter von uns entfernt leicht rechts im etwas tieferen Gras. Für Yannick kein Problem, mit dem Schlag kann er angesichts des böigen Windes gut leben. Ich ziehe es vor, den Ball zwar ganz gut zu treffen, ihn aber leider auch im Bunker am rechten Rand des Fairways zu versenken. Egal, Hauptsache ich mach mich hier nicht komplett zum Deppen, denke ich und überlege direkt, wie ich es gleich wohl unfallfrei schaffe, den Ball aus dem Bunker-Sand in Richtung Fahne zu befördern.

Beim Marsch zu unseren Bällen gibt Yannick zu, dass er momentan eine kleine Golf-Schaffenskrise durchlebt. "Meine Putts auf den Grüns fallen überhaupt nicht so, wie sie es sollen." Warum das so ist, weiß er nicht genau. Und deswegen verordnet er sich nach unserem Spiel eine kleine Golfpause. Um Abstand und den Kopf frei zu bekommen. Und um für die anstehenden Klausuren zu lernen.

Die Sucht von vor über zehn Jahren ist Begeisterung gewichen. Drei bis vier Mal die Woche zieht es ihn, wenn die Zeit es zulässt, auf den schön angelegten Platz zwischen Oberhausen und Duisburg. "Aber man kann es auch übertreiben und sich überspielen", grübelt er.

Sein Handicap liegt bei 6. Was gelinde gesagt krass ist. Nur sein Kumpel Frederik ist mit einem 4er-Handicap besser. Yannick kann den ziemlich schwer bewerteten Platz in Röttgersbach even par spielen. Also genau nach Vorgabe. Was aus meiner Sicht schlichtweg einem Wunder gleich kommt. Yannick kennt den Platz wie seine Westentasche. Und er hat trotz seines jungen Alters viel Erfahrung. "Fürs Golf spielen ist Erfahrung verdammt wichtig", erklärt er. Viele Situationen hat er schon erlebt. "Wichtig ist immer, auch aus schlechten Situationen und Schlägen das Beste rauszuholen", sagt er. Na dann, hol ich mal das Beste aus dieser Bunkersituation raus. Mit fachmännischen Tipps ausgestattet will ich den Ball aus seinem sandigen Grab befreien. Das klappt mehr schlecht als recht. Aber der Ball quält sich irgendwie aus dem Bunker und hat nun wieder saftiges Grün unter sich, das ist alles, was zählt.

Nach ein paar Schlägen läuft's besser. Gerade die Abschläge funktionieren erstaunlicherweise gut. Und Yannick attestiert mir, dass ich "ne ordentliche Kugel hau". "Da schlummert Talent", sagt er — und ich bin für einen kurzen, unbeobachteten Moment stolz wie Bolle. Heute bläst ein ordentlicher Wind über den Platz — Yannick baut ihn einfach in sein Spiel ein. Der Ball muss eine Rechtskurve fliegen, um optimal zu liegen — Yannick schlägt den Ball so, dass er eine Rechtskurve fliegt. Schläge aus dem Rough, aus dem Bunker, neben Bäumen, aus tiefen Sträuchern — der Typ lässt sich durch nichts aus der Ruhe bringen. Es wirkt, als zieht ein großer, auf den Grüns angebrachter Magnet seine Bälle an. Ich steh daneben und bin baff und froh, dass ich dabei sein darf, zugleich. Im Club sind Yannick und sein Kumpel Frederik bekannt und beliebt. Alle grüßen freundlich. Da macht es auch nichts, wenn Yannick mal zu Frederik wird und umgekehrt.

Natürlich wollen sich auch viele mit den Jungs messen, denn sie sind nun mal die Besten im Club. "Ich spiele mit allen gerne. Da kommen immer ganz gemischte Truppen zustande. Und wir spielen meistens um ein Bier", schmunzelt Yannick und drischt den Ball in den Röttgersbacher Morgenhimmel. Überhaupt sei das Miteinander in Röttgersbach das große Plus. "Hier ist es einfach schön locker und die meisten Leute nehmen sich nicht zu ernst." Das Thema Golf in der öffentliche Wahrnehmung umtreibt auch Yannick. "Viele Leute glauben, man muss reich sein, um Golf spielen zu dürfen. Aber das stimmt ja nicht, das ist ein Klischee von früher." Ein Urteil, was ich im Übrigen bestätigen kann.

In Röttgersbach gibt es neben der Driving Range, wo jeder Abschläge üben kann, auch einen öffentlichen Platz, auf dem mit entsprechender Ausrüstung für kleines Geld auf einem richtigen Neun-Loch-Kurs gespielt werden kann. Die Platzreife und eine Mitgliedschaft braucht man dafür nicht. Dazu gibt es Schnupperangebote und Platzreifekurse, bei denen sich echte Profis um den richtigen Schwung kümmern. Und wer sich bei richtig leckerem Essen und einem kühlen Gläschen einfach mal die Golfer anschauen will, ist im Clubhaus bestens aufgehoben. Wer seine Platzreife hat und später auch mal auf dem großen Westplatz spielen will, der muss Mitglied im Club werden.

Aber auch das lohnt sich, sobald man nur einigermaßen regelmäßig spielen geht. Eines Tages melde ich mich an. Wenn die Kinder größer sind. Und dann komm ich ganz groß raus. Oder auch nicht. Wahrscheinlich eher nicht. Aber das ist auch vollkommen egal. Denn Golf spielen macht Laune. Und ist verdammt anstrengend. Denn man muss weit laufen und konzentriert bleiben. Wer den Schwung auch nach dem 16. Loch noch präzise durchführen will, muss Kondition mitbringen. Richtiger Sport an der frischen Luft in schöner Umgebung. Was will man mehr? Na ja, 250 Meter weit abschlagen wäre cool. Die Bälle "tot" fünf Zentimeter neben die Fahne chippen auch. Aber das wird sicher schon noch...

(Niederrhein Verlag GmbH)