Wenn die Straßenreinigung plötzlich das Vielfache kostet Gebührenerhöhung – alles Unfug?

Mönchengladbach · Die Anwohner der Grunewaldstraße 54-66 sind aufgebracht. Nach vielen Jahren hat die mags deren Straßenreinigungsgebühren plötzlich neu berechnet und nimmt nun ein Vielfaches für die Straßenreinigung ein. Ein Rechenfehler, sollte man meinen. Aber die Sachlage ist kompliziert und die ersten Widersprüche sind bereits abgewiesen worden.

Wehren sich zusammen mit weiteren Betroffenen in der Grunewaldstraße gegen ihre neuen Gebühren für die Straßenreinigung (v. l.): Stephan Beckers, Doris Brandt und Bernhard Schramm.

Foto: Petra Käding

Es ist ruhig, ja fast idyllisch, in der privaten Grunewaldstraße mit den Hausnummern 54 bis 66. Die Stichstraße unterliegt nicht der öffentlichen Straßenreinigung, die Anwohner selbst sorgen dafür, dass ihre Straße sauber bleibt – Doris Brandt zum Beispiel seit fast zwanzig Jahren, Bernhard Schramm seit 1974. Dass sie trotzdem Straßenreinigungsgebühren an die mags zahlen, war all die Jahre kein Thema, denn sie nutzen ja auch den Straßenabschnitt der öffentlichen Grunewaldstraße, um zu den Stellplätzen vor ihren Häusern und zu den Garagen an der Straßenfront zu kommen. Dass sie nun aber „aus heiterem Himmel“ deutlich höhere Gebühren zahlen sollen, wollen sie nicht hinnehmen. „Die mags will jetzt pro Straßenmeter das Vielfache kassieren!“, berichten sie empört – und wundern sich darüber, dass die mags nach 50 Jahren bei ihnen plötzlich anders rechnet, es bei den beiden benachbarten Stichstraßen aber bei der „alten“ Rechenart belassen hat. Sie und andere betroffene Nachbarn hätten schon Widerspruch eingelegt.

So auch Stephan Beckers, dessen Mutter das Haus Grunewaldstraße 62 bewohnt. Er hat auf Basis der im Online-Tool des Landes NRW hinterlegten Karten und Daten eine Frontlänge der Grunewaldstraße von 66 Metern ausgerechnet, die von der mags zu reinigen sei. „Die Reinigung wird mit 9,12 Euro pro Jahr berechnet, so dass sich Gesamtkosten von 601,92 Euro ergeben. Diese Gesamtkosten werden seit dem Bau der Häuser vor 51 Jahren wie folgt getragen: Das direkt an der Grunewaldstraße liegende Haus Nr. 54 bezahlt für 29 Frontmeter, die Eigentümer der an der Straße liegenden Garagen bezahlen jeweils für drei Frontmeter (insgesamt 27 Meter) und das teilweise direkt an der Grunewaldstraße liegenden Haus Nr. 66 zahlt neben seiner Garage für die restlichen Frontmeter.“* Die Änderungsbescheide, so Beckers‘ Vermutung, nehmen nun Bezug auf § 6 (1) der Satzung über die Straßenreinigung und die Erhebung von Straßenreinigungsgebühren in der Stadt Mönchengladbach von 2016. Dort stehe, dass der Maßstab für die Berechnung der Benutzungsgebühr die Grundstücksseite entlang der Straße bzw. bei nicht an die Straße grenzenden Grundstücken die der Straße zugewandte Grundstücksseite sei.

So weit, so „gerecht“. Im Ergebnis aber führe die Auslegung der Satzung durch die mags zu folgender Situation: Die bisherigen Kosten bleiben. Zusätzlich sollen aber die neun Anwohner, die nicht direkt an der Straße liegen, weitere Gebühren auf Basis ihrer der Grunewaldstraße zugewandten Grundstücksseite übernehmen. „Statt der bisherigen Gesamtgebühren von 601,92 Euro für die Straßenreinigung von 66 Metern ergibt sich so eine Gesamtlänge von 385 Metern, die zu Gebühren von insgesamt 3 511,20 Euro führt“, so Beckers. „Die Reinigungsleistung bleibt die gleiche, jedoch steigen die Gesamtgebühren um 583,3 Prozent!“

Üblicherweise würden Kommunen so verfahren, dass sie die Front- und Hinterliegungsmeter aller Anlieger addieren und die tatsächlich anfallenden Straßenreinigungsgebühren prozentual auf die einzelnen Anlieger gemäß ihrem Anteil an den Gesamtmetern veranlagen. Damit wären die Anwohner der Grunewaldstraße ja auch einverstanden. „Aber die Kostenvervielfachung, wie die mags sie betreibt, ist völliger Unfug!“, so Beckers.

Die mags indes hat auf die ersten Widersprüche bereits reagiert: Abgewiesen, weil unbegründet, so die Kurzfassung, ergänzt durch Paragraphen und den Hinweis auf einen „modifizierten Frontmetermaßstab“, der erklären soll, dass die Gebühren zwar grundstücksbezogen berechnet, aber nicht für die Reinigung eines bestimmten Straßenabschnitts erhoben würden, sondern quasi stadtweit. Das wirft neue Fragen auf: Wozu die Satzung zur Berechnung der Benutzungsgebühr entlang einer Straße, wenn die Vor-Ort-Kehrstrecke gar nicht maßgeblich ist? Was kostet die Straßenreinigung insgesamt – und was ist der Anteil jedes einzelnen?

Die mags teilt auf Anfrage mit, dass sie Einzelfälle aus Gründen der Amtsverschwiegenheit nicht in der Öffentlichkeit darlegen könne. Zum Arbeitsablauf in der Gebührenveranlagung erklärt sie: „Die Festsetzungen der Straßenreinigungsgebühren werden laufend überprüft. Sobald sich Änderungen im Straßenverzeichnis, in den Eigentumsverhältnissen ergeben oder eine Reinigung der Straße aufgrund von Baumaßnahmen für längere Zeit nicht erfolgen kann, werden die Veranlagungen auf Vollständigkeit und Richtigkeit geprüft. Sobald uns Fehler in der Berechnung der Gebühren im Einzelfall auffallen, werden diese korrigiert und die Bürger erhalten geänderte Gebührenbescheide.“ Sollten die aus Rechtsgründen teils schwierig formulierten Erklärungen in Widerspruchsbescheiden Fragen aufwerfen, biete die mags an, die Sachlage in einem persönlichen Gespräch zu erläutern.

Bei den Anwohnern in der Grunewaldstraße geht es allerdings weniger ums „Verstehen“ – sie haben kein Verständnis für diesen „Gebühren-GAU“. Beckers jedenfalls hat für den Fall, dass auch sein Widerspruch abgeschmettert wird, rechtliche Schritte angekündigt und Kontakt zu TV-Sendern aufgenommen, um „diesen Behördenirrsinn öffentlich zu machen“.

* Es handelt sich um ungefähre Werte