Ich bin ganz ehrlich. Für mich ist ankommen das Schönste beim Joggen. Ja, auch ich weiß, wie sich ein Runners High anfühlt. Aber nein, gerade spüre ich es einfach nicht. Es ist Kilometer fünf meines Zehn Kilometer-Laufs. Und ich merke es ganz deutlich: Ich hab mal wieder übertrieben auf den ersten Kilometern, hab gedacht, ein paar lockere Läufe zum Jahresbeginn machen mich tatsächlich wieder richtig fit, hab gedacht, eine Woche Schnupfen und Husten können mir gar nix. Stimmt aber nicht. An den Temperaturen liegt es nicht, die liegen nämlich im Idealbereich. Ideal wäre es auch, wenn ich den Kopf abschalten könnte. Geht aber nicht. Und so schwelge ich in schönsten Fantasien von heißen Duschen und üppig gedeckten Tischen - gar nicht gut angesichts der Tatsache, dass es noch ein weiter Weg bis dahin ist.
Jetzt verliere ich auch noch meinen Fixpunkt im dichten Gedränge aus den Augen. Das neonorange Trikot, an dem ich mich eigentlich orientieren wollte, läuft unverdrossen aus meinem Sichtfeld. Denn ich werde langsamer, leider. Also muss ein neuer Fixpunkt her. Der, also eher die, hat ein lila Shirt an und einen lustig durch die angenehm temperierte Luft wippenden Zopf. Ich frage, nein ich hechele, was sie sich für ein Zielzeit gesetzt hat - und bekomme eine nette, aber kurze „47“ zur Antwort. Alles klar, probiere ich mal, an meinem 47er Fixpunkt dran zu bleiben. Das Tempo passt vorerst besser, mein Kopf beruhigt sich ein wenig, und ich kann sogar einen Blick auf die Landschaft werfen. Schön ist es hier zwischen Regattabahn, Barbara-, Masuren- und Wolfsee. Für einen kurzen Moment fällt mir gar nicht auf, wie verdammt anstrengend gerade alles ist. Dann kommen uns die Schnellsten auf der Masurenallee entgegen. Und ich denke: „Meine Fresse, sehen die fit aus. Und verdammt, ich wäre auch schon gerne so nah am Ziel wie die.“ Jetzt heißt es, nicht ins Motivationsloch abzurutschen. Da hilft es auch nicht, dass sich bereits mein zweiter Fixpunkt als zu schnell erweist. Jetzt ist’s auch egal. Nach dem Wäldchen am Scheitelpunkt der Strecke geht’s auch mit der Motivation wieder rauf. Immer mehr Zuschauer am Streckenrand trommeln, klatschen und rufen uns Mut zu. Dann kommt auch schon der Turm der Sportschule in Sicht. Gleich geschafft, einen Kilometer noch dran ziehen. Den klasse Zieleinlauf im Leichtathletikstadion bekomme ich gar nicht so richtig mit.
Dann folgt das Schönste: Zieleinlauf, durchatmen, Schulterklopfer mit wildfremden aber ähnlich euphorisierten Menschen, einen großen Schluck Orangen/Zitronenwasser, duschen, glücklich sein. Ein paar bekannte Gesichter treffe ich dann doch noch in dem Gewusel aus fast 4300 Startern und noch mal mindestens so vielen Begleitern. Die Beine sind angenehm taub. Anstrengend war’s. Aber auch richtig schön. Tolle Streckenführung, tolle Stimmung, nicht so tolle Duschen, astreine Organisation dieses Riesenevents. Und die Zeit? 48:12 Minuten. Damit bin ich angesichts meines Traininigsstandes zufrieden. Das nächste Ziel: Teil zwei der Serie über 15km. Dann aber mit mehr Training im Vorfeld - vielleicht...