Ein Rollstuhl rollt beim Tanzen nicht einfach von alleine. Hinter dem, was bei Eva und Thomas so leicht aussieht, steckt harte, körperliche Arbeit. Thomas sorgt mit seiner Führung für die Kraft und Stabilität. Es hat nichts mit "schieben und ziehen zu tun", wie er betont. Eva muss sich hier voll auf ihn verlassen können. Gleichzeitig ist es aber sie, die für die Bewegung zuständig ist: "Ich übertrage seine Kraft auf den Rollstuhl." Dies erfordert eine starke Mitte, denn der Rollstuhl wird mittels Hüftbewegungen gelenkt. Besonders tricky: Während die Hüfte in die eine Richtung dreht, geht der Oberkörper mit der Führung mit - Ungeübte kann es hier schon mal aus dem Rollstuhl heben. Denn Fliehkräfte und Hebelwirkung sorgen dafür, dass in dieser Sportart Physik eine große Rolle spielt.
"Beim Rollstuhltanzen muss man sich aber auch ganz anders auf einander einlassen. Man muss lernen zu denken wie der andere", beschreibt Thomas, der auch eine Übungsleiterlizenz besitzt und gemeinsam mit Eva Unterricht im Rollstuhltanzen gibt. Das Standardpaar hat die gleichen Tänze im Repertoire wie die "Fußgänger": Langsamer Walzer, Tango, Wiener Walzer, Slow Foxtrot, Quickstep. Letzterer ist ihr Lieblingstanz. Ziel ist es, den Charakter der Tänze aufs Parkett zu bringen. Die Bewegungen sind an das jeweilige Handicap angepasst.
Eva ist von Geburt an querschnittsgelähmt. Vor 21 Jahren hat sie den Tanzsport für sich entdeckt. Thomas hat als Jugendlicher mit dem Tanzen begonnen. 2005 suchte er nach 15-jähriger Tanzpause per Annonce eine neue Tanzpartnerin. Als sich Rollstuhltänzerin Eva meldet, ist er neugierig: "Das erste Probetraining war interessant und sehr anspruchsvoll. Das war keine Bewegung zur Musik, sondern einfach nur Sport", erinnert er sich. Doch beiden gefällt es. Auch der jeweils andere. Vor sieben Jahren heiraten sie, vor drei Jahren wagen sie den Schritt vom Breiten- in den Leistungssport. Und dies ist kein leichter.
Es ist nicht einfach als sogenanntes Kombipaar einen geeigneten Verein zu finden. Besonders, wenn es in den Leistungssport geht, denn oft tun die Leute Rollstuhltanzen als "ein bisschen Behindertensport" ab. Die ersten Reaktionen auf das Pärchen sind daher meist von Skepsis begleitet. "Wir nehmen das den Leuten gar nicht übel", hat Thomas Verständnis und Eva ergänzt: "Sobald wir tanzen, sieht man aber, was wir können und dass wir uns benehmen." Sprich: Fußgänger werden nicht einfach beim freien Training über den Haufen gefahren. "Inklusion zu leben ist schwierig. Bei den Fußgängern braucht es immer eine Zeit bis sie uns als gleichwertig akzeptieren. Zusammenstöße gibt es natürlich mal - so wie bei allen anderen Tänzern auch." Und das ist es, als was die Beiden in erster Linie wahrgenommen werden wollen: Als "ganz normale" Tänzer - und nicht als etwas Besonderes.
Beim TTC Schwarz-Gold Moers klappt das prima. Hier fühlt sich das Ehepaar, das in Duisburg wohnt, sichtlich wohl und nutzt einmal die Woche das freie Training als Ergänzung zu den Einheiten mit einem Trainer in Essen. Zweimal im Jahr geht es zudem zum deutschen Kadertraining. Der Trainingsfleiß wurde erst kürzlich mit der Deutschen Vizemeisterschaft belohnt, in der Weltrangliste werden die Hassas auf Platz 11 geführt.
Doch mit steigendem Tanzniveau steigen auch die Kosten. Da es in Deutschland kaum Konkurrenz gibt, müssen sich Thomas und Eva international messen. Die weiteste Reise hat sie bisher nach Malta geführt. Obwohl beide berufstätig sind, sehen sie sich derzeit nicht mehr in der Lage das Top-Level noch lange finanzieren zu können. Es fehlen Sponsoren.
Die wichtigste Anschaffung wäre ein neuer Rollstuhl. "Der Rollstuhl ist mein Tanzschuh", beschreibt Eva Hassa. Und jetzt stellen Sie sich mal vor, sie müssten in geliehenen, schlecht sitzenden Schuhen tanzen... Seit zwei Jahren muss Eva mit einer Leihgabe tanzen, die nicht an sie angepasst ist und ihr daher Probleme bereitet: "Ich merke hier sehr schnell meine Behinderung." Ein neuer Sportrollstuhl kostet jedoch 3.000 Euro. Im Gegensatz zu einem normalen Rollstuhl muss er über Skaterrollen, ein Stützrad und einen stabilen Starrrahmen verfügen. Ein Straßenrolli würde die Belastung durch den Leistungssport nicht aushalten.
Besonders für das nächste Ziel wäre ein eigener Tanzrollstuhl wichtig: Im Oktober soll es zur Europameisterschaft in die Slowakei gehen. Wenn der Bundestrainer und der Verband das Paar denn nominieren. Wir drücken die Daumen, dass es klappt. Im neuen Rollstuhl!