Der Bürgermeister und die Fraktionsvorsitzenden haben diese Woche sowohl von der Niederrheinischen IHK als auch vom Werbering Post bekommen. Der Inhalt: Verkehrsversuch absagen, Parkplätze erhalten, neues ausgewogenes Konzept mit allen Beteiligten überlegen. Begründung: Die Existenz der Geschäfte stünde aufgrund der schlechteren Erreichbarkeit auf dem Spiel. „Einmal verlorene Kunden kommen so schnell nicht wieder“, sagt Dr. Stefan Dietzfelbinger, IHK-Hauptgeschäftsführer, und ergänzt: „Es ist nicht zu akzeptieren, dass die Einzelhändler dauerhaft Kunden verlieren, nur weil die Verwaltung etwas ausprobiert. Wir brauchen ein ausgewogenes Konzept und klare Kriterien zur Bewertung. Ohne die Beteiligung der Unternehmen geht es nicht.“
Dass die Unternehmen nicht in die Planungen des Versuches einbezogen worden wären, habe auf der gut besuchten Mitgliederversammlung des Werberings für Ärger und Unverständnis gesorgt. In Unkenntnis der Situation vor Ort seien Fakten geschaffen worden, die erhebliche Probleme der betroffenen Unternehmen in Kauf nehmen würden. „Einige Geschäfte könnten nicht einmal mehr legal mit Ware beliefert werden. Es widerspricht der Arbeitssicherheit, wenn schwere Paletten per Hubwagen lange Strecken zwischen Passanten oder Fahrzeugen bewegt werden müssten“, schreibt der Werbering in seinem Brandbrief. Einige Geschäfte bieten zudem Waren an, die vom Kunden nur mit dem Auto sinnvoll transportiert werden könnten. Manch ein Unternehmer würde daher bereits jetzt den Standort Vluyn in Frage stellen. Und vermehrte Leerstände gelte es im Interesse des ganzen Stadtteils zu vermeiden: Wie lange es dauert und wie mühsam es ist, ein wenig Leben zurück in einen Ort zu bringen, könne jeder am Beispiel Neukirchen nachvollziehen.
„Der Werbering als Verband ebenso wie die Geschäftsleute in Vluyn sind gerne bereit, aktiv und konstruktiv an einer Verkehrslösung der Zukunft mitzuwirken, die allen Verkehrsteilnehmern besser gerecht wird“, heißt es weiter. Und der Werbering hat seine Hausaufgaben gemacht und ein fünfseitiges Dokument mit Einordnungen und Vorschlägen dem Schreiben angehangen.
Die Wichtigkeit Vluyns als kleines, vitales Einzelhandels- und Dienstleistungszentrum, das sich in ständiger Konkurrenz zu größeren umliegenden Zentren und dem Online-Handel durchsetzen muss, wird betont. Die sehr gute Erreichbarkeit mit dem Auto sei ein entscheidender Faktor. Eine Verbesserung der Situation für alle nicht motorisierten Verkehrsteilnehmer sei absolut wünschenswert, aber nicht „indem Autofahrer vergrämt werden“ und dann andere, weiter entfernte Ziele ansteuern: „Wer Klimaschutz verwirklichen möchte, braucht zwingend wohnortnahe Einkaufs- und Dienstleistungsangebote.“ Vergleiche zu anderen Städte seien nicht angebracht: „Wir müssen also Lösungen finden, die zu unserer Situation vor Ort passen – und Grenzen anerkennen.“ Wie viele Kunden die 30 Parkplätze, die sich noch auf der Fahrbahn befinden, in der Spitze bedeuten könnten, hat der Werbering auch schon ausgerechnet: 30 Parkplätze * 0,5 h Durchschnitts-Parkzeit [Schätzung] * 9 Stunden Öffnung = 540 Kunden pro Tag!
Vorteile für die Radfahrer werden angezweifelt: Die Niederrheinallee bleibe eine Hauptdurchgangsstraße, wo auch LKWs, Busse oder Erntefahrzeuge fahren, der Wegfall der Parkplätze werde wohl zu einer höheren Durchfahrtsgeschwindigkeit führen. Das geplante Überholverbot würde für alle Verkehrsteilnehmer Stress bedeuten. Der Schluss: Das aktuelle Konzept kenne wohl hauptsächlich Verlierer: Radfahrer, Autofahrer und die Wirtschaft.
Eine Lösung könnte ein Shared-Space sein, der die Aufenthaltsqualität im Stadtteil erheblich steigern könnte: „Für die Zukunft bietet sich hierbei größere Flexibilität für schrittweise Nutzungsanpassungen, da die strenge Teilung der einzelnen Verkehrsarten und damit die Flächenkonkurrenz geringer wird. Alternativ könnten Fahrrad-Bypässe konzipiert und/oder auf der Niederrheinallee zusätzliche, verkehrsbremsende Maßnahmen umgesetzt werden“, heißt es im Fazit. Dass eine neue Verkehrslösung her muss, sei jedem bewusst, sie müsse halt nur erheblich besser sein als die aktuell diskutierten Pläne.