Danach war ich um mehrere Erkenntnisse reicher. Die wichtigsten: Die Jungs und Mädels, die hier trainieren, sind richtig fit. Und ich bin ne Wurst...
Mittwochabend, 9. November, in Meiderich. Das Thermometer in meinem Auto zeigt 4 Grad an. Dazu prasselt kalter November-Regen leicht von vorne auf die Windschutzscheibe. Da soll ich raus? Um mich unter einer Autobahnbrücke per Liegestütz, ach nee sorry, per "Pushup" und "Burpee", in den Staub zu schmeißen? Ach, jetzt in die Sauna. Das wär schön. Is aber nicht. Training ist angesagt und für Ausreden kein Platz. "No excuses" heißt das bei den Drill-Sergeants von Freeletics. Und einer von den Fitness-Henkern wartet auch schon vor meinem Auto. Markus heißt der. Markus hat die Freeletics-Gruppe, die sich vier Mal(!!) pro Woche unter der Brücke am Nombericher Platz zum gemeinsamen Workout trifft, gegründet. Markus ist ein sehr netter Kerl. Und, was sich unter seiner dicken Winterjacke nur erahnen lässt, vermutlich sehr muskulös.
Freeletics hat ihn vor rund zwei Jahren gepackt - und seit dem nicht mehr losgelassen. "Ich habe schon fast alles an Sport gemacht in meinem Leben. Aber nichts hat mich annähernd so fit gemacht wie Freeletics. Ich bin mit jetzt 39 Jahren definitiv in der Form meines Lebens", sagt er mit breitem Grinsen. Neben ihm steht sein Mitstreiter André Minhorst. Der ist sechs Jahre älter als Markus - Fett sucht man im Schein der Baulampen, die an den Seiten des Fußballkäfigs unter der Brücke angebracht sind, an seinem nach drei Jahren Freeletics ziemlich drahtigem Körper allerdings vergebens. Überhaupt: Alle 14 Freizeitsportler, die jetzt peu á peu mit ihren Gymnastikmatten, Trinkflaschen und Handys unter dem Arm eintrudeln, machen einen verdammt fitten Eindruck. Aus Duisburg, Oberhausen, Essen und Voerde kommen sie nach Meiderich gepilgert. So wie Lena, die seit März, seitdem sie bei facebook auf die Gruppe aufmerksam wurde, drei Mal die Woche aus Voerde angereist kommt. "Der Platz hier ist super. Es sind immer viele nette Menschen da. Und das motiviert einfach. Zuhause und alleine würde ich das so nicht durchziehen", sagt sie und ergänzt, dass sie sich durch Freeletics ebenfalls fitter denn je fühlen würde.
Im Prinzip ist Freeletics eine Aneinanderreihung von klassischen Übungen wie Laufen, Liegestütz, Streck- und Hocksprung, Klimmzug, Kniebeuge und Hampelmann. Und genau zu dem mache ich mich jetzt auch.
Bei Freeletics läuft alles über die Community und damit übers Handy. Über eine App wird das Training gesteuert. Trainingsergebnisse werden gepostet und von der Freeletics-Gemeinde bei Bedarf beklatscht. "Bei Freeletics geht es um die saubere Ausführung der Übung und um die Zeit, in denen du deine Workouts absolvierst", erklärt André. Markus hat derweil das Handy gezückt und sucht ein passendes Workout für den Neuling raus. Eigentlich wollen mir Markus und André gleich "Aphrodite", die Workouts sind allesamt mit griechischen Namen versehen, verpassen. "Aber das gibt definitiv drei Tage Muskelkater." Och nöö, dann doch lieber ne Nummer kleiner bitte, winsel ich. Gesagt, getan. Ich beginne meine glorreiche Freeletics-Karriere mit "Metis". Das bedeutet: 10 Burpees, 10 Climbers, 10 Jumps. Dann: 25 Burpees, 25 Climbers, 25 Jumps. Und zum Abschluss noch mal zehn Wiederholungen von jeder Übung. Schon nach den ersten zehn Burpees (aus der Liegestützposition hochstützen, aufstehen und in den Strecksprung mit Händen hinterm Kopf) weiß ich, wo der Freeletics-Hammer hängt. Nach den Climbers (Liegestützposition und Füße im Wechsel nach vorne zu den Händen) sind meine Oberschenkel leicht taub, was leider dazu führt, dass meine Jumps ziemlich flach und unelegant daher kommen. "Weiter, weiter", feuert mich mein Personal Drill-Sergeant an. Den Stern, den es für saubere Ausführung der Übungen gibt, habe ich bereits verwirkt. Aber egal, weiter geht's. Nach der 25er-Runde brauche ich Zeit zum Atmen, viel Zeit zum Atmen. Und wieder weiter.
Am Ende bin ich platt und es stehen indiskutable 10:31 Minuten auf der Uhr. "So haben wir alle angefangen. Sah doch gut aus", findet André. Stimmt natürlich nicht, aber ich rechne ihm das trotzdem hoch an. "An der Zeit können wir noch arbeiten", meint Markus, der "Metis" mit links in fünf Minuten wegpowert. Und genau das ist der Punkt. Beim nächsten Mal will ich das schneller und sauberer hinbekommen. Und schon ist man drin, im Freeletics-Kosmos. So, jetzt aber schnell noch ein Erinnerungsselfie mit meinen Henkern und dann mit weichen Beinen und roter Birne (und das nach zehn Minuten Sport, gibt's doch gar nicht...) ab in die Sauna...