Das Video, das der Leitende Polizeidirektor und derzeitige Behördenleiter Jörg Schalk zu Beginn des Pressetermins vorführt, ist kurz und schockierend: Man sieht eine Auseinandersetzung zwischen jungen Männern, Provokation, Drohgebärden mit dem Messer, plötzlich erwischt es einen am Hals. Blut spritzt, der Mann sackt zusammen, fällt in eine gewaltige Blutlache...
Kein Krimi, das ist Realität, wenn auch nicht in Mönchengladbach gefilmt. „Der Mann ist an der Verletzung gestorben“, erklärt Schalk. Messer seien keineswegs, wie von Messerbesitzern oft als Grund angegeben, ein Mittel zur Selbstverteidigung. Sie sind hochgefährlich, weil sie schnell gegen den Besitzer selbst eingesetzt werden. Und: „Wenn führende Blutgefäße verletzt werden und das nicht in kürzester Zeit medizinisch versorgt wird, ist man tot!“
Bilder, die den „nackten Fakten“, Messergewalt betreffend, ein blutiges Gesicht verleihen. In NRW gab es 2022 2 479 Fälle von Messergewalt im öffentlichen Raum, 2023 waren es 3 536. In Mönchengladbach ist die Zahl im selben Zeitraum von 37 auf 48 Fälle gestiegen. Was in Solingen passiert ist, könnte überall passieren. Auf der Rheydter Kirmes etwa, wo es bereits vor zwei Jahren schwere Ausschreitungen gegeben hat.
Das Polizeipräsidium Mönchengladbach will nun entschieden und gezielt dagegen ansteuern – mit nochmals erhöhter Präsenz, strategischer Fahndung, Videobeobachtung, Messertrageverboten, Personenkontrollen, Gefährderansprachen, Prävention...
Bei ihren Maßnahmen orientiert sich die Mönchengladbacher Polizei am Zehn-Punkte-Plan der NRW-Landesregierung, den Innenminister Herbert Reul Ende August vorgestellt hat.
Das Einrichten von Waffenverbotszonen in Mönchengladbach lässt sich dabei bislang nicht umsetzen, denn noch sind es Einzeltaten, mal in der Rheydter Innenstadt, mal in der Altstadt, mal am Platz der Republik, ein Raub hier, eine Bedrohung mit dem Messer dort, aber auch mal gefährliche Körperverletzung. Noch gebe es in keinem Bereich der Stadt Entwicklungen, die eine Waffenverbotszone rechtfertigen würden, so Schalk, aber die Stadt prüfe fortwährend die Lage an den Brennpunkten.
Eine wichtige Maßnahme ist die strategische Fahndung. Dabei können Personen anlassbezogen angehalten, ihre Identität festgestellt und ihr Fahrzeug sowie ihre Taschen kontrolliert werden. Selektive Messerkontrollen finden bereits an diesem Wochenende auf der Rheydter Kirmes statt. Auch setzt die Polizei dort wieder zwei mobile Videokameras an der Straße Gracht sowie an der Limitenstraße ein. Diese werden live beobachtet und bewertet, so dass bei Bedarf umgehend eingegriffen werden kann.
Bereits umgesetzt werden Messertrageverbote. Straftätern, die bei ihrer Tat Messer eingesetzt haben, kann verboten werden, Messer jeglicher Art oder andere gefährliche Gegenstände mit sich zu führen. Das sind in Mönchengladbach bereits vier Personen, zwei weitere Fälle werden noch geprüft. Tragen diese Täter trotz des Verbots ein Messer bei sich, droht ein Zwangsgeld von 250 Euro, bei Nichtbezahlen eine Erzwingungshaft.
Zusätzlich zu diesen Maßnahmen setzt die Polizei Mönchengladbach auf Prävention. So informiert sie an Info-Ständen auf der Rheydter Kirmes und am Tag der Zivilcourage am 19. September auf dem Sonnenhausplatz und dem Rheydter Markt unter anderem über richtiges Reagieren bei Messergewalt – „schnell auf Abstand und 110 wählen!“, wie Sabine Pesch von der Fachdienststelle für Kriminalprävention und Opferschutz rät. Aber die Polizei verteilt zum Beispiel auch an die Kampagne „Besser ohne Messer“ vom NRW-Innenministerium angelehnte Flyer in verschiedenen Sprachen in Flüchtlingsunterkünften. Dass neben der „Zielgruppe“ „jung und männlich“ gerade die „Zielgruppe“ „nicht-deutsch“ im Fokus von Kontrollen wie auch Prävention steht, liegt am Anteil dieser Bevölkerungsgruppe an Straftaten mit Messern. Mehr als jeder Dritte Tatverdächtige ist nicht-deutsch.
Was die Maßnahmen bringen, wird sich zeigen. „Wir haben noch keine Erfahrungswerte“, erklärt Schalk. Was die Rheydter Kirmes angeht, gibt er sich auch wegen der hohen Präsenz im Vorfeld zuversichtlich. „Die Polizei ist in einer Anzahl vor Ort, die uns ruhig auf die Kirmes blicken lässt.“