Über fünf Jahre haben Ulrike Franke und Michael Loeken Planung und Konstruktion des Phoenix-Sees begleitet, inklusive Ortstermin mit Schulklasse: „Warum macht ihr denn überhaupt einen See hierhin?“ Gut gefragt.
„Göttliche Lage“ gehört zu einem der klassischen Dokumentarfilm-Genres, der Langzeitbeobachtung; Dokumentarfilm als Archiv, in dem festgehalten ist, was war und was daraus wurde und wie.
Verstärkt gehe aber der Dokumentarfilm an „seine Ränder“, so Werner Ruzicka, es entstünden Filme, die man vor zehn Jahren wohl noch nicht als Dokumentarfilme bezeichnet hätte. Zwei Richtungen ließen sich dabei im diesjährigen Programm ausmachen: die Wirklichkeit quasi als Möglichkeitsform, sprich Filme, die zeigen, dass die Realität auch anders sein könnte, dass die Verhältnisse veränderbar sind. Und zweitens sei da in vielen Filmen so etwas wie ein „magischer Realismus“. Gezeigt wird eine gewohnte Realität, und plötzlich ist da was, das da nicht hinpasst. „Es findet eine Verzauberung der Realität statt“, sagt Ruzicka.
Eher zur ersten Gruppe gehört „Wem gehört die Stadt – Bürger in Bewegung“ am Dienstag um 10 Uhr. Anna Ditges bietet am Beispiel eines Investorenprojekts in Köln-Ehrenfeld quasi die Innensicht aus einem Konflikt zwischen Bürgern, Wirtschaft und Politik. Mit überraschendem Ausgang.
Um 13 Uhr reist Volker Koepp „In Sarmatien“. Der Filmemacher, der seit Jahren elegische filme aus ehemals deutschen Ostgebieten in Duisburg zeigt, zeigt in seinem neuen Film, einer Reise von der Kurischen Nehrung bis ans Schwarze Meer, wie viel Sprengstoff im Europa östlich der Elbe noch vorhanden ist. „Die historischen Geröllhaufen glühen noch“, beschreibt Werner Ruzicka, und der Ukraine-Konflikt scheint das zu bestätigen.
Um 21 Uhr erzählt Bernd Schoch in „Kurze Ecke“ vom Verschwinden – der Gäste der gleichnamigen Eckkneipe auf Hamburg-St. Pauli. Allein dreimal sei sie in letzter Zeit auf Beerdigungen gewesen, erzählt die Wirtin. „Es stirbt etwas aus“, beschreibt Filmwochen-Pressesprecher Christian Lailach und versteht den Film auch als „Ermahnung und Ermunterung, sich doch mal wieder ein Herrengedeck zu bestellen.“
Der Mittwoch beginnt um 10 Uhr mit einem außergewöhnlichen Menschen, einem „Gollum“. „Der Unfertige“ von Jan Soldat: Klaus, 60 Jahre alt, schwul und gerne Sklave. Und in der evangelischen Gemeinde engagiert.
In „Souvenir“ um 14 Uhr begleitet André Siegers einen SPD-Europawahlkandidaten auf Wahlkampftour. Dieser Dr. Alfred Diebold will sein Leben im Dokumentarfilm aufbewahren, vielleicht auch retten, vielleicht adeln. „Der Zuschauer muss entscheiden, ob das nicht manchmal schon Realsatire ist“, so Ruzicka.
„Padrone e sotto“ (16.30 Uhr), zu Deutsch „Herr und Knecht“, zeigt Männer beim gleichnamigen Kartenspiel. Michele Cirigliano hat sie in dem süditalienischen Ort gefunden, in dem er aufgewachsen ist. Was ist den Menschen dort geblieben? Was ist Spiel, was Wirklichkeit? Da gewinnen kleinste Dinge an Bedeutung. Magischer Realismus.
Den gibt es auch um 22.30 Uhr in „Heimsuchung“ von Henrike Meyer. Die Zeit vor und nach dem Tod der Großmutter der Filmemacherin, die Rückkehr ins elterliche Haus, wo sie zuletzt gelebt hat, das alles sind Kreise um ein „Furchtzentrum“, wie die Filmemacherin schreibt. Der magische Realismus, das sind hier die Vorstellungs-Orte der Sehnsucht, an die man vor der geordneten Wirklichkeit fliehen kann.
Was es in der zweiten Wochenhälfte am Vorstellungsort filmforum zwischen geordneter Realität und Sehnsucht zu sehen gibt, davon demnächst mehr hier und im nächsten stadt-panorama.