Theater: Rausch aus Bildern und Musik

Krefeld · Das Krefelder Ballett und die Niederrheinischen Sinfoniker gestalten gemeinsam einen rauschenden Theaterabend. Der Stadtspiegel besuchte am Sonntag die Premiere.

Flieger, grüß mir die Sonne: Herren in blau-roten Uniformen, Damen mit Eiffeltürmchen auf dem Kopf und Spitzenkleidchen bilden eine Pyramide, die das menschliche Flugzeug kindlich spielend umkreist. Bunt, fantasievoll und sogar akrobatisch geht es zu im aktuellen Ballett des Krefelder Stadttheaters.

Foto: Stutte

Jaques Offenbach ist sprachlos. Mit offenem Mund steht der Komponist beschwingter Operetten des 19. Jahrhunderts im Atelier des Moderne -Malers Picasso. Ungläubig starrt er auf ein merkwürdiges Gemälde: abstrakt! Sieht so die Zukunft der Kunst aus?

Die Zuschauer des Ballett-Abends „Petruschka / Offenbach“ im Krefelder Stadttheater wissen bereits die Antwort. Denn der erste Teil des Abends unter dem Titel „Petruschka“ hat sie an der Geburt der Moderne teilnehmen lassen. Die gemalte Kulisse zeigt einen verzerrten Großstadtschungel. Die Musik von Igor Strawinsky (1882 - 1971) ist hektisch und sperrig. Ebenso agieren die Tänzer, spielen und diskutieren tonlos miteinander. Die Wirkung gleicht der eines expressionistischen Stummfilms der 20er Jahre mit scheppernder Begleitmusik.

Ganz anders der zweite Teil mit Namen „Offenbach“. Ein Vorhang in rotem Samt, viele Kerzenständer und vor allem die lieblichen Melodien des Operettenkönigs versetzen das Publikum in die Romantik einer träumerischen, längst verflossenen Epoche.

So sind es denn die Brüche in der Zeit, die im Mittelpunkt dieses Ballettabends stehen.

Die Art und Weise, wie Choreograph Robert North mit seiner Krefelder Compagnie die Szenerien umsetzt, löste beim Premierenpublikum Begeisterung aus.

Die Petruschka-Geschichte Strawinskys hat er modernisiert. Ein Anzugträger mit dunkler Brille verfolgt den Titelhelden in weißer Zwangsjacke. Anspielung auf die Dissidentenjagd im modernen Russland.

Im Offenbach-Teil erscheint der Vertreter des 19. Jahrhunderts als alter Herr. Staunend wagt er den Blick in eine neue Epoche, sieht einen Bilderbogen quirligen Lebens: Picassos Harlekins tanzen ausgelassen ihre Freude aus, eine Mann-Frau- Skulptur Rhodins erwacht zum erotischen Spiel, ein menschliches Flugzeug umrundet ein uniformiertes Chorensemble.

Die Kostüme sprühen vor Fantasie, atmen den Blümchenstil der frühen Jahre. Die Kulisse besticht durch knallige Farben und ständige Veränderung. Entscheidend aber ist die Musik: Dirigent Alexander Steinitz und die Niederrheinischen Sinfoniker im Orchestergraben intonieren die flotten Offenbach-Melodien mit einer Lust, dass das Publikum während der Nummern mitklatscht. Höhepunkt ist der freche Can-Can, der das Publikum buchstäblich von den Stühlen reißt.

Am Schluss spendete das Premierenpublikum seinen tosenden Beifall sogar stehend. Dank für einen Ballettabend, der ein wahrer Schmaus für Augen und Ohren ist.

Weitere Vorstellungen: 18. und 23. Dezember; 12. und 23. (18 Uhr) Januar; 7. Februar (16 Uhr) sowie eine Zusatzvorstellung im März. Beginn: 19.30 Uhr.

Karten an der Theaterkasse, Tel.: 02151/ 805-125

(StadtSpiegel)