Die Unterkunft am Hugengraben hat Kapazitäten für 75 Personen und ist voll ausgelastet. Besonders da nur eines der drei Häuser zur Verfügung steht. Die Max-von-Schenkendorf-Straße 10 und 12 sind jeweils für 30 Personen geeignet. Nach dem Brand am vergangenen Dienstag ist Nummer 12 jedoch vorläufig nicht bewohnbar, die Bewohner mussten auf andere Standorte verteilt werden. Das Feuer legte ein Mann, nachdem es Streit mit einem Mitbewohner gegeben hatte. "Eine menschliche Verfehlung", so Bürgermeister Harald Lenßen, der sich erleichtert zeigte, dass niemand zu schaden kam, aber auch dass es sich nicht um einen fremdenfeindlichen Akt handelte. Weiterhin bieten angemietete Wohnungen (u.a. an der ehemaligen Vluyner Feuerwehr) Platz für bis zu 48 Personen. Doch die Zuweisungen steigen weiter stark an. Zum Vergleich: Im Dezember 2013 lebten 80 Flüchtlinge in der Stadt, ein Jahr später sind es bereits 132. Ende des Jahres rechnet man mit 210. "In der Spitze könnten es sogar 300 werden", berichtet Jörg Geulmann, 1. Beigeordneter, am Mittwochabend auf der Infoveranstaltung zur geplanten Anmietung eines CJD-Gebäudes, welches an der Wiesfurthstraße Platz für 60 bis 70 Flüchtlinge bieten soll. Nachdem die Dörpfeldschule erst im Juni/Juli bezugsfertig sein wird (wir berichteten), musste schnell eine Idee für vorher nutzbaren Wohnraum her.
Die prognostizierten Flüchtlingszuweisungen zwingen die Stadt Neukirchen-Vluyn, neuen Wohnraum zu schaffen. Daher wurde kürzlich beschlossen, sich um die Anmietung des CJD-Gebäudes Nr. 9 an der Wiesfurthstraße zu bemühen. Auf einer Bürgerinfoveranstaltung im Sport-und Freizeitzentrum Klingerhuf präsentierte die Stadt und das Diakonische Werk Kirchenkreis Moers nun gemeinsam die Pläne und lud im Anschluss zur Fragerunde ein.
Geplant ist die Anmietung des CJD-Gebäudes Nr. 9. Aufgrund seiner vorherigen Nutzung als Wohnraum und einer noch nicht zu lange zurückliegenden Sanierung sind die baulichen Voraussetzungen bereits vorhanden und die Kosten der Anpassung an den Standard eines Flüchtlingsheims beliefen sich "nur auf 10.000 bis 15.000 Euro", so Guido Banasch vom Hochbauamt. Zimmer befinden sich im Erd- sowie im Obergeschoss, sie sind zwischen 10 und 16 qm groß. Insgesamt sei das Gebäude für 60 Personen (Regelbelegung nach Ratsbeschluss) geeignet.
Auch Gruppenräume mit Küchenecken stehen zur Verfügung. Feuerlöscher, Rauchmelder und Fluchtwegkennzeichnung müssen noch angebracht werden, die Türen werden auf Rauchdichtheit überprüft und auf jeder Etage sollen nach Geschlechter getrennte Toilettenräume entstehen. "Hier schauen wir, wie viel Porzellan ausgetauscht werden muss, daher ist die Kostenveranschlagung sehr flexibel gehalten", erklärt Banasch. Der Sportplatz soll als Nutzfläche zur Verfügung stehen. Über den Mietzins gibt Bürgermeister Harald Lenßen keine Auskunft, dass gehöre "in den nicht öffentlich Bereich." Die Verhandlungen laufen noch, jetzt gelte es die Vorstellung von CJD und Stadt abzugleichen. "Wir sind für eine offene Gestaltung des Bereiches, können uns aber auch vorstellen, das Gebäude mit Bauzäunen von den anderen Gebäude auf dem Gelände abzuschirmen - je nachdem, was das CJD für den Bereich plant. Wenn es keine Einigung gibt, gibt es keine Anmietung. Aber ich bin sehr zuversichtlich, dass wir hier überein kommen." Im Mai soll das Haus bezugsfertig sein und sich die Wohnraumsituation entspannen. Kommt noch die Dörpfeldschule hinzu sieht man sich gut aufgestellt - zumindest für ein paar Monate. Was dann komme, ließe sich schwer voraussagen. Doch mit der Zurverfügungstellung von Wohnraum ist es nicht getan. Eine "Willkommenskultur als Ausdruck gesellschaftlicher Offenheit und Akzeptanz" ist der Leitgedanke, den Jörg Geulmann dem Publikum vorstellt. Die Herausforderung liege daher auch darin, ordentlichen Wohnraum zur Verfügung zu stellen und wenn es geht, eine sozial verträgliche Aufteilung der Flüchtlinge auf die zur Verfügung stehenden Standorte zu erreichen.
Gerne hätte man hier eine dezentrale Lösung mit kleineren Wohneinheiten, aber auf den Aufruf der Stadt, in dem nach privatem Wohnraum zur Anmietung gefragt wurde, reagierte niemand: "Leider ist es schwierig an einzelne Wohnungen für die Unterbringung zu kommen. Die Vermieter wollen woher sehen, wer reinkommt, aber das ist nicht möglich. Wir erfahren selbst im besten Falle erst drei bis vier Tage vorher, dass neue Asylbewerber kommen", erklärt Geulmann die schwierige Situation.
Bei der anschließenden Fragerunde wird klar, dass die Anwohner die Stadt in der Pflicht sehen, eine für alle zufriedenstellende Situation zu schaffen. Die meisten Anwesenden scheinen kein Problem mit dem Zuzug von Flüchtlingen zu haben, einige sind skeptisch, ob das CJD-Gebäude die richtige Wahl sei, weil es "nicht für 60 Personen reiche". Einig ist man sich darüber, dass man die zugewiesenen Flüchtlinge nicht sich selbst überlassen kann. "Sie müssen an die Hand genommen werden", weiß auch Bürgermeister Harald Lenßen, "dazu haben wir ein engmaschiges Betreuungssystem aufgebaut." Zu diesem zählen die hauptamtliche Betreuung durch das Diakonische Werk, die Arbeit der zahlreichen Ehrenamtler sowie die zuständigen Ämter im Rathaus. Ein Hausmeister wird sich um die Standorte kümmern, außerdem soll eine zusätzliche Stelle "Koordinator der Flüchtlingsangelegenheiten" im Treff 55 geschaffen werden. Uneinig ist man sich darüber, ob das reicht, was sei nach Feierabend? "Die Flüchtlinge sind angewiesen sich bei Problemen an die Polizei zu wenden, so wie es alle anderen auch tun würden", erklärt Anneke van der Veen vom Treff 55.
Befürchtungen, die die Besetzung der anderen CJD-Gedäude oder Vandalismus betreffen, versuchen die Vertreter der Stadt zu entkräften: Erfahrungen an anderen Standorten würden zeigen, dass es kaum Vorkommnisse gebe. Außerdem baue man auf die Selbstklärung in der Gesellschaft innerhalb der Unterkünfte, aber auch auf die persönliche Ansprache durch die Anwohner, falls es mal zu Fehlverhalten kommen sollte.
"Wir sollten das CJD-Gebäude annehmen und die Entwicklung abwarten. Aber wir sind uns sicher, dass wir das gut im Griff haben", so der Bürgermeister zum Abschluss.