Duisburg leuchtet eine Woche lang als Hauptstadt des deutschsprachigen Dokumentarfilms 27-mal Wirklichkeit im Brennglas

DUISBURG · Immer wenn der November beginnt, der mieseste Monat des Jahres mit früher Dunkelheit und ständig Regen, dann heißt es: „Nach innen geht der geheimnisvolle Weg.“

Oder zumindest nach drinnen. Dass dabei die Wirklichkeit trotzdem nicht völlig aus dem Blick gerät, dafür sorgt das Fernsehprogramm schon längst nicht mehr. Und deshalb ist Anfang November Zeit für die Duisburger Filmwoche, zum 38. Mal vom 3. bis 9. November.

Der November ist auch der Totenmonat, und das lastet besonders schwer auf dem diesjährigen Festival. Mit Peter Liechti, Michael Glawogger und Harun Farocki starben in den letzten zwölf Monaten drei der bedeutendsten Dokumentarfilmer der Gegenwart, die der Filmwoche eng verbunden waren; alle ihrer wichtigen Filme liefen hier. „Der Verlust ist noch nicht zu ermessen“, schreibt Festivalleiter Werner Ruzicka; die diesjährige Filmwoche ist den drei Filmemachern gewidmet. Im Grammatikoff werden fotografische Arbeiten von Michael Glawogger ausgestellt; am Samstag, 8. November, werden nach der Preisverleihung, um 21 Uhr, zwei kurze Filme von Harun Farocki gezeigt; am Sonntag, 9. November, gibt es um 11 Uhr ein Frühstück mit Lesung aus Peter Liechtis Buch „Klartext. Fragen an meine Eltern“. „Vaters Garten – Die Liebe meiner Eltern“ war Leichtis letzter Film, vergangenes Jahr auf der Filmwoche, der schwer kranke Filmemacher hatte damals schon nicht mehr zu Vorführung und Diskussion nach Duisburg kommen können.

Doch waren die letzten zwölf Monate auch eine besonders produktive Zeit: „Wir hätten aus den Einreichungen dieses Jahres zwei Filmwochen zusammenstellen können“, so Werner Ruzicka. Hat er aber nicht, sondern mit seiner Sichtungskommission 27 beispielhafte, thematisch teils weit auseinanderliegende Filme ausgewählt, die von Montag bis Samstag (plus Wiederholung ausgewählter Preisträgerfilme am Sonntag) von 10 Uhr morgens bis Mitternacht, im Filmforum gezeigt werden . Nacheinander und mit der nötigen Zeit, um im Anschluss an jede Vorführung mit den Filmemachern über die Filme zu diskutieren.

Filmemacher und Interessierte aus ganz Deutschland, Österreich und der Schweiz werden wieder am Festival des deutschsprachigen Dokumentarfilms teilnehmen. Es ist die letzte Veranstaltung, nach der mehr als blamablen „Totlast“-Absage, mit der Duisburg überregional und sogar international kulturell leuchtet. Zwar hat mittlerweile jedes Dorf sein Filmfestival, aber die Auswahl und Konzentration, der Blick dafür, was wesentlich, was neu ist, Raum, Zeit und Lust, darüber zu reden und zu streiten, damit am Ende im Idealfall alles „gut gedeutet“ ist – das gibt es so nur bei der Duisburger Filmwoche.

(Niederrhein Verlag GmbH)