Kriegsdenkmäler im Boden Vom Bombentrichter zum Biotop

Krefeld · Bombenkrater aus dem Zweiten Weltkrieg haben sich im nördlichen Stadtwald zu wertvollen Biotopen gemausert. Der Verein für Denkmalpflege und Landschaftsschutz möchte sie vor der Zerstörung bewahren.

Am Wanderweg zur Rennbahn: Biologin Dr. Carmen Callas und Historiker Stefan Kronsbein weisen auf einen der Tümpel hin, die durch einen Bombeneinschlag ins Krefelds schlimmster Nacht entstanden sind. Foto: Müller

Foto: Müller

„Was ist das hier?“, wunderte sich bei einem Spaziergang die Biologin Dr. Carmen Gallas über die runden Wassertümpel im nördlichen Stadtwald. Heimathistoriker Stefan Kronsbein identifizierte die Tümpel bei näherer Betrachtung als Bombentrichter aus dem Zweiten Weltkrieg.

„Sie entstanden wohl bei dem großen Bombenangriff auf Krefeld in der Nacht vom 21. zum 22. Juni 1943“, erklärt der Vorsitzende der Krefelder Sektion des Rheinischen Vereins für Denkmalpflege und Landschaftsschutz. Über 1000 Menschen kamen damals um, nochmal so viele wurden verletzt. Die Stadt glich einer Trümmerlandschaft. Die Flieger kamen damals von Norden her. Und im nördlichen Stadtwald an der Rennbahn befinden sich auch sechs Krater.  

Dr. Callas, Expertin für Wasserbiologie, machte sich an die Untersuchung der Rennbahn-Tümpel und war freudig überrascht: „Wir fanden seltene Pflanzen wie die Europäische Wasserfeder“. Auch Amphibien entdeckten die Naturforscher, und nicht zuletzt waren hier bei einer vorherigen Untersuchung bodenständige Libellen verzeichnet worden. „Die Libellen legen ihre Eier im Wasser ab“, erklärt Dr. Callas die Bedeutung der Tümpel für die sensiblen Insekten. 

Aus den Zeugnissen ehemaliger Todesbringer sind im Laufe der Jahrzehnte wertvolle ökologische Nischen geworden. Die Natur hat sich den zerstörten Boden zurückerobert.  

Leider jedoch sind die Biotope bedroht. Sie verschlammen. „Die beiden Gewässer am Nordrand des Stadtwaldes werden in 40 Jahren verlanden“, schätzt Dr. Callas. Sowohl als Heimat seltener Pflanzen und Tiere wie auch als historische Bodendenkmäler des Krieges werden sie nicht mehr dienen können. 

Deshalb richtet Stefan Kronsbein als Vertreter des Rheinischen Vereins für Denkmalpflege eine Eingabe an die Untere Denkmalbehörde, die Bombentrichter zu Bodendenkmälern zu erklären, damit sie erhalten werden können. Dann stünden sie auch kommenden Generationen  als anschauliche Zeugnisse des Kriegsschreckens zur Verfügung.

„Wir schlagen eine schonende Entschlammung vor“, schreiben Dr. Callas und Kronsbein in einem Beitrag für das Krefelder Jahrbuch „Die Heimat“ (Jahrgang 93, 2022). Dabei sollen Organismen, Tiere und Pflanzen weitgehend geschont und bewahrt werden. Eine gezielte Pflege der Biotope soll ihren ökologischen Wert sichern.

Wer sich die beiden ehemaligen Bombentrichter und heutigen Wassertümpel anschauen möchte, spaziere einfach vom Parkplatz der Rennbahn den Wanderweg durchs Gehölz am Europaring entlang. Dort fallen sie ins Auge und erinnern an eine der schlimmsten Nächte der Seidenstadt.