Millionen von Menschen leiden im Umfeld von Flughäfen täglich unter dem gesundheitsschädlichen Lärm der startenden und landenden Maschinen. Der Zusammenschluss von Kommunen und Bürgerinitiativen, die gegen Fluglärm kämpfen, stellt seine Forderungen in diesem Jahr unter das Motto „Lasst uns in Ruhe!“
„Das geltende Fluglärmschutzgesetz aus 2007 schützt die Luftverkehrswirtschaft und nicht die Menschen. Es muss dringend grundlegend überarbeitet werden und dem aktuellen Stand der Lärmwirkungsforschung angepasst werden“, fordert der Präsident der Bundesvereinigung gegen Fluglärm, Werner Kindsmüller. Die gesundheitlichen Risiken durch Fluglärm sind längst erwiesen, aber die bisherige Bundesregierung ist untätig geblieben.
Christoph Lange, 1. Vorsitzender der in Meerbusch beheimateten Bürger gegen Fluglärm, ergänzt: „Es kann nicht sein, dass in Düsseldorf für die Anwohner unter der Anflugroute die erste Nachtstunde die lauteste Stunde des gesamten Tages ist. Das widerspricht allen Lärmvorschriften und dem Luftverkehrsgesetz, die die Nacht unter einen besonderen Schutz stellen.“
Untermauert wird die Forderung nach schärferen Grenzwerten und einem besseren baulichen Schutz gegen Fluglärm von der Wissenschaft: In Schulen, die durch Fluglärm belastet werden, ist zum Beispiel der Unterricht oft so stark gestört, dass die Lernleistung der Schülerinnen und Schüler nachweislich leidet. Vor allem das Lesenlernen von Grundschulkindern wird durch Lärm beeinträchtigt. „Jede Steigerung des Lärms um zehn Dezibel verzögert die Entwicklung der Lesefähigkeit dieser Kinder um einen Monat. Die Kinder in den am stärksten belasteten Schulen lagen also in der Leseentwicklung im Durchschnitt zwei Monate hinter denen aus den am wenigsten belasteten Schulen“, betont die Entwicklungspsychologin Maria Klatte von der Technischen Universität Kaiserslautern-Landau.
Nachtflüge über Wohngebiete konsequent unterbinden, das fordert der Kardiologe Thomas Münzel. Das gesundheitliche Risiko für Anwohner sei während der Schlafzeit am höchsten, erklärt der Seniorprofessor am Klinikum der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz. Fluglärm beeinträchtige tagsüber die Konzentration, störe aber vor allem den Nachtschlaf – mit gravierenden Folgen für das menschliche Herz-Kreislauf-System. „Schon Dauerbelastungen von 50 bis 60 Dezibel, die üblicherweise in der Umgebung von Flughäfen gemessen werden und der Lautstärke eines Gesprächs entsprechen, können tagsüber die Konzentration und nachts den Schlaf stören,“ betont Thomas Münzel. „Es ist wissenschaftlich erwiesen: Fluglärm macht krank – und hier insbesondere der Nachtfluglärm!“
Während Anwohner unter dem Fluglärm zu leiden haben, beklagen sich Airlines, der Flughafenverband ADV und der Lobbyverband der Luftfahrtindustrie BDL derweil seit einiger Zeit regelmäßig über hohe Standortkosten in Deutschland. Die Ministerpräsidentenkonferenz fordert eine Prüfung der Luftverkehrssteuer und der Flugsicherungsgebühren – mit dem Tenor einer Reduzierung. Der Meerbuscher Verein Bürger gegen Fluglärm (BgF) verwehrt sich dagegen und setzt sich dafür ein, dass „auch der Luftverkehr gerecht finanziert und besteuert wird“, so der Wortlaut einer Pressemitteilung der BgF. Im Vergleich zu anderen Verkehrsträgern werde der Luftverkehr nach wie vor bevorzugt. Die Luftverkehrsabgabe ersetze nicht die eigentlich notwendige Kerosinsteuer, vergleichbar mit einer Mineralölsteuer, und die auftretenden Kosten, zum Beispiel Flugsicherungsgebühren, müsse der Luftverkehr schon selber zahlen, argumentieren die Bürger gegen Fluglärm. Es sei nicht einzusehen, dass der Staat hier einspringt. BgF-Vorsitzender Christoph Lange: „Würde Fliegen das kosten, was es kosten müsste, dann wäre das ganze durch die Billig-Angebote getriebene Wachstum seit 2010 ja gar nicht möglich gewesen. So geht nun einmal die von vielen immer so hoch gehängte Marktwirtschaft.“
Hinzu komme, so die Fluglärmgegner weiter, „dass sich der Luftverkehr transformieren und klimaneutral werden muss – übrigens nicht nur CO2-neutral“. Das sei zwar schon lange bekannt, aber eine Lösung sei nach wie vor nicht in Sicht. Die Luftfahrtindustrie setze offiziell auf SAF (Sustainable Aviation Fuel – nachhaltiger, grün produzierter Luftkraftstoff), fordere auf der anderen Seite aber, den „Mini-Anteil“ von zwei Prozent, der bis 2030 nach EU-Vorgaben zugemischt werden muss, abzuschaffen. Lange: „Das passt alles nicht zusammen. Selbst wenn das gesamte Kerosin nachhaltig produziert würde, ist der Luftverkehr durch Nicht-CO2-Effekte noch lange nicht klimaneutral.“
Das Fazit der Bürger gegen Fluglärm: Statt gebetsmühlenartig Forderungen zu erheben, sollten Flughäfen und Airlines zunächst einmal ihre Hausaufgaben machen und nicht versuchen, auf Kosten von Anwohnern und zu Lasten des Klimaschutzes hohe Gewinne zu erzielen.