Ratsmehrheit will Abschiebe-Stopp für Adnan Harb OB bricht Ratssitzung nach Störungen ab

Krefeld · Oberbürgermeister Gregor Kathstede hat heute Abend die Ratssitzung nach etwa zwei Stunden abgebrochen. Zuvor war es zu ständigen Zwischenrufen gekommen. Eine Mehrheit aller Parteien außer der CDU hat an den OB appelliert, Adnan Harb einen dauerhaften Aufenthaltstitel zu erteilen.

Demonstranten gegen Abschiebung
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Wie heute bekannt wurde, droht bem Familienvater, der seit 30 Jahren in Krefeld lebt, bereits morgen die Abschiebung in die Türkei. Er war am Donnerstag in der Krefelder Ausländerbehörde verhaftet worden. Die Debattenbeiträge waren weitgehend sachlich, die Zwischenrufe emotional, gipfelnd in einigen "Nazi"-Rufen.

Auch nach der Abstimmung wollten viele Demonstranten nicht gehen und machten weiter lautstark auf den Fall Harb aufmerksam. OB Gregor Kathstede hätte den Saal auch räumen lassen können. Das wollte er jedoch nicht und schloss die Sitzung nach Punkt 6.

Und so begann es: Zunächst hatte Ornungsdezernent Ulrich Cyprian betont, dass das Schicksal von Adnan Harb auch Oberbürgermeister und die Mitarbeiter der Ausländerbehörde bewege.

Er ließ den gesamten Fall Revue passieren: Harb war am 23. Mai 1985 als 14-Jähriger aus dem vom Bürgerkrieg zerissenen Libanon nach Krefeld gekommen, wobei er einen falschen Namen angab.

Sein Asylantrag wurde abgelehnt. Zunächst wurde er wegen des Bürgerkriegs im Libanon geduldet.

Nun ist sich das Ausländeramt sicher, dass Adnan Harb eigentlich Türke ist. Die türkische Vertretung habe zugesagt, ihm Passpapiere auszustellen. Eine Verlängerung der Duldung sei rechtlich nicht mehr möglich.

Der Oberbügermeister hatte in der Sache beim NRW-Innenministerium nachgefragt, das auch nicht weiterhelfen konnte. Zeitweise war Adnan Harb ins Kirchenasyl geflüchtet.

Cyprian wurde deutlich: Würde der OB eine weitere Duldung anordnen, würde er sich eine Amtspflichtverletzung zuschulden kommen lassen. Der Antrag der Mehrheit gehe daher "ins Leere".

Sinnvoller wäre es aus seiner Sicht, die Krefelder Bundestagsabgeordneten einzuschalten oder zu versuchen, die Gesetzeslage im Bund für solche Altfälle zu ändern.

Krefelds SPD-Chef und OB-Kandidat der Sozialdemokraten, Frank Meyer, fragte, wieso denn die Brüder von Adnan Harb in anderen Städten als libanesische Bürgerkriegs-Flüchtlinge anerkannt seien, Krefeld ihn aber als Türken abschieben wolle.

Meyer erinnerte an die Krefelder Geschichte, die immer auch eine Geschichte der Toleranz und der Aufnahme von Flüchtlingen gewesen sei. Der Umgang der Stadtverwaltung mit Adnan Harb "ist geeignet, den Ruf und das Ansehen dieser Stadt schwer zu beeinträchtigen"-

"Adnan Harb hätte Teil einer typisch Krefelder Geschichte sein können", so Meyer mit Blick auf Harb, arbeite und mit seiner Frau und den drei Kindern voll integriert sei. Er endete mit den Worten "Adnan Harb ist Krefelder und einer von uns!"

Der Grünen-Ratsherr (und OB-Kandidat) Thorsten Hansen hinterfragte die von der Stadtverwaltung zweifelsfrei angenommene türkische Herkunft Harbs - er wiederholte mehrfach "Adnan Harb ist Krefelder und

Libanese". Hansen versetzte sich auch in die Situation des an die Rechtslage gebundenen OB, was ihm anschließend anerkennende Worte von CDU-Fraktionschef Philibert Reuters einbrachte.

Hansen bezweifelt, dass die türkische Vertretung Harb wirklich Papiere ausstellt. Als Kurde könne er dort nicht auf allzuviel Sympathie hoffen: "Was ist, wenn er auf seine libanesische Herkunft verzichtet und auch dann keinen Pass bekommt? Dann sitzt er zwischen allen Stühlen".

Stephan Hagemes (Linkspartei) erinnerte daran, dass der Oberbürgermeister sich zu Beginn seiner Amtszeit schon einmal gegen das Ausländeramt gestellt und sich für das Bleiberecht eines Flüchtlings eingesetzt habe. Dafür gebühre ihm Anerkennung.

Hagemes ermunterte Kathstede, dies erneut zu tun. Sein Fazit': "Das Handeln der Verwaltung muss mit dem Gebot der Menschenwürde vereinbar sein"

Andreas Drabben (UWG-Chef) forderte den OB unter dem Beifall der Zuschauer auf: "Handeln Sie, aber machen Sie es sofort. Noch ist es nicht zu spät". Auch die Piratenpartei stellten sich hinter den Appell für ein Bleiberecht.

CDU-Fraktionschef Philibert Reuters betonte, dass das Schicksal von Harb "dem Oberbürgermeister und den Mitarbeitern des Ausländeramts an die Nieren geht". Aber das Vorgehen der Behörde entspreche nun mal den gesetzlichen Vorgaben. Der OB habe die Duldungsfrist bereits einmal verlängert. Reuters: "Rechtlich gesehen bleibt keine Alternative".

Nach der Abstimmung blieben die Zuschauer im Saal und hofften auf konkrete Schritte. Als andere Themen auf der Tagesordnung standen, kam Enttäuschung auf. Zwischenrufe mehrten sich. Um die Lage zu beruhigen las der Oberbürgermeister dann noch einmal den mit Mehrheit veranschiedeten Appell vor.

Er sagte allerdings auch, dass er den geforderten Aufenthaltstitel nicht erwirken werde.

Als die Störungen anhielt, unterbrach er die Sitzung und zog sich zur Beratung mit der Verwaltung zurück. Dabei wurde entshcieden, die Sitzung abzubrechen.

Vor Beginn der Sitzung hatte es auf dem Theaterplatz eine Demomstrtion von mehr als 100 Unterstützern von Adnan Harb gegeben. Dabei sprach auch die Frau des in Berlin in Abschiebehaft Sitzenden. Die meisten Demonstranten kamen anschließend als Besucher zur Sitzung. Ihre Transparente durften sie mitnehmen.