"Schwimmer ziehen Schiff" Ruhrorter Hafenfest greift nach dem Weltrekord

Ruhrort · Am Hafenfestsamstag greift Ruhrort nach dem Weltrekord: Wasserballer vom ASCD und dem DSV 98 und Unterwasserrugbyspieler vom DSSC wollen einen neuen Weltrekord in "Schwimmer ziehen Schiff" aufstellen. Es gilt, ein 350 Tonnen schweres Schiff nur durch Muskelkraft in Bewegung zu setzen.

Sie präsentierten den Weltrekordversuch „Schwimmer ziehen Schiff“ an Bord der Oscar Huber (v.l.): Paul Backhaus, Hülskens, Gaby Elsenpeter und Paul Schüler vom ASCD, Dirk Grotstollen und Stella Tarala, Ruhrorter Bürgerverein, Jürgen Bundesmann vom DSSC und Christian Wirtz von der DLRG, der jetzt schon das Wasser sicher im Blick hat.

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Zehn Plätze für Mitschwimmer sind noch zu vergeben.

"Ihr seid verrückt, aber wir unterstützen Euch." Diesen Satz hat Dirk Grotstollen in letzter Zeit häufiger gehört. Denn der Vorsitzende des Ruhrorter Bürgervereins, der den Weltrekordversuch ausrichtet, braucht dafür viele Unterstützer. Und zum Beispiel ein Schiff.

Die Schwimmer waren sofort dabei. Beim letzten Ruhrorter Hafenfest gab's den Testlauf mit einem kleinen Proviantboot, keine zehn Tonnen schwer. "Das war nicht alltäglich, das hat Spaß gemacht", sagt Wasserballbundesligaspieler Paul Schüler vom ASCD, der dabei war und wie seine Mannschaftskameraden sofort zugesagt hat, als jetzt der Weltrekordversuch angesetzt wurde. "Wir gehen da rein und ziehen das!"

Das ist ein Schiff mit dem schnöden Namen MS 108, das normalerweise am Homberger Ort den ausgebaggerten Kies und Sand wegschleppt; die Firma Hülskens stellt es für den Rekordversuch zur Verfügung. 190 Tonnen Leergewicht hat das Schiff laut Eichbrief, am Samstag, 28. Juli, werden dann 160 Tonnen Wasser zugepumpt. 330 Tonnen schwer war das Dampfschiff "Gallia", das 2013 von 75 Schwimmern 100 Meter über den Vierwaldstättersee gezogen wurde — der erste, bis heute bestehende Weltrekord (bei Youtube gibt es ein Video davon). "Wir könnten das Schiff auch nur 331 Tonnen schwer machen", erklärt Grotstollen, "aber wir wollten auf der sicheren Seite sein." Vor und nach dem Rekordversuch muss nämlich gerechnet werden. Weil es zu teuer wäre, einen Gutachter von Guinness World Records nach Ruhrort kommen zu lassen, wird stattdessen ein Schiffssachverständiger aus Ruhrort den Versuch überwachen und anschließend einen Bericht nach London schicken, zusammen mit Beweisfotos und -videos.

Die Aufgabenstellung ist eigentlich simpel: Ein Schiff muss allein durch Muskelkraft bewegt werden. Wie weit, ist egal, wie schnell auch, nur muss es eben schwerer sein als beim bisherigen Weltrekord. "Wir hätten es auch 700 Tonnen schwer machen können", sagt Ingenieur Paul Backhaus vom Schiffseigner Hülskens. "Aber wir wollen ja noch Luft nach oben lassen", sagt Dirk Grotstollen. 340 Kilowatt hat der Motor, der das 48 Meter lange Schiff normalerweise antreibt. Doch alle Beteiligten sind zuversichtlich, dass es klappt.

Da der Versuch im Hafenmund unternommen wird, gibt es keine störende (oder unterstützende) Strömung, auch Wind dürfte keine Rolle spielen, da er hier meist aus Richtung Südwest, also von Homberg her kommt — und der Rhein führt derzeit so wenig Wasser, die Wasseroberfläche also liegt so tief, dass die Mercatorinsel wie ein Deich gegen Seitenwinde wirkt. Für den ganz seltenen Fall, dass der Wind aus nördlicher Richtung kommt, würde von der Oscar Huber aus in Richtung Ruhrorter Pegel gezogen (um sich nicht den Vorwurf Rückenwind einzuhandeln), wahrscheinlich aber vom Pegel aus Richtung Oscar Huber. "100 Meter wollen wir schaffen", so Dirk Grotstollen. Wie lange es dauert, bis sich das Schiff in Bewegung setzt, spielt auch keine Rolle. "Aber wenn wir's in einer Stunde nicht schaffen, ist es unwahrscheinlich, dass wir es nach drei Stunden schaffen", lacht Paul Schüler. "Wahrscheinlich sind wir nach einer halben Stunde schon wieder ausm Wasser raus", so Grotstollen, der ebenfalls mitschwimmt. Allzu lange sollte es tatsächlich nicht dauern, denn Hafenkapitän Mario Adams wird für den Weltrekord extra die Berufsschifffahrt im Hafenmund anhalten.

Nachdem sich der Schiffssachverständige vom ordnungsgemäßen Zustand des Ziehungsgeräts überzeugt hat — ob laut Wasseruhr die nötige Zulast getankt wurde,der Anker gelichtet, der Motor aus (und kein Rückwärtsgang eingelgt) ist usw.; der Sachverständige wird mit zwei Schiffsführern an Bord der MS 108 sein — gehen die 81 Schwimmer ins Wasser. An neun Seilen, jedes 40 Meter lang, werden sie sich an vorher geschnürten Knoten einhaken, immer neun Schwimmer pro Seil. Die Ösen für die Seile werden gerade auf der Neuen Ruhrorter Schiffswerft, wo die MS 108 zur Routineuntersuchung auf Helling liegt, angeschweißt — knapp über der Wasserlinie, um keine Schräge zu haben. "Ein Meter 30 ungefähr" würde der Tiefgang bei 160 Tonnen Zuladung betragen, erklärt Paul Backhaus, der das mit Werft-Geschäftsführer Kostas Manaras natürlich ganz genau ausgerechnet hat.

Um 15 Uhr am Samstag heißt es "Freistil": Ob Brustschwimmen, Kraul oder Rücken, alles ist erlaubt. "Wir wollen die Hände frei haben und werden das Seil also um den Fuß machen", sagt Jürgen Bundesmann vom DSSC. "Wir Wasserballer werden, solange das Schiff ruht, erstmal unsere Technik anwenden, Wassertreten, und das Seil dann solange in der Hand halten. Wenn's sich bewegt, werden wir auf Fuß wechseln", erklärt Paul Schüler. Die DLRG wird mit zwei Rettungsbooten flankierend und einem dritten zur Reserve auf dem Wasser sein; für alle Fälle sind tauchbereite Rettungsschwimmer an Bord. Von der Brücke der Oscar Huber aus werden Stella Tarala vom Ruhrorter Bürgerverein und Thommie Black ("HFN-Jam") das Geschehen für die Zuschauer auf dem Leinpfad moderieren.

Zehn Schwimmerinnen sind bis jetzt dabei. Darunter Hannah Stockbauer, die 2003 einen deutschen Rekord über 1.500 Meter Freistil aufstellte und u.a. fünfmal Gold bei Weltmeisterschaften, dreimal Gold bei Europameisterschaften und Bronze bei Olympia holte. Die zweifache Mutter lebt mittlerweile in Duisburg und ist Trainerin beim ASCD. Und greift jetzt mit nach dem Weltrekord.

Wer das auch möchte: Es sind noch zehn Plätze an Schwimmerinnen zu vergeben, die sich die sportliche Gaudi im Hafenmund zutrauen. Interessierte finden unter www.ruhrort.de die Kontaktdaten von Dirk Grotstollen und Stella Tarala oder schreiben eine E-Mail an rbv-vorstand@ruhrort.de — wenn sich, was zu erwarten ist, mehr als zehn Bewerber melden, wird eine Reserveliste eingerichtet.

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(Niederrhein Verlag GmbH)