Konzipiert wurde die Ausstellung vom Kempener Historiker Dr. Hans Kaiser auf Initiative von Jeyaratnam Caniceus. Schülerinnen und Schülern der Q2 Oberstufe der Gesamtschule Kempen haben ebenfalls mitgewirkt und werden zur Ausstellungseröffnung selbst geschriebene Texte zur Einführung vortragen. Anhand zeithistorischer Fotos macht die Ausstellung Zusammenhänge und Ereignisse deutlich, die zum Aufstieg des Nationalsozialismus und zum Ausbruch des Krieges führten, und erinnert an die zahlreichen Kriegsopfer. Gefördert wurde das Projekt durch das Unternehmen Ralf Schmitz.
„Kempen unterm Hakenkreuz“, das bedeutete für die Stadt inszenierte Erntedank-Aufzüge im Herbst mit entsprechender Beflaggung in der Altstadt, Aufmärsche der Hitlerjugend im trockengelegten Wassergraben der Kempener Burg und Propagandafilme, die erzwungenermaßen in den Lichtspielen am Buttermarkt vorgeführt werden mussten.
Zu Kriegsbeginn wurden Betriebe auf „Wehrmachtsbedarf“ umgestellt. So schweißten die Arbeiter in der Arnold-Fabrik die Bugtore des sechsmotorigen Transportflugzeugs Me 323 „Gigant“ zusammen. Feuerwehrleute, die einberufen wurden, mussten durch Jugendliche ersetzt werden. Später dienen Schüler auch als Luftwaffenhelfer, eine zehnte Klasse des Thomaeums wird sogar nach Pommern verlegt, um dort eine Fabrik gegen Luftangriffe zu schützen: „Nicht alle kommen zurück“, bemerkt Dr. Hans Kaiser in seinen Erläuterungen zur Ausstellung.
Nächte im Luftschutzkeller, zerbombte Gebäude und die Verfolgung und Verschleppung von jüdischen Familien, politischen Gegnern und behinderten Menschen – bis zur Befreiung durch die Amerikaner im März 1945 war das Kriegsgeschehen in Kempen bitterer und oft blutiger Alltag. Genau heute vor 80 Jahren, am 2. März 1945, fallen die letzten Bomben auf die Stadt. Dass es nicht noch mehr Opfer gibt, ist zwei Männern zu verdanken, die ein weißes Bettlaken mit einem Besenstiel am Turm der Propsteikirche befestigen: Dem Anstreichermeister Hermann Winthuis und seinem Nachbarn, dem Gastwirt Jakob Pegels. Kurz nach einem Bombenangriff, der das Mittelschiff der Kirche trifft, entscheiden sie sich zu dieser Kletterpartie, um weitere Zerstörungen zu verhindern. Wenige Stunden später rückt ein US-Infanterie-Regiment über Kamperlings in die Stadt ein. Mehrere amerikanische Soldaten werden durch Schüsse deutscher Soldaten verwundet, die sich in den Vorgärten verschanzt haben. Doch schon am nächsten Tag gelingt die Übergabe der Stadt durch vier Männer, die den Amerikanern mit erhobenen Händen an der Ecke Burgstraße / Engerstraße entgegentreten: Propst Wilhelm Oehmen, Bürgermeister Dr. Mertens, Küster Bruno Oel und als Dolmetscher der Verleger Karl-Wilhelm Engels. Wiederum dient ein Bettlaken als weiße Fahne.
Mit der Übergabeerklärung endet der zweite Weltkrieg in Kempen. Hans Kaiser schildert die nun folgenden Ereignisse so: „Wenig später, nachdem die Stadt gesichert ist, rollen Panzer, Jeeps und Soldaten auf Lkws aus Oedt und Mülhausen auf dem Weg nach Krefeld durch Kempen. Der große Luftschutzkeller unter dem Kramer-Museum und der Paterskirche ist gedrängt voll mit Menschen, die hier die Ankunft der US-Truppen erwarten. Als die Amerikaner über den Ring rollen, kommen die Menschen aus der Kirche und winken mit allem, was an weißen Tüchern zu finden war.“
Hunger, Kälte, Sorge um verschollene und verschleppte Angehörige, aber auch die Erleichterung, den Krieg überstanden zu haben und neu anfangen zu dürfen, prägen die Nachkriegsjahre in der Thomasstadt. Doch zunächst ist die Lage prekär. Gebratene Kartoffelschalen und Steckrüben gelten als Delikatesse angesichts der geringen Brotrationen. Ab dem 1. Februar 1946 bereiten die Schwestern des Waisenhauses Annenhof auf Anweisung der britischen Militärregierung eine „300-Kalorien-Suppe“ als tägliche Schulspeisung für die Kinder zu, denn mehr als jedes zweite Schulkind leidet unter extremer Unterernährung.
„1947 wird dann das schlimmste Jahr“, schreibt Hans Kaiser. „Massen von Vertriebenen und zurückgekehrten Kriegsgefangenen steigern die Zahl der hungrigen Mägen. Doch der Sommer ist glühend heiß und trocken, die Ernte entsprechend schlecht, und ein bitterkalter Winter verstärkt die Not. Im Schwarzhandel kostet ein Ei nun zehn Reichsmark, ein Pfund Butter 240, ein Paar Schuhe bis zu 800.“
Erst im Juni 1948 sorgt die Währungsreform dafür, dass die Wirtschaft wieder in Gang kommt. Für Kempen hat auch der Wiederaufbau der Propsteikirche eine enorme symbolische Bedeutung. Nun ist der Weg nicht mehr weit in die „Wirtschaftswunder-Zeit“ der 50er Jahre.