Im ersten Moment haben sich viele Menschen wohl gefreut. Gewinnspiele mit verlockenden Namen wurden ihnen angeboten, in Tippgemeinschaften konnten sie sich einklinken. Sagenhafte Gewinne winkten. Doch: „Der Angeklagte wusste, dass die Leistungsversprechen nicht zu erfüllen waren“, merkt der Krefelder Staatsanwalt in seiner Anklageschrift an.
Seit Donnerstag steht Georgios B. in Krefeld vor Gericht. Der 1978 in Düsseldorf geborene Grieche soll „das System“ organisiert haben. Von einem Callcenter in Krefeld aus seien von 2008 bis 2012 zigtausende Menschen in ganz Deutschland angerufen und dazu verlockt worden, Einzugsermächtigungen zu ihren Bankkonten zu erteilen. Die Geldflüsse und Verantwortlichkeiten seien dann durch ein undurchschaubares Geflecht von Firmen verschleiert worden, die zum Teil in England, Panama und auf Zypern ansässig waren. Gut 66 Millionen Euro seien mit der Masche erbeutet, rund 270.000 Menschen geschädigt worden. Die Vorwürfe sind so umfangreich, dass der Staatsanwalt gut 20 Minuten brauchte, um sie vorzutragen.
Konzentriert und mit zusammengelegten Händen verfolgte Georgios B. die Verlesung der Anklageschrift. Für ihn geht es um die Existenz: 10 Jahre Haft sind die Höchststrafe für die vorgeworfenen Delikte. Doch auf eine Erwiderung verzichtete er: „Ich möchte nichts dazu sagen“.
Dafür formulierte sein Anwalt einen Gegenvorwurf: „Die Anklageschrift ist ein unstimmiger Flickenteppich.“ Anlagen seien nicht auf Anklagepunkte abgestimmt worden, Tateinheiten nicht konkret genug benannt und in den Listen der Geschädigten befänden sich Ungenauigkeiten. Diese Fehler behinderten das Verfahren und seien nicht behebbar. Deshalb forderte der Jurist, das Verfahren einzustellen.
Dieser überraschende Gedanke nötigte die Richter zu einer Besprechungspause. Doch folgten sie dem Antrag nicht. Einzelne Ungenauigkeiten seien kein Verfahrenshindernis. Schließlich gehe es nicht um einzelne Taten: „Entscheidend ist das gesamte System“, betonte der Vorsitzende Richter.
Und so wird der Prozess am 7. und 8. Mai fortgesetzt. Dann soll der Leiter der polizeilichen Ermittlungskommission zu Wort kommen. Das Verfahren könnte noch weitere Kreise ziehen. Denn zwei der engsten „Mitstreiter“ des Angeklagten sind noch flüchtig.