Sichtlich gute Stimmung hinter Gittern - so salopp könnte man es formulieren, dabei hatte die gute Stimmung im neuen Mehrzweckgebäude der Justizvollzugsanstalt einen durchaus feierlichen Grund. Am Freitagnachmittag vergangener Woche konnte Justizminister Dr. Benjamin Limbach im Rahmen einer feierlichen Veranstaltung von Vertretern des Bau- und Liegenschaftsbetriebs des Landes Nordrhein-Westfalen (BLB NRW) den symbolischen Schlüssel des fertiggestellten ersten Bauabschnitts der Justizvollzugsanstalt Willich I entgegengenommen und konnte ihn gleich weitergeben an Florian von Gartzen, den stellvertretenden Leiter der JVA.
Seit Anfang 2021 wird in der JVA in Anrath fleißig gebaut und gewerkelt. Hintergrund ist das Justizvollzugsmodernisierungsprogramm, kurz JVmod, des Landes NRW, bei dem veraltete Haftanstalten modernisiert oder gar komplett neu gebaut werden - so aktuell auch in Anrath. Dabei teilt sich die Modernisierung der JVA Anrath in zwei Bauabschnitte, der erste wurde nun nach knapp drei Jahren fertiggestellt. „Und das im laufenden Betrieb“, wie Florian von Gartzen in seiner Ansprache betonte. Darin einbezogen auch der Umzug der 300 Inhaftierten vom Alt- in den Neubau. „Es hieß also nicht nur Kisten packen und Möbel schleppen, sondern eben auch die Inhaftierten sicher zu verlegen“, so von Gartzen.
Dies sei immer in Kleingruppen von je vier Personen geschen. „Es erinnerte ein wenig an eine Ameisenstraße“, so von Gartzen weiter.
Das Hab und Gut der Insassen sei dabei durchleuchtet worden, sie haben neue Kleidung bekommen und sind denn ihren neuen Zellen zugeführt worden. „Ich muss hier ausdrücklich die gute Arbeit der JVA-Mitarbeiter betonen, die diese Leistung an einem Tag, von 6.30 bis 23 Uhr, durchgezogen haben.“
Auch Justizminister Dr. Benjamin Limbach war vom Neubau begeistert. „Das sind die Tage, die Minister lieben“, gestand er in seiner Rede. In Anrath würde man mit dem Neubau einen großen Erfolg feiern.
„So kann das Vollzugsziel der Resozialisierung der Gefangenen bestmöglich verwirklicht werden. Der zweite Bauabschnitt steht vor der Tür und ich hoffe, dass durch das engagierte Zusammenwirken aller Beteiligten die Fortsetzung der Neubaumaßnahme bis zu ihrem Abschluss ebenso erfolgreich gelingt.“
Ihm sei durchaus bewusst, dass diese Baumaßnahme die Anwohner in den letzten Jahren sehr beansprucht habe „... darum war und ist mir ein guter Austausch mit den Anwohnern auch zukünftig wichtig“, so der Minister weiter.
Bürgermeister Christian Pakusch würdigte nicht nur den Neubau, sondern auch die Arbeit der Vollzugsbeamten. Als Praktikant in der JVA konnte er sich einen guten Einblick verschaffen, nachdem er zu seinem 40. Geburtstag quasi in Handschellen abgeführt wurde. „Mir ist bewusst, dass die Arbeit weitaus mehr ist also nur ein Quietschentschen bei einer Zellendurchsuchung finden, wie es in meinem Praktikum der Fall war.“ Pakusch schätze die 800-Millionen-Euro Investition für die JVA in Willich und unterstrich, dass die Stadt auch weiterhin verlässlicher Partner für die JVA bleibt.
Zufrieden über den erfolgreichen Neubau zeigten sich auch Gabriele Willems, Geschäftsführerin des BLB, und Markus Vieth als Technischer Niederlassungsleiter des BLB. „Den Zustand einer Gesellschaft erkenne man am Zustand seiner Gefägnisse“, zitierte Willems verkürzt den Philosphen Voltaire in ihrer Ansprache. Sie lobte den modernen Neubau und blickte mit Vorfreude auch auf die Fertigstellung des zweiten Bauabschnittes. Hier setzte auch Markus Vieth an: „Nach der Schlüsselübergabe ist vor dem zweiten Bauabschnitt“, sagte er. „Wir sind in der ersten Halbzeit. Es ist immer noch eine große Herausforderung“, so Vieth weiter. Anfang 2025 wird mit dem Abriss des alten
Haftgebäudes für Männer und gleichzeitig mit dem Neubau des Hafthauses zwei begonnen.
Die im Jahr 1903 in Betrieb genommene JVA Willich I dient als Anstalt des geschlossenen Vollzugs für männliche, erwachsene Untersuchungs- und Strafgefangene. Die Anstalt ist zugleich auch eines von insgesamt sechs „Familien-Schwerpunktzentren“ des nordrhein-westfälischen Justizvollzugs, in denen vielfältige Maßnahmen einer familiensensiblen Vollzugsgestaltung erprobt und durchgeführt werden.
Die JVA Willich I ist mit der organisatorisch selbstständigen Justizvollzugsanstalt Willich II (Frauenvollzug) von einer gemeinsamen Mauer umfasst und über ein gemeinsames Pfortengebäude zugänglich.