Armin Krenz über die Reform des KiBiz „Kita-Qualität nimmt weiter ab“

Niederrhein · Mehr Verlässlichkeit und Stabilität in der Kindertagesbetreuung - das soll die Reform des Kinderbildungsgesetzes (KiBiz) laut Landesregierung bringen. Doch Hon.-Professor (a.D.) et Prof. h.c. Dr.h.c. Armin Krenz schlägt Alarm: „Es droht ein weiterer Qualitätsverlust - auf Kosten der Kinder und vieler Eltern!“

Der Hon.-Professor (a.D.) et Prof. h.c. Dr.h.c. Armin Krenz gilt bei vielen Kindheitspädagog*innen als der Kindergartenpapst in Deutschland. Sein Forschungsschwerpunkt liegt auf der Entwicklungspsychologie der ersten sechs Lebensjahre.

Foto: Wagner

Die Pressemitteilung der Landesregierung liest sich toll: Die Reform des KiBiz sieht eine umfangreiche Entbürokratisierung und Flexibilisierung, eine mit zusätzlichen mindestens 50 Millionen Euro jährlich unterlegte Personaloffensive und eine dauerhafte Finanzstabilisierung vor. Die Grundfinanzierung werde ab 1. August 2027 um jährlich zusätzlich 200 Mio. Euro erhöht. Ein Jahr zuvor werde der gleiche Betrag pauschal als freiwillige Leistung bereitgestellt. Und das Land stelle insgesamt 1,5 Milliarden Euro für Investitionen zur Verfügung. Bejubelt wird „die beabsichtigte grundsätzliche Entlastung der Träger und der Mitarbeitenden in den Einrichtungen, etwa durch Maßnahmen zur Verbesserung der Personalsituation, angepasste Betreuungszeiten sowie den Abbau von Bürokratie.“ Hört sich doch gut an, oder?

Klar, mehr Geld, weniger Bürokratie - hört sich sogar sehr gut an! Aber der entscheidende Punkt sind für Armin Krenz nicht die Finanzen, sondern die „angepassten Betreuungszeiten“. Was in der Pressemitteilung nur nebensächlich erwähnt wird, stellt sich bei Lektüre des kürzlich veröffentlichten Eckpunktepapiers nämlich als Lockerung der Regeln für die Personalplanung heraus: Fünf Stunden am Tag (die sogenannte Kernzeit) gelten dann als Bildungszeit, die restliche „Randzeit“ ist Verwahrzeit, bei der Einrichtungen weniger qualifiziertes Personal für die Betreuung einsetzen dürften. „Als wenn wir nicht ohnehin schon große Defizite in der Qualität der Betreuung hätten ...“, weiß der 72-jährige Moerser, der als Supervisor bereits viele Hunderte Einrichtungen in der ganzen Bundesrepublik begleitet, angeleitet und verbessert hat, und befürchtet: „Wenn nun Träger die Möglichkeit bekommen, Geld zu sparen, indem sie weniger qualifiziertes Personal beschäftigen, wird die Kita-Qualität dem Kostendruck vollends zum Opfer fallen.“ Die Reform sei also gut für die Träger, aber schlecht für die Kinder.

Armin Krenz‘ Forschungsschwerpunkt liegt auf der Entwicklungspsychologie der ersten sechs Lebensjahre: „Kinder brauchen in dieser Zeit zwingend feste Bezugspersonen, denn (Persönlichkeits)bildung braucht Bindung!“ Und Bildung in den Kindergärten brauche gut ausgebildete, motivierte pädagogische Fachkräfte. Doch Erkenntnisse aus der Hirnforschung oder der Entwicklungspsychologie würden in der Bildungspolitik kaum eine Rolle spielen: „Es werden nur kurzfristig Löcher gestopft und es wird in Legislaturperioden gedacht. Wir brauchen nachhaltige Bildung schon in den Kitas.“

Armin Krenz fordert daher eine radikale pädagogische Kehrtwende zurück zum Kind, eine beziehungsorientierte kindzentrierte Praxis, kurz: „Bildungswende jetzt!“. (Der vollständige Text ist in seinem Onlineartikel unter dem Link „erzierIn.de“ (Sparte: Academics, 29.09) zu lesen. Dafür müsste die Ausbildung des pädagogischen Fachpersonals neu gedacht werden. „Letztendlich fängt alles mit der Personalqualität an. Wir brauchen qualitätsorientierte selbsterfahrungs- und lernfreudige Fachkräfte, die mit Kopf, Herz und Hand dabei sind. Erzieher*in ist der wichtigste Beruf, den es gibt, denn diese Arbeit schafft die Basis, auf der unsere ganze Gesellschaft steht.“ Selbstbildung in der Ausbildung sei ein zentraler Punkt, neue Erkenntnisse aus den Forschungsgebieten wie der Bindungsforschung müssten im völlig veralteten Lernplan endlich Einzug erhalten und Ausbildende müssten auf den neuesten Stand gebracht werden. Dann wüssten die pädagogischen Fachkräfte zum Beispiel, dass das x-te Förderprogramm nichts nützt, denn, so hat die Wissenschaft längst herausgefunden: „Es gibt 16 Spielformen, von Bau- über Musik- bis hin zu Rollenspielen. Werden diese in den ersten sechs Lebensjahren berücksichtigt, dann erreichen Kinder über die Spielfähigkeit die Schulfähigkeit – ohne ein einziges Förderprogramm.“ Oder das irrsinnige Unfallvermeidungsregeln die kindliche Neugier ausbremsen. „Wir schränken das Kinderleben immer mehr ein, Kinderzeiten werden durch getaktete Abläufe zerrissen und die Kinderwelten werden immer künstlicher - eigentlich verabschieden wir uns von allem, was Kinder brauchen“, kritisiert Krenz. Gut ausgebildetes pädagogisches Fachpersonal könnte eine Kehrtwende herbeiführen, ist er sich sicher, doch dazu müsse der Beruf auch als Berufung empfunden werden, denn es gelte sich zum Wohle des Kindes auch gegen Träger oder Eltern durchzusetzen.

Ja, was ist eigentlich mit den Eltern? Müssten die nicht das leisten, was hier vom Kindergarten erwartet wird? Eigentlich, so Krenz, müsste es einen Elternführerschein geben. Denn viele Eltern könnten aus den unterschiedlichsten Gründen ihren Erziehungsaufgaben nicht so nachkommen, wie es sein müsste. Letztendlich sei es einfacher, das pädagogische Fachpersonal über die Ausbildung zu erreichen, als bei den Eltern anzufangen. Für die Kinder müsse dies kein Nachteil sein, denn diese würden sich, laut Resilienzforschung, ohnehin immer denen zuwenden, von denen sie sich am stärksten verstanden fühlen. Und wenn das die Erzieherin in der Kita ist, dann sollte diese wissen, worauf es ankommt.

Hon.Professor (a.D.) et Prof. h.c. Dr. h.c. Armin Krenz hat von 1985 bis 2015 als Wissenschaftsdozent (mit Zulassung zur heilkundlich, psychologisch-therapeutischen Tätigkeit) am Kieler Institut für angewandte Psychologie + Pädagogik, verbunden mit vielen Gastvorlesungen an (außer)europäischen Universitäten, gearbeitet. Sein Schriftenverzeichnis umfasst neben 58 Fachpublikationen Hunderte Fachbuchgutachten und ebenso viele Beiträge in Fachzeitschriften. Der 72-Jährige ist nach wie vor als Supervisor, Autor, Fachbuchgutachter und Wissenschaftsdozent tätig. Allein in diesem Jahr veröffentlichte er sechs Fachpublikationen. Sein neustes Werk „Merkmale einer guten Kita-Pädagogik“ stellte Krenz kürzlich auf der Frankfurter Buchmesse vor.