„Wir möchten nicht an Ihren Geldbeutel, sondern Ihre Einstellung ändern“, sagt Polizeihauptkommissarin Stephanie Schepers einem Autofahrer durchs herabgekurbelte Fenster. Ihre Kollegen an der mobilen Radarstation auf der Straße Horkesgath hatten den Fahrer mit 36 km/h erwischt. Erlaubt sind 30 km/h.
Um ihrer Ermahnung emotionalen Nachdruck zu verleihen, wird Stephanie Schepers von einem jungen Assistenten begleitet: Martin ist 10 Jahre alt und besucht die gegenüberliegende Grundschule Krähenfeld. „Wir möchten, dass Sie langsam fahren, damit wir Kinder sicher zur Schule gehen können“, sagt Martin und überreicht dem verdutzten Fahrer einen roten Zettel. „Denkzettel“ steht darauf. Der Fahrer nickt: „Ich habe verstanden, ist schon richtig eure Aktion.“
„Im vorigen Jahr hatten wir 105 verletzte Kinder im Straßenverkehr“, erklärt Polizeihauptkommissarin Nina Scholz den brisanten Hintergrund des Sondereinsatzes der Polizei. Um einen Beitrag zur Senkung dieser furchtbaren Zahl zu leisten, hatte sich die Polizei an Schulleiterin Svenja Lomberg gewandt. Ob nicht die Kinder selbst einmal den Autofahrern ins Gewissen reden sollten.
„Ich finde die Aktion toll“, zeigte sich die Rektorin begeistert. Und dies auch aus pädagogischer Sicht: Denn die Schüler absolvieren im vierten Schuljahr ihre Radfahrprüfung. „Bei dieser Kontrollaktion erleben sie, dass auch Erwachsene Fehler machen“, erklärt Lomberg. Somit wechseln sich an diesem Vormittag immer Vierergruppen von Viertklässlern zur Verkehrskontrolle ab.
Die Karten, die die Kinder an der Fahrertür vergeben, hat die Schule selbst gestaltet. Und zwar neben dem roten „Denkzettel“ auch einen grünen „Dankzettel“. Denn die Polizei winkt auch Autofahrer auf den angrenzenden Feldweg, die die 30 eingehalten oder gar unterschritten haben.
Wie zum Beispiel Fatima Ratzanowski. Sie blieb mit 29 km/h unterhalb der roten Linie. Zuerst aber muss sie mit dem üblichen Schrecken zurechtkommen, wenn die Polizei einen anhält. „Führerschein und Kraftfahrzeugschein bitte“, fordert die Polizistin sie auf. „War ich zu schnell?“ fragt die Fahrerin ganz überrascht. Im Gegenteil. Die Beamtin erklärt die Aktion und spricht ihren Dank für die verantwortungsbewusste Fahrweise aus. „Jeder braucht auch mal ein Dankeschön“, unterstreicht Nina Scholz. Dem schließt sich Martin gerne an: „So kommen wir Kinder sicher in die Schule. Und gute Fahrt“! Fatima Ratzanowski freut sich sehr: „Ich bekomme Gänsehaut“. Martin reicht ihr die grüne Dankeskarte.
Es sind an diesem Vormittag glücklicherweise weitaus mehr grüne als rote Karten, die durch die offenen Fahrerfenster gereicht werden. Das ist gut. Liegen an der schmalen Straße Horkesgath im Krefelder Norden doch gleich mehrere Schulen.
Die Krefelder Polizei führte an diesem Tag im ganzen Krefelder Stadtgebiet einen Sondereinsatz zur Unfallvorbeugung durch. Ein Schwerpunkt dabei war die Bekämpfung von Kinderunfällen. Die pfiffige Aktion in Zusamenarbeit mit der Krähenfeldschule appellierte nicht nur an die Köpfe der Autofahrer, sondern rührte auch an ihre Herzen. Bleibt zu hoffen: umso nachhaltiger die Wirkung.