Arthur Millers Stück "Hexenjagd", das im Jahr 1692 im heutigen US-Bundesstaat Massachusetts spielt, zeigt in beängstigen Sequenzen was passiert, wenn religiöser Wahn, übersteigertes Geltungsbedürfnis und Machtinteressen zusammen kommen. Dabei hat alles mit jugendlichem Überschwang begonnen. Die Tochter des Ortspfarrers hatte zusammen mit anderen Mädchen nachts im Wald getanzt und sich wohl auch über einige kirchlich-dörfliche Rituale lustig gemacht. Ob ein paar der Mädchen möglicherweise beim Tanz sogar nackt waren, bleibt im Dickicht von Anschuldigungen, vehementem Bestreiten und "schicklichem" Drumrumredens unklar.
Sicher ist jedoch, dass die Mädchen bei ihrer Tat erwischt werden. Und sie wissen, dass ihr Tun bei den vorherrschenden Verhaltensregeln schwer bestraft werden kann. Also tun sie so, als würden sie schwer krank, lange Zeit ohnmächtig: Letztendlich beschuldigen sie andere Dorfbewohner, dass diese sie zu diesem frevelhaften Tun angestiftet haben. In dem religiösen Umfeld der Zeit entstehen schnell Gerüchte über Hexerei und Teufelsanbetung.
Miller bezieht sich bei seinem Stück auf geschichtliche Tatsachen: Die Bewohner Salems hatten ihre Wurzeln bei den englischen Puritanern und die glaubten, dass das Leben kein Vergnügen, sondern harte Arbeit war. Folglich waren alle Vergnügungen wie Feiern, Tanzen oder Romanlektüre verboten. Die geschichtlichen Fakten belegen, dass 150 bis 300 Personen verhaftet wurden, 30 davon zum Tode verurteilt. 19 wurden gehängt, einer zu Tode gefoltert, vier starben im Gefängnis (Wikipedia).
Und auch auf der Waldorf-Bühne findet das grausame Spiel um Aberglaube, Religion, Lüge, Ehre und Macht kein gutes Ende. Der Klassiker des 20. Jahrhunderts, den Miller als seinen Kommentar zur Kommunistenjagd in der McCarthy-Ära verstanden wissen wollte, bekommt vor dem Hintergrund der heutigen Nachrichtenlage eine beängstigende Aktualität: Da werden zum Beispiel im Nahen Osten Kulturgüter der Menschheit zerstört, weil sie dem einzig wahren Glauben im Wege stehen, da werden Menschen ausgegrenzt, weil sie ein Kopftuch tragen wollen, da werden Gläubige unterschiedlichster Religionen vertrieben oder gar niedergemetzelt.
So wirft die Neuinszenierung von "Hexenjagd" durch die Klasse 12 der Freien Waldorfschule Dinslaken unter der Leitung des Regisseurs und Schauspielers Carl-Herbert Braun indirekt Fragen auf, die längst nicht nur geschichtliche Aspekte berücksichtigen. Die Aufführungen finden in der Aula der Schule an der Dinslakener Eppinkstraße 173 statt. Der Eintritt ist frei, alle interessierten Gäste sind willkommen.